Pioniere der Berliner Jazz- und Swing-Szene

Inmitten der turbulenten 1930er Jahre in Berlin, unter aufsteigender nationalsozialistischer Repression, schaffte es ein Ägypter, eine kulturelle Oase zu schaffen, die nicht nur Jazz- und Swingliebhaber begeisterte, sondern auch die Elite der Gesellschaft anzog. Diese interessante Persönlichkeit war Mustafa al-Sherbini. Sein Engagement und seine Leidenschaft für Musik und Gastfreundschaft machten ihn zu einem bedeutenden Teil der Berliner Jazzgeschichte.

Von Melis Karca

Gemeinsam mit seiner Frau Ivonne Fürstner betrieb al-Sherbini ab 1934 eine Bar in der Uhlandstraße, die bis zu ihrer Schließung 1938 den Namen „Sherbini-Bar“ trug. Diese Bar wurde schnell zu einem exklusiven Treffpunkt der Berliner Boheme und Schickeria. Hier versammelten sich die „besseren Kreise“ der Gesellschaft, um bei Jazzmusik und in einer Atmosphäre internationaler Eleganz zu entspannen. Neben der Sherbini-Bar gab es die Ciro-Bar in der Rankentraße, betrieben von al-Sherbinis ebenfalls ägyptischem, Freund Ahmad Mustafa, in der ein ähnliches Flair geherrscht haben soll.

Hotspot der Berliner Bohème

Die Sherbini-Bar war bekannt für ihren gelegentlichen Dresscode der damals „Frackzwang“ genannt wurde und ihre luxuriöse Ausstattung, die sie zu einem einzigartigen Ort in einer Zeit machte, die zunehmend von den strengen Regeln des Nationalsozialismus geprägt war. Ein Artikel des „Berliner Herold“ aus dem Jahr 1935 beschreibt die Bar als einen Ort, an dem die Zeit stehen geblieben schien. Hier konnte man noch die Gesichter und Profile sehen, die in den glanzvollen Jahren vor 1933 den Kurfürstendamm belebten.

Blick in die Ciro Bar von Sherbinis Freund Ahmed Mustafa, Berlin Charlottenburg, Rankestraße, Postkarte um 1936

Unter der Leitung von Mustafa al-Sherbini wurde die Bar zu einem musikalischen Zentrum, das einige der besten Jazzmusiker der Zeit anzog. Eine der Hauptattraktionen war der amerikanische Jazzposaunist Herb Flemming, der eigentlich Niccolaiih El-Michelle hieß und tunesische sowie ägyptische Wurzeln hatte. Flemming brachte eine internationale Note in die Berliner Musikszene und war durch seine Auftritte in der Sherbini-Bar maßgeblich daran beteiligt, Jazz und Swing in Berlin populär zu machen. Neben Flemming umfasste die Band der Sherbini-Bar namhafte Musiker wie Rudi Dumont (Trompete), Franz Than (Klarinette und Saxophon), Fritz Schulz (Piano), Max Gursch (Gitarre) und E. Wilkens (Bass). Mustafa al-Scherbini selbst spielte Schlagzeug und trug so aktiv zur musikalischen Atmosphäre bei.

Ende einer Ära

Trotz der zeitweise weltoffenen Stimmung in Berlin, besonders während und nach den Olympischen Spielen 1936, begann der Druck des NS-Regimes auf die Jazzszene zu wachsen. Ende 1936 kam es zu Umbesetzungen in der Band, und die ‚Reichsmusikkammer‘ begann, die „allzu jazzige“ Musik zu kritisieren. Schließlich erhielt der damals als „halb-arisch“ bezeichnete Eugen Henkel ein Spielverbot, was die Band und die Bar schwer traf. Herb Flemming verließ Deutschland im Sommer 1937, und die Sherbini-Bar musste kurz darauf schließen.

Sherbini, Flemming und Mustafa zeugen mit ihren Errungenschaften von ihrem Eigensinn, da sie sich trotz der zunehmenden „Arisierung“ von Kunst und Kultur, immer wieder dagegenstellten und für eine weltoffene Atmosphäre in ihren Etablissements sorgten.

Zweiter von rechts (im dunklen Anzug) Mustafa al-Sherbini

Quellen: Aischa Ahmed: Arabische Präsenzen in Deutschland um 1900. Biografische Interventionen in die deutsche Geschichte. Bielefeld: transcript 2020.
F. Gesemann/G. Höpp: „Araber in Berlin (bis 1945).“ In: F. Gesemann/G. Höpp/H. Sweis (Hrsg.): Araber in Berlin. Berlin 1998, S. 7–46.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Captcha
Refresh
Hilfe
Hinweis / Hint
Das Captcha kann Kleinbuchstaben, Ziffern und die Sonderzeichzeichen »?!#%&« enthalten.
The captcha could contain lower case, numeric characters and special characters as »!#%&«.