Der vergessene Künstler

Seine Werke entstanden in einer Zeit tiefgreifender politischer und sozialer Umbrüche und doch steht er heute im Schatten der Kunstgeschichte: Der palästinensisch jüdische Künstler Jussuf Abbo.

Von Assia Kaddache

Leben und Wirken

Jussuf Abbo wurde 1888/1890 in Safed (Palästina) als Sohn arabischsprechender jüdischer Eltern geboren. Während er in Jerusalem als Steinmetz unter dem preußischen Hofmeister Otto Hoffmann arbeitete, wurde dieser bald auf sein Talent aufmerksam und empfahl ihm ein Studium in Berlin. Nachdem er 1911 in Berlin ankam, begann er 1912 ein Bildhauerei Studium an der Hochschule für bildende Künste in Charlottenburg, welches er 1918 abschloss. Schon einige Jahre später war er als Bildhauer und Grafiker erfolgreich und konnte seine Werke überall im Land präsentieren. Doch trotz seiner erfolgreichen Ausstellungen konnte er sich damit kaum seinen Lebensunterhalt finanzieren, nicht zuletzt aufgrund der Weltwirtschaftskrise.

1933 lernte er Ruth Schulz kennen, die er später heiraten und mit ihr drei Kinder haben sollte. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten versuchten auch Abbo und Ruth zu fliehen, was sich allerdings nicht als ganz einfach erwies. Während Ruth fürs erste nach Worpswede (Niedersachsen) zurückkehrte, wo sie ihr erstes Kind gebar, hatte Jussuf nicht so viel Glück, da sein osmanischer Pass nicht mehr angenommen wurde und er somit als staatenlos galt. Nach mehreren Versuchen gelang es ihm, einen ägyptischen Pass zu erhalten, wonach die junge Familie 1935 gemeinsam nach London floh.

Abbo konnte vor Ausbruch des Krieges noch sein Atelier nach London verschiffen, von dem aber viele Werke beschädigt ankamen. Andere in Museen und Galerien verbliebene Werke wurden von den Nazis 1937 in der Propaganda-Ausstellung “Entartete Werke” gezeigt. Welche das sind, lässt sich im “Beschlagnahmeinventar ‘Entartete Kunst’” der Freien Universität einsehen. Nach seiner Flucht war Abbo kaum noch künstlerisch tätig, erkrankte und verlor bei einem kriegsbedingten Arbeitseinsatz seinen Finger, wonach er gar nicht mehr als Künstler wirken konnte. Er zerstörte vor Wut sein letztes Atelier und starb schließlich 1953 an einer Operation.

Jussuf Abbo in den 1940er Jahren
(c) wikimedia commons

Ein Orientale in Berlin

In den 1920ern kam es in der deutsch-jüdischen Kultur zu mehreren Formen der Selbstorientalisierung und einer Orientsehnsucht bei deutschen Juden. Abbo fiel also als Jude aus Palästina perfekt in die Rolle des “Orientalen” und beschrieb sich auch selbst so. Die Schriftstellerin und Künstlerin Else Lasker-Schüler, eine Freundin Abbos, schrieb ein Gedicht über ihn, in dem sie ihn als Kind der Wüste beschreibt und auf sehr orientalisierte Bilder zurückgreift, um Abbos Hintergrund darzustellen. Interessanterweise findet man in seinen eigenen Werken kaum Bezüge zu diesem “exotischen Orient”, den sich seine Zeitgenossen vorstellten. Durch sein Dasein als Araber und Jude fanden jüdische Deutsche wie Lasker-Schüler eine Bindung zu ihm, gleichzeitig vermittelte sein Arabischsein diese andere Welt des fernen Orients nach dem sich einige in Zeiten von ausuferndem Antisemitismus und Aufstieg des Zionismus sehnten.

Bezüge zu heute?

Zu Jussuf Abbos Zeit haben die sozialen und politischen Umstände zur Entstehung sowie Verstärkung des Zionismus in Europa geführt. Arabische Juden wie Abbo zeigen aber auch, dass das Bild des antisemitischen Nahen Osten zu dem Zeitpunkt nicht existierte. Das Leben, Wirken und Leiden arabischer Juden wird heute gern außen vor gelassen, ob aus Unwissenheit oder absichtlicher Ignoranz. Juden haben aber mit Christen und Muslimen jahrhundertelang in Palästina Seite an Seite gelebt und es ist an der Zeit, auch ihre Geschichte zu erzählen.


Mehr Informationen zu Jussuf Abbo finden Sie in Aischa Ahmeds (2020) Arabische Präsenzen in Deutschland um 1900: Biografische Interventionen in die deutsche Geschichte sowie in Dorothea Schönes (2019) Jussuf Abbo.

Zum Titelbild: JUSSUF ABBO, Kopf eines Schwarzen Mannes, 1939, Gips/ Nachlass Jussuf Abbo, Brighton/England, Foto: Gunter Lepkowski.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Captcha
Refresh
Hilfe
Hinweis / Hint
Das Captcha kann Kleinbuchstaben, Ziffern und die Sonderzeichzeichen »?!#%&« enthalten.
The captcha could contain lower case, numeric characters and special characters as »!#%&«.