Ein Name, der einst Hoffnung schöpfte

Fawzi al-Qawuqji, einst eine zentrale Figur der arabischen Unabhängigkeitsbewegung, bleibt auch heute ein prägender Name in der Geschichte des Nahen Ostens. Seine Rolle in Schlüsselereignissen wie dem arabischen Aufstand von 1936-1939 und seiner Führung der Arabischen Befreiungsarmee im Palästinakrieg von 1948, sowie sein bleibendes Vermächtnis im arabischen Widerstand, verlangen nach einer gründlichen Analyse.

Von Peter Meßing

Fawzi Al-Qawuqji (sprich Kawukdschi)wurde 1890 in Tripoli geboren, zu einer Zeit, als es noch keine libanesische Nationalität gab. Er absolvierte 1912 die Militärakademie in Konstantinopel und kämpfte im Ersten Weltkrieg. Das Titelbild zeigt ihn als hochdekorierten Offizier, u.a. mit einem Eisernen Kreuz des deutschen Kaiserreichs. Nach dem Krieg schloss er sich den arabischen Kräften unter Prinz Faisal an, um einen arabischen Staat in Syrien zu errichten. Er kämpfte gegen die Franzosen und nahm 1925 an der Revolte im Libanon unter Sultan al-Atrash teil. Nach dem Scheitern der Revolte lebte er in Saudi-Arabien, wo er jedoch mit König Abd al-Aziz ibn Saud in Konflikt geriet und schließlich ausgewiesen wurde.

im Arabischen Aufstand 1936-1939

Der Arabische Aufstand war eine Rebellion der arabischen Bevölkerung Palästinas gegen die britische Mandatsmacht und die – vor Verfolgung aus Europa flüchtende – jüdische Einwanderung. Wirtschaftliche, soziale und politische Spannungen führten zu einem groß angelegten Aufstand, welcher die britische Kolonialverwaltung herausforderte.

Fawzi Al-Qawuqji trat als einer der prominentesten Führer des Aufstands hervor. Er setzte auf Guerillataktiken, darunter Hinterhalte und schnelle Überfälle auf britische Einrichtungen, um deren Ressourcen zu erschöpfen. Er nutzte die geografischen Vorteile Palästinas und das Element der Überraschung, um die britischen Truppen zu destabilisieren und ihre Bewegungen einzuschränken.

Während seine Bemühungen kurzzeitig erfolgreich waren, indem sie dazu führten, dass verschiedene Fraktionen der arabischen Widerstandsbewegung vereint und organisiert wurden und den Widerstand stärkten, wurde der Aufstand letztlich von der britischen Regierung mit erheblicher Gewalt unterdrückt.

in Deutschland1941-1946

Zwischenzeitlich fand Al-Qawuqji im Zweiten Weltkrieg Zuflucht in Deutschland, doch der Aufenthalt ist nur sehr spärlich belegt. Es ist bekannt, dass Al-Qawuqji am 3. Juli 1941 in Begleitung seines Sohnes Madjdi und seines Bruders Yumni über Athen nach Berlin geflogen wurde. Al-Qawuqji war in Berlin von dem berühmten Chirurgen Sauerbruch wegen Kriegsverletzungen operiert worden und traf in Berlin auch seine spätere Frau, die er in dritter Ehe heiratete.

Als arabischer Nationalist war al-Qawuqdschi bereit, am Aufbau und beim Einsatz einer Truppe mitzuwirken, die unter arabischer Führung gemeinsam mit der Wehrmacht für die Befreiung der Heimat eingesetzt würde.

Gerhard Höpp, „Araber in Berlin„, 1998

Al-Qawuqji versuchte sich in Berlin die Unterstützung von Nazi-Deutschland zu sichern, um die Britten zu schwächen und um sein persönliches Ziel zu verfolgen: Mit Hilfe der Nazis kollektiv gegen die Existenz der Juden in Palästina vorzugehen, um seine seit Jahren gepredigten, aber nicht erfüllten Ziele zu erreichen. Diese Zusammenarbeit mit dem Nazi-Regime wird retrospektiv stark kritisiert, insbesondere angesichts der schweren Verbrechen des Holocaust.

Nach der deutschen Niederlage floh er nach Frankreich und entkam dort nur knapp einer Verhaftung, bevor er schließlich im Februar 1947 in Kairo ankam. Trotz den Versuchen der britischen Behörden, ihn aufzuhalten, konnte Al-Qawuqji mit Hilfe seiner Kontakte zur Arabischen Liga nach Beirut weiterreisen.

Im Palästinakrieg 1948

In Syrien begann Al-Qawuqji, eine Freiwilligenarmee aufzubauen. Sein Hauptquartier wurde zu einem Zentrum des militärischen Widerstands. Journalisten beschrieben, nach Gerhard Höpp, wie junge Männer aus verschiedenen Teilen der arabischen Welt vor seiner Tür standen, um sich der Befreiungsarmee anzuschließen. Zusammen mit Abd al-Qadir al-Husaini, dem Anführer der palästinensischen Guerillakämpfer, wurde Al-Qawuqji in den Monaten vor Mai 1948 als Scheinheld, als die Legende, die Palästina befreien würde, gefeiert. Er ist auf den Straßen der arabischen Welt allgegenwärtig und genoss enorme Popularität, denn er führte die Arabische Befreiungsarmee (ALA) an.

Als Feldherr in Palästina, Mai 1948
Quelle: wikimedia commons

Im Palästinakrieg setzte er auch wieder auf Mobilität und Flexibilität. Seine Strategie basierte auf schnellen sowie unerwarteten Angriffen, um die logistischen Schwächen der israelischen Truppen auszunutzen und deren Vormarsch zu verlangsamen. Während Al-Husseini durch seinen Märtyrertod im April 1948 in gesellschaftlicher Erinnerung blieb, wurde Al-Qawuqji, der die Niederlage der Araber miterlebte, zunehmend vom Volk verspottet und sein Name mit leerem Gerede in Verbindung gebracht.

Dieses Empfinden setzte sich weiter durch als der Krieg gegen die israelischen Truppen nicht gewonnen wurde. Die arabischen Streitkräfte, einschließlich der von Al-Qawuqji geführten ALA, erlitten die damals so befürchtete Niederlage. Der Krieg endete mit der angehenden Etablierung Israels, was zu einer bekannten anhaltenden politischen und militärischen Instabilität in der Region führte.

Fazit

Fawzi Al-Qawuqji war eine schillernde Figur im arabischen Befreiungskampf des 20. Jahrhunderts, dessen Lebensweg und Handlungen ein differenziertes Bild hinterlassen haben. Als militärischer Anführer und Aktivist spielte er eine zentrale Rolle in mehreren Aufständen und Konflikten, insbesondere gegen Kolonialmächte und für die arabische Unabhängigkeit. Seine häufigen Wechsel der politischen Allianzen und seine Opportunismusvorwürfe zeigen eine Inkonsequenz, die seine Glaubwürdigkeit und seine langfristigen politischen Ziele in Frage stellten. Diese Inkonsequenz führte dazu, dass er sowohl von seinen Unterstützern als auch von seinen Gegnern oft mit Skepsis betrachtet wurde. Dies spiegelt sich auch in aktuellen politischen Entwicklungen in der arabischen Welt wider, wo oft das Fehlen kohärenter und beständiger Führungspersönlichkeiten beklagt wird.

To those who still remember him, today, his name is synonymous with the bitter taste of defeat: of hope deferred, then disappointed. But he was a hero, then, the man who would liberate Palestine.

Mona Anis und Omayma Abdel-Latif in der ägyptischen Tageszeitung al-Ahram 1998 (Quelle: Höpp-Nachlass)

Seine militärischen Misserfolge, insbesondere während des arabischen Aufstands 1936-1939 in Palästina, werfen ein Schlaglicht auf seine strategischen und taktischen Fähigkeiten. Diese Niederlagen trugen zur Schwächung der arabischen Sache bei, was wiederum zu langfristigen Konsequenzen der Region führte. Die anhaltende Instabilität und Fragmentierung in der arabischen Welt könnte teilweise auf historische Misserfolge wie jene von Al-Qawuqji zurückgeführt werden, die es versäumten, eine nachhaltige militärische und politische Basis zu schaffen.

Die Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs stellt einen besonders kritischen Punkt dar. Al-Qawuqjis Suche nach Unterstützung von den Nazis zur Schwächung der Briten und zur Förderung der arabischen Unabhängigkeit wird retrospektiv als moralisch verwerflich und strategisch kurzsichtig angesehen.

Schließlich bleibt auch Al-Qawuqjis Beitrag zur Lösung der palästinensischen Frage offen. Trotz seines Engagements gelang es ihm nicht, eine effektive militärische Gegenwehr gegen den neu gegründeten israelischen Staat zu organisieren, geschweige denn eine nachhaltige politische Lösung voranzutreiben. Die heutige komplexe und weiterhin ungelöste Situation in Palästina reflektiert die historischen Misserfolge und ungelösten Probleme, die auch durch Al-Qawuqjis Handlungen beeinflusst wurden.

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