Wie das Deutsche Reich mit „El Dschihad“ muslimische Kriegsgefangene gewinnen wollte

Im Schatten des ersten Weltkriegs entstand mit der Nachrichtenstelle für den Orient eine eigene Propagandaabteilung. Diese nutzte die Zeitung „El Dschihad“, um muslimische Kriegsgefangene auf ihre Seite zu ziehen. Was steckte hinter dieser Strategie? Und wie erfolgreich war die Zeitschrift?

Von Sarah Al-Khatib

Die Zeitschrift „El Dschihad“ (al-Ǧihād) wurde 1915 in Berlin gegründet, um muslimische und indische Kriegsgefangene zu erreichen. Dieser Gründungsprozess wurde auf Anregung durch das Auswärtige Amt initiiert und in Zusammenarbeit mit dem Scherifen Saleh sowie seinem türkischen Begleiter besprochen. Die Zeitschrift sollte den Namen „El Dschihad“ tragen und wöchentlich erscheinen.

Die Gründung von „El Dschihad“ war Teil der umfassenderen Propagandastrategie der Nachrichtenstelle für den Orient (NfO). Diese deutsche Propagandaeinrichtung operierte während des Ersten Weltkrieges in der muslimischen Welt, insbesondere im Nahen Osten, und war dem deutschen Generalstab unterstellt, begleitet vom Auswärtigen Amt. Die NfO führte nicht nur Propaganda durch, sondern erfüllte auch geheimdienstliche Aufgaben. Ein Hauptziel war es, Muslime unter französischen, britischen und russischen Soldaten zum Überlaufen zu bewegen. Muslime wurden dabei in Kriegsgefangenschaft bevorzugt behandelt und im sog. Halbmondlager in Wünsdorf bei Berlin zusammengeführt. Mit Gastrednern aus dem Osmanischen Reich versuchte man diese Soldaten und ihre kämpfenden Angehörigen für die deutsche Sache zu gewinnen. Der Begriff „Dschihad“ wurde dabei instrumentalisiert und missbraucht, wie im Titel der Zeitschrift „El Dschihad“. Der Erfolg dieser Bemühungen blieb jedoch mäßig.


Die 60. Ausgabe der El Dschihad vom 15. Juli 1917

Max von Oppenheim gründete die NfO und war ihr erster Leiter. Nach seiner Berufung zur deutschen Botschaft in Istanbul im März 1915 übernahm Karl Emil Schabinger Freiherr von Schowingen die Leitung, bis er am 22. Februar 1916 an das deutsche Generalkonsulat nach Jerusalem versetzt wurde. Sein Nachfolger wurde Eugen Mittwoch, ein Professor für Islamwissenschaften, der die NfO bis zu ihrer Auflösung am Ende des Ersten Weltkrieges leitete. Weitere bekannte Mitarbeiter waren die Orientalisten Martin Hartmann, Helmuth von Glasenapp und Willy Spatz. Die deutsche Zentrale der NfO war zuerst im Berliner Reichskolonialamt untergebracht, zog jedoch aufgrund der Erweiterung ihrer Aufgaben in die Tauentzienstraße 19a um. Bis Kriegsende nutzte die NfO 32 Räume. Neben der Leitung verfügte die NfO über eine Kanzlei und eine Pressestelle sowie Abteilungen für verschiedene Sprach- und Kulturgebiete.


Ich habe zur Recherche ein Material aus dem Archiv des ZMOs benutzt, mit dem Titel „Gründung der Zeitschrift El Dschihad (Al-Gihad)“, es handelt sich um ein Schreiben zur gewünschten Gründung der El Dschihad Zeitschrift. Es wird über die Ziele, Orientierung und Struktur der Zeitschrift geschrieben.

Ziel und Inhalt der Zeitschrift

Hauptziel der Zeitschrift war es, die muslimischen Kriegsgefangenen in ihrer Muttersprache mit Informationen und Nachrichten zu versorgen. Sie erschien in mehreren Sprachen, darunter Arabisch für französische Muslime, Urdu und Hindi für Inder, sowie Russisch und Türkisch für russische Muslime. Die Inhalte der Zeitschrift bestanden aus Leitartikeln, die hauptsächlich von Einheimischen verfasst und von deutschen Redakteuren kontrolliert wurden. Weitere Inhalte umfassten Übersetzungen wichtiger Kriegsnachrichten und politischer Meldungen sowie Artikel aus bedeutenden muslimischen Zeitungen.

Die Redaktion der Zeitschrift setzte sich aus deutschen Verantwortlichen und Einheimischen der jeweiligen Sprachgebiete zusammen. Dr. Adler war für die rechtzeitige Herstellung und den Druck der Zeitschrift verantwortlich, während die politische Verantwortung bei den deutschen Behörden lag. Die Militärbehörden sollten entscheiden, wie die Aufsicht über die Zeitschrift ausgeübt werden sollte. Die Zeitschrift war für die Verteilung an Kriegsgefangene in deutschen Gefangenenlagern und an der Front vorgesehen. Zudem sollte sie als Propagandamaterial hinter feindliche Linien geschickt und in islamischen Gebieten verteilt werden.

Publikationen als Propagandamittel

Die Arbeit der NfO zeigt die strategische Bedeutung der Medien in Kriegszeiten und die gezielten Bemühungen, die vielfältigen kulturellen Hintergründe der Kriegsgefangenen anzusprechen und zu beeinflussen. Zu ihren Propagandamitteln gehörten Flugblätter, Zeitschriften, Zeitungen, Bücher und Filme. Insbesondere Flugblätter, die von Flugzeugen abgeworfen wurden, sollten die öffentliche Meinung beeinflussen. Eine bekannte Propagandalüge verbreitete 1915, dass Kaiser Wilhelm II. zum Islam übergetreten sei. Auch die Presse wurde für Propaganda genutzt: Der Orientalist Max von Oppenheim war an der Gründung der arabischen Zeitung „Al-Schark“ in Damaskus 1916 beteiligt und im selben Jahr erschien in Berlin die persische Zeitung „Kaweh“ in Zusammenarbeit mit der NfO. Weitere Publikationen waren das „Korrespondenzblatt“ und die Zeitschrift „Der Neue Orient“.

Auch „El Dschihad“ war letztlich kein bloßes Informationsmedium, sondern ein Werkzeug der psychologischen Kriegsführung und Propaganda. Sie sollte die Moral der muslimischen Kriegsgefangenen stärken und gleichzeitig die feindlichen Linien destabilisieren. Die regelmäßige und pünktliche Ausgabe war von größter Bedeutung, um das Vertrauen der Gefangenen zu gewinnen und zu halten. Ein tatsächlicher Effekt dieser Bemühungen lässt sich jedoch weder messen noch feststellen.


Max von Oppenheim (1860-1946), einflussreicher deutscher Orientalist und Initiator der Nachrichtenstelle für den Orient in arabischer Kluft
(c) wikimedia commons, ca. 1896

Ein Gedanke zu „Wie das Deutsche Reich mit „El Dschihad“ muslimische Kriegsgefangene gewinnen wollte“

  1. Liebe Sarah, es ist wirklich interessant zu sehen, wie das Deutsche Reich versucht hat, muslimische Kriegsgefangene durch die Idee des „El Dschihad“ zu gewinnen. Diese Strategie zeigt, wie politische und kulturelle Aspekte in Konfliktsituationen eine Rolle spielen können. Die Art und Weise, wie verschiedene Kräfte versuchen, Unterstützung zu gewinnen, ist ein faszinierender Aspekt der Geschichte.

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