Dal deserto rosso (2021)

Kommentar von Simona Balistreri (SoSe 2021)

V. 1-4: Seit dem ersten Vers sind alle verwendeten Verben im Präsens: „Sono- è-ha“.
V. 2-7: Isotopiegruppe der Geometrie: „punto“, „dimensione“, „lunghezza“,„larghezza“, „profondità“, „spazio“.
V. 6: „Ti scrivo“: „Ich schreibe dir“. Der Ansprechpartner ist unbekannt. Das Publikum, an das sich die Dichterin wendet, ist unbekannt und nicht explizit dargestellt.
V. 11: Anapher: Die Wortgruppe „Ti scrivo“ wird wiederholt.
V. 12: Rhetorische Frage, die keine Antwort erwartet.Auch wenn die Welt manchmal wie eine Wüste aussieht und man nicht mehr zwischen Tag und Nacht unterscheidet („hanno un unico colore“), ist das Denken – an sich und an anderen – etwas, was uns verbindet.

Ausgehend von dem Titel des bedeutenden Films von Michelangelo Antonioni aus dem Jahr 1964, Deserto Rosso, in dessen Mittelpunkt eine ruhelose und gequälte Frauenfigur steht, komponiert Maria Borio einen Text in zwei Teilen, die in sich sehr kohärent sind.

Die Person – Protagonistin des Gedichts – die sich an einen realen oder imaginären Gesprächspartner wendet, schreibt aus einer Situation tiefen Unbehagens und gleichzeitig Offenheit gegenüber der sie umgebenden Realität, in die sie eintaucht: Eine Realität, die sich manchmal wie ein Traum oder eine Halluzination anfühlt, voll von verschiedenen Spuren und Präsenzen, immer auf der Suche nach Authentizität.

Borios Schreibweise ist ausdrucksstark und detailreich. Ihr Komponieren ist eine einzigartige Sammlung dichter Empfindungen und Eindrücke. Maria Borios rote Wüste bietet die ideale Umgebung für die Selbst- und Weltbeobachtung , für die Reflexion über Identität und den Sinn unseres Seins.

Im Frühjahr 2019 wurde der ganze Globus mit einem weiteren traumatischen Ereignis zu Beginn des Jahrtausends konfrontiert: die Covid-19 Pandemie und dem Lockdown. Alle haben sich in den eigenen Häusern eingeschlossen, weil wir Gefahr liefen, uns mit dem neuen Corona-Virus anzustecken. Eine unnatürliche Erfahrung, die zusammen mit anderen dazu beigetragen hat, die innere Landschaft des westlichen Menschen zu verändern. Maria Borio nimmt diesen Moment als Denkanstoß und lädt sowohl italienische als auch ausländische Dichter und Schriftsteller ein, über ihn zu sprechen. Die rote Wüste in Antonionis Film ist die Metapher für die Reise innerhalb des Gedichtes: eine Reise, die aus Entfremdung und Ungewissheit besteht, bei der man nicht weiß, was man in der Realität sehen soll, und daher auch nicht, was man in Bezug auf sie sein soll.

Bibliographie:

Cittarelli, G., L’esplorazione di una distanza. Su Trasparenza di Maria Borio. 2021 online.

Comparini, A., La sabbia e il fuoco. Intervista a Maria Borio. 2015 online.