Von: Laura Schneberger (Masterstudiengang Interdisziplinäre Lateinamerikastudien, 4. Semester)
Im Jahr 2012 initiierte der kolumbianische Präsident Santos die aktuellen Friedensverhandlungen mit der Farc. Als nächster Schritt sollte die Ankunft der Guerillakämpfer in den Übergangszonen, die Abgabe ihrer Waffen und Reintegrationsmaßnahmen erfolgen. Jede Übergangszone wird von einer einen Kilometer breiten Sicherheitszone umgeben. In den Puntos Transitorios de Normalización und Zonas Veredales Transitorias de Normalización (PTN und ZVTN) halten sich die ehemaligen Farc Mitglieder auf und in den Sicherheitszonen kolumbianische Sicherheitskräfte sowie Mitglieder der UN-Beobachtungskommission (MM&V). Die ehemaligen Guerillakämpfer dürfen die ZVTN nur in zivil und ohne Waffen verlassen, während dessen die zivile Bevölkerung keinen Zugang zu den ZVTN und PTN hat. Aufgrund der Tatsache, dass vorherige Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Farc immer wieder scheiterten, herrscht bis heute jedoch ein beidseitiges Misstrauen. Des Weiteren ist die geographische Lage der Sammelpunkte und Entwaffnungszonen der Farc ebenfalls entscheidend im Friedensprozess. Die meisten der genannten Zonen sind isoliert und aufgrund fehlender Infrastruktur schwer zugänglich, welcher zu Verzögerungen im Prozess führt und das Misstrauen der Farc gegenüber der Regierung verstärkt.
Am 06. Dezember 2016 begann der offizielle Marsch der Farc Mitglieder in die Entwaffnungszonen. Aufgrund unzureichender Infrastruktur gestaltete sich die Anreise in einige Übergangszonen jedoch schwierig. Zudem waren viele Zonen noch nicht fertiggestellt, was zu Differenzen zwischen der Farc und der Regierung führte. Planmäßig sollten bis Ende Dezember alle Farc Mitglieder in den Übergangszonen angekommen sein, jedoch kam es aufgrund von Missständen in den Zonen zu Verzögerungen. Die Farc beschwerte sich außerdem darüber, dass in der Region Guaviare, bereits Paramilitärs eingetroffen seien. Darüber hinaus versuchten auch andere illegale Gruppen einige der 118 Gebiete, die ehemals von der Farc kontrolliert und nun aber von ihnen verlassen wurden, einzunehmen. Am 19. Dezember gab es erneut Meldungen über die Zunahme von Entführungen, Erpressungen und Ermordungen im ganzen Land. Vor allem die ELN und die neue, illegale Gruppe „El Nuevo Orden“, sorgten in Tumaco für negative Schlagzeilen.
Da einige Übergangszonen nicht pünktlich fertig gestellt wurden, verschob sich das Datum bis zu welchem alle Guerillakämpfer in den Entwaffnungszonen angekommen sein sollten vom 31. Dezember 2016 auf den 31. Januar 2017. Insgesamt nahm auch die Zahl der Übergangszonen ab, sodass es letztendlich nur 26, davon 20 Entwaffnungszonen und sechs Sammelpunkte, geben sollte. Die Opposition, unter dem ehemaligen Präsidenten Uribe, kritisierte das gemeinsame Feiern von Farc Mitgliedern mit dem UN-Personal in der Entwaffnungszone La Guajira in der Silvesternacht sowie die Besuche des ehemaligen deutschen Außenministers Steinmeier und des französischen Präsident Hollande in zwei Entwaffnungszonen im Januar 2017. Auch der ehemalige Präsident Pastrana kritisierte den Besuch Hollands auf Twitter, da seiner Meinung nach der aktuelle Friedensvertrag das Land zerstöre anstatt den Frieden zu fördern und deshalb nicht unterstützt werden sollte. In den darauffolgenden Wochen gab es immer wieder Meldungen über Mängel in den Übergangszonen und neue Angriffe illegaler Organisationen auf die ehemals von der Farc besetzten Territorien. Bis spätestens zum 31. März sollten allerdings auch die letzten Farc Kämpfer in den ZVTN und PTN eintreffen. Anfang Februar wurde darüber berichtet, dass das kolumbiansiche Kulturministerium zwanzig mobile Bibliotheken für die Übergangszonen ab dem 1. März 2017 einrichten werde. Zudem sollten auch Kindergärten in den ZVTN eröffnet werden. Die positiven Nachrichten wurden jedoch schnell wieder davon überschattet, dass die ELN und das Drogenkartell „Clan del Golfo“ in weitere ehemalige Farc Gebiete vorgedrungen seien und die Gewalt in diesen Bereichen stetig zunehme. Bis zum 4. Februar hatten circa 6500 Farc Mitglieder die Übergangszonen erreicht. Am 13. Februar begann die Initiierung von Ausbildungsprogrammen in den Zonen für die ehemaligen Farc Mitglieder, welche die Wiedereingliederung in das zivile Leben unterstützen sollen. Der Prozess in den Entwaffnungszonen wird erst im Juli beendet, sofern die komplette Waffenabgabe bis dahin innerhalb von 180 Tagen stattgefunden hat.
Schlussfolgerung
Viele illegale Organisationen im Land sind daran interessiert, die ehemaligen Territorien der Farc einzunehmen, da diese über landwirtschaftliche Ressourcen wie zum Beispiel Koka verfügen und somit strategisch wichtige Zonen für den Drogenhandel darstellen. Die Demobilisierung der Farc bedeutet zwar einerseits den Austritt aus dem Drogengeschäft, andererseits möchte die Organisation ihre Vormachtstellung in den Gebieten nicht verlieren, um in diesen politisch aktiv werden zu können. Um neue Konflikte und einen erneuten Gewaltanstieg in diesen Gebieten zu verhindern, scheint es somit wichtig zu sein, dass der Staat das Vakuum in den betroffenen Gebieten füllt. Neben militärischer Präsenz sollte der Staat auch soziale Präsenz durch beispielsweise Schulen und Krankenhäuser in den betroffenen Gebieten gewährleisten. Darüber hinaus ist es wichtig, die Reintegration der ehemaligen Farc Kämpfer zu unterstützen, um zu verhindern, dass sich diese anderen illegalen Organisationen anschließen mit welchen sie den bewaffneten Konflikt im Land fortführen könnten. Es müssen genügend Bildungsprogramme sowie eine ausreichende finanzielle Unterstützung für die ehemaligen Farc Kämpfer aufgebracht werden, um ihre Wiedereingliederung sicherzustellen. Zwar hat der Staat bereits Reintegrationsprogramme eingeführt und den Farc Mitgliedern verschiedene finanzielle Hilfen versichert, laut Theidon 2007 ist es allerdings insbesondere in Hinblick auf die Reintegration ehemaliger Krieger besonders wichtig, die ganze Gesellschaft in diesen Prozess zu involvieren. Lokale Initiativen, welche die Zusammenarbeit aller Mitglieder der Gesellschaft fördern, bauen Ängste zwischen der zivilen Bevölkerung und den Farc Mitgliedern ab, verhindern somit Ausgrenzung und führen zu Inklusion und einem friedlichen Zusammenleben. Darüber hinaus ist laut Ishiyama und Marshall 2016 ebenfalls zu beachten, ehemaligen Rebellenorganisationen auch die politische Partizipation zu ermöglichen. Um einen langfristigen Frieden im Land aufzubauen, darf es nicht zur Exklusion bestimmter Parteien kommen. Die kolumbianische Regierung befindet sich meines Erachtens mit den Friedensgesprächen mit der Farc und seit Februar 2017 auch mit der ELN auf einem guten Weg, jedoch muss sie die genannten Maßnahmen umgehend ergreifen, um die Sicherheit der Bevölkerung während und nach den Verhandlungen zu gewährleisten und einen dauerhaften Frieden in Kolumbien herbeizuführen.