„Reichsbürger und Thesenreiter“: Zwei Medienexperten im Vergleich  

Lorenz Maroldt, Chefredakteur des Tagesspiegels, und Michael Fabricius, Redakteur bei der Welt, haben sich beide bereits ausführlich mit dem Thema BER beschäftigt, beide haben davon berichtet und beide waren bei uns für ein Interview zu Besuch.
Doch auch wenn das Thema BER verbindet, scheint es Uneinigkeiten über die Darstellung zu geben. Während Fabricius der Berichterstattung des Tagesspiegels „Thesenreiterei“ vorwirft, bezeichnet Maroldt seinen Kollegen von der Welt als „Schwachkopf“, der ihn eher an „eine Art Reichsbürger“ erinnert.

Bei Einem sind sie sich jedoch auf jeden Fall einig: das Thema BER ist wichtig und obwohl es langsam Keiner mehr hören kann, bleibt es notwendig darüber zu informieren.

 

Humor ist dabei ein häufig genutztes stilistisches Mittel.

Laut Marold könne man sich zwar „BER-Witze erzählen […] bis es dunkel wird“, dürfe dabei aber nicht die Ernsthaftigkeit der Sache vergessen.
So hat der Tagesspiegel eine Art eigenes Ressort aufgebaut, in dem sich vier Mitarbeiter fast hauptberuflich mit dem Flughafen beschäftigen um ihre Leser regelmäßig auf den neusten Stand zu bringen.

Auch Michael Fabricius hat seinen amüsanten Artikel Irgendwann war ich nur noch der Typ aus der Einflugschneise“  erst nur widerwillig geschrieben, denn auch er möchte vermeiden, dass die Bedeutung der Debatte unterschätzt wird.

Auf diesen Artikel hätte damals mehr als die Hälfte der Leser „pampig“ reagiert und den Text falsch verstanden, doch die Reaktionen der Bevölkerung sind nicht die einzige Hürde für Journalisten.
Interesse und Desinteresse, Neugier und Überdruss des Publikums wechseln sich beim Thema BER ab. Maroldt sieht bei diesem wellenförmigen Verlauf bestimmte Ereignisse, wie die neuen Termine, neue Geschäftsführer oder Absurditäten wie die Notwendigkeit des Austauschens der Bildschirme, als Interesse weckende Schlagzeilen und erklärt, dass auf diese Dinge zwar eingegangen wird, der Tagesspiegel sich aber nicht nur nach der Meinung der Leser richtet. „Man versteht sich ja als Kontrollinstanz“, das heißt Artikel, die etwas anspruchsvoller sind, werden vielleicht nicht von ganz so Vielen gelesen, weswegen man die Berichterstattung aber nicht einstellen dürfe.

Ob Massenmedien die öffentliche Meinung beeinflussen, oder von ihr beeinflusst werden, kann uns keiner von beiden eindeutig beantworten, was darauf schließen lässt, dass es sich um eine Wechselbeziehung zwischen den Einflüssen handelt.

Auf unsere Frage, ob und inwiefern die Politik die Medien beeinträchtigen, streiten beide jeglichen Einfluss auf ihre Berichterstattung ab.

Politiker seien lediglich Informanten. 

Quellen generell sind laut Maroldt mit Vorsicht zu genießen, da sie häufig mit ihren Aussagen ein bestimmtes Ziel verfolgen würden und so leicht Unwahrheiten in die Welt gesetzt werden könnten. So hätten auch Flughafenchefs bereits absichtlich falsche Informationen weitergegeben, um eben solche Informanten der Medien in den eigenen Reihen aufzuspüren. Unter diesen Umständen können wir verstehen, warum Lorenz Maroldt uns die Namen seiner Quellen nicht verraten wollte, auch wenn es uns natürlich brennend interessiert hätte woher der Tagesspiegelreporter sein umfangreiches Wissen über den BER bezieht.

Im Gegensatz zu der regelrechten Spezialisierung der lokalen Journalisten, beschäftigten sich die internationalen Medien nicht ernsthaft mit dem Thema, schreiben ab oder nur über das, was bereits abgehakt ist. Innerhalb Deutschlands existiere eine Bereitschaft auch mit Häme zu berichten, besonders in der Süddeutschen Zeitung und der FAZ. Besonders in Berlin ginge es insgesamt zynischer und humorvoller zu, auch um einen Kontrapunkt gegen die komplizierten Zahlen, Daten und Geschichten zu setzen. In der internationalen Berichterstattung dominiere laut Fabricius schlichtweg der absolute Unglaube, dass die Deutschen es nicht hinkriegen, das Großprojekt abzuschließen und die Aussage: „Sie kommen aus der Stadt mit dem Flughafen“ hört Marold auch in Rio. Das scheinbar nie enden wollende Projekt steht für viele im klaren Gegensatz zu der sonst so typischen Effizienz und Pünktlichkeit der Deutschen. (https://www.nytimes.com/2014/04/10/world/europe/berlins-over-budget-behind-schedule-airport-becomes-an-attraction.html)

Ein weiterer interessanter Aspekt, auf den vor allem Michael Fabricius in seinem Interview eingeht, ist die zunehmende Bedeutung der sozialen Medien und ihr Einfluss auf die Berichterstattung. „Clickbaiting“, sowie bewusste Emotionalisierung und Individualisierung von Texten, durch welche Reporter immer mehr Teil des Geschehens werden, indem sie aus ihrer persönlichen Sicht berichten und „am besten noch ein Selfie machen“, seien dabei Onlinestrategien die dem Welt Reporter persönlich eher weniger zusagen.

Die Sachlichkeit des tatsächlichen Inhaltes ginge dabei häufig verloren.

Transparenz sei in Bezug auf den Flughafen eine richtige und vielleicht auch notwendige Strategie, um die allgemeine Einstellung gegenüber dem Flughafen etwas positiver zu stimmen. So hätte, Michael Fabricius Meinung nach, ein Hintergrundgespräch im Winter, in dem der Flughafenchef Lütke Daldrup der Presse 3 Stunden über den Flughafen berichtete, eine Art Wendepunkt in der Berichterstattung dargestellt. Die Journalisten hätten dadurch ein Verständnis dafür bekommen, was wirklich passiert ist, warum es passiert ist und was wirklich sinnvoll wäre darüber zu schreiben und wären danach etwas nachsichtiger mit dem BER gewesen.

Lorenz Maroldt geht in seinem Interview hingegen vor allem auf die gescheiterte Eröffnung 2012 ein. Er hat sogar seine Einladung dabei, denn „man weiß ja nicht, vielleicht wird er ja überraschend eröffnet“.  In seinem „Checkpoint“ zählt er seither die Tage seit der Nichteröffnung. Es wäre wichtig gewesen mit dem Flughafen zu zeigen, dass wir mehr sind als die Party Hauptstadt in der „alles nicht so drauf ankommt“, sondern eine Stadt  in der man super gerne lebt und auch leben kann, die aber trotzdem wirtschaftlichen Fortschritt erreicht, erklärt er uns. Außerdem würde der Flughafen benötigt werden, da Tegel ja bekanntlich ein „Schrotthaufen“ sei und die zunehmende Passagierzahlen kaum noch zu handhaben seien. Trotzdem müsse Tegel wohl auch mit Eröffnung des BER länger aufbleiben als ursprünglich gedacht, da die Kapazitäten des BER nicht ausreichen würden. Sollte Tegel jedoch dauerhaft offen bleiben, müsse eine Menge Geld investiert werden.

Tegel also ein Schrotthaufen und das Projekt BER ein Auto.

„Ein uraltes Auto, an dem immer wieder irgendeine neue Werkstatt irgendwas rumbastelt und keiner versteht mehr warum welche Leitungen mit irgendwelchen anderen verkabelt sind“. Maroldt ist wenig optimistisch, was den geplanten Eröffnungstermin angeht. Während Fabricius darauf vertraut, dass Lütke Daldrup bis 2020 eröffnet, rechnet er mit weiteren Verschiebungen oder es wird „ultraknapp“, 2 Monate Pufferzeit seien zu wenig. Ob der Termin nun eingehalten wird oder nicht sei erstmal dahingestellt. Sicher ist, dass das Thema uns noch eine Weile begleiten wird. Auch nach der Eröffnung, denn dann werden die Erweiterungsarbeiten beginnen und wir werden sehen, ob die Beteiligten aus den bisherigen Fehlern gelernt haben.

Immerhin gehen ja beide der von uns befragten Experten von der Fertigstellung des BER aus und die Hoffnung stirbt bekanntlich ja zuletzt.

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