Von: Johanna Kleffmann (Masterstudiengang Politikwissenschaften, 2. Semester)
Die Umsetzung des Friedensabkommens der FARC mit der kolumbianischen Regierung befindet sich derzeit in einer ersten entscheidenden und zugleich risikobehafteten Phase. Seit Dezember 2016 fanden sich die Kombattanten in den Zonas Veredales Transitorias de Normalización (ZVTN), den Entwaffnungszonen, zusammen, um mit der Niederlegung der Waffen zu beginnen (Yagoub 2017). Eine Mission der Vereinten Nationen (UN) aus bis zu 15 Ländern wird den Waffenstillstand und die Beendigung der Kampfhandlungen, ebenso wie die Entwaffnung kontrollieren. Am 02.12.16 wurde die Kommission für Monitoring, Impulsgebung und Verifizierung (CSIVI) gebildet. Sie ist aus je drei FARC- und Regierungsvertretern zusammengesetzt. Weitere Mitglieder stellt die internationale Komponente, in gleichen Anteilen von den FARC und der Regierung gewählt. Der UN-Monitoring-Mechanismus wird die Umsetzung des Abkommens beobachten und unterstützen (El Tiempo 2017b). Am 1. März 2017 soll die Niederlegung der Waffen in den Camps beginnen. Weiterhin gilt es, den praktischen Aufgaben, die sich zurzeit für den sechsmonatigen Zeitraum der Entwaffnung abzeichnen, adäquat zu begegnen. Dabei stellen verbleibende bewaffnete Gruppen, die dortige Präsenz illegaler Ökonomien und die Sicherheit der lokalen Zivilbevölkerung nur einige der Herausforderungen dar.
Die Risikofaktoren in den ZVTN sind divers und ihr potenzieller Einfluss bisher schwierig einzuschätzen. Die Fundación Ideas para la Paz hat im Januar 2017 fünf wesentliche Risiken herausgearbeitet: Erstens herrscht weiterhin Handel mit illegalen Gütern (Gold und Koka) in und nahe den ZVTN vor. Zweitens ist die Präsenz bewaffneter Gruppen ein Risiko. FARC-Kombattanten können in ihre Reihen überlaufen und die Gruppen gewaltsam im Friedensprozess intervenieren. Drittens liegen einige Zonen unweit von Grenzregionen, die Schwarzmärkte, organisiertes Verbrechen, illegalen Handel mit Gütern und Menschen aufweisen. Viertens haben alle Zonen Überlappungen mit Drogenhandelsrouten. Fünftens besteht die drängende Gefahr, dass weitere FARC-Kämpfer desertieren oder sich abtrünnige Splittergruppen bilden (Álvarez/Pardo 2017).
Die Abgeschiedenheit der ZVTN begünstigt die Sicherheit der Ex-Kombattanten und der Zivilgesellschaft (El Tiempo 2016). Sie stellt jedoch eine Herausforderung für die Reintegration dar. Unterscheidet sich das Leben in den ZVTN doch wesentlich von jenem zurück in der teils urbanen Zivilgesellschaft. Ebenso erschwert die fehlende Infrastruktur und Nähe zu größeren Städten den Zugang für alle Beteiligten (El Mundo 2017).
Auch wenn die ZVTN zumeist geographisch abgeschieden sind, so stehen sie doch unter dem prüfenden Blick der Öffentlichkeit. Dies zeigte die unter Kritikern als Skandal empfundene gemeinsame Silvesterfeier von UN-Beobachtern und FARC-Kämpfern (Weber 2017). Ob die Entlassung der Beobachter nun einen Präzedenzfall für den zukünftigen Umgang mit Kritikern schafft, soll hier nicht weiter betrachtet werden. Durchaus aber ist die Wahrnehmung der UN als parteiloser Akteur laut der Erfahrung anderer Friedensprozesse entscheidend (FIP 2016: 35).
Mancherorts ist bereits die Bildung von Splittergruppen der FARC beobachtet worden (Bargent 2017a). Offizielle Schätzungen setzen den Anteil der Dissidenten auf ca. 6-7% an, was rund 500 Kombattanten entspräche (El Tiempo 2017a). Diese Problematik lässt das Trauma der oftmals als gescheitert bezeichneten Demobilisierung der Paramilitärs – der Autodefensas Unidas de Colombias (AUC) – 2006 (Hristov 2010), wiederaufkommen.
Die von den FARC aufgegebenen Regionen bilden zudem ein Machtvakuum, welches bereits durch andere bewaffnete Akteure erobert wird und ein äußerst unsicheres Umfeld für die Demobilisierung schafft. Zumeist handelt es sich um die ELN, im Catatumbo um die EPL und in weiteren Teilen um Neo-Paramilitärs und die organisierte Kriminalität (Álvarez/Pardo 2017). Ein vermuteter Indikator für das Hineinströmen bewaffneter Gruppen sind die vermehrten Morde an sozialen Aktivisten (Yagoub 2017). Einige ZVTN registrierten bereits erste Drohungen (Presidencia de la República 2017). Gedroht wird vor allem, um die lokalen Kokabauern nicht an das Substituierungsprogramm der Regierung zu verlieren, nun da der Friedensprozess der ländlichen Bevölkerung aus der Abhängigkeit vom illegalen Anbau helfen möchte (Yagoub 2017). Viele der Entwaffnungszonen decken sich mit stark frequentierten Korridoren des Drogenhandels und Kokaanbauflächen oder illegalen Goldminen (Álvarez/Pardo 2017). Der Druck auf die Regierung, möglichst bald gute Ergebnisse in der Drogenpolitik, ländlichen Entwicklung und Sicherheit zu erzielen, ist deshalb beträchtlich. Diesen Druck lindert auch die Neupositionierung der US-amerikanischen Außenpolitik mit dem Amtsantritt Donald Trumps nicht.
Schlussfolgerungen & Ausblick
Die Risiken für die erfolgreiche Umsetzung des Friedensabkommens in den Entwaffnungszonen sind beachtenswert. Im Wesentlichen sind dies der Einfluss anderer bewaffneter Akteure und der illegalen Ökonomien unweit der Zonen. Landesweit sind der Zeitdruck angesichts der Präsidentschaftswahlen 2018 und die schwache Unterstützung des Abkommens seitens einer politisch tief gespaltenen Bevölkerung von Bedeutung.
Die Eindämmung der Drogenökonomie ist im Lichte der Wahlen 2018 für Santos Priorität (BBC 2017). Im Falle des Misserfolgs wäre der Verlust des bisher Erreichten zu befürchten. Ein transparenter Umgang seitens Santos mit Defiziten in der Umsetzungsphase ist unerlässlich für ein Mindestmaß an Rückhalt in der Bevölkerung. Dieser ist aufgrund historischer Erfahrungen von großer Bedeutung, soll das soziale Gefüge aufbauend auf Vertrauen im Postkonflikt nachhaltig gestärkt werden. Santos muss nun mehr denn je die Sicherheit lokaler Gemeinden und sozialer Aktivisten garantieren, denn er ist ein Schlüsselfaktor für das Gelingen des Friedensprozesses (Amerika 21 2017a).