Alfredo Di Mauro: „BER – das große Projekt mit viel Ärger“ (Teil I)

Wenn man an das Projekt BER denkt, dann ist Alfredo Di Mauro sicher einer der ersten Namen, welchen man hiermit in Verbindung bringt.

Der von den Medien als „falscher Ingenieur“ verschriene Gründer des Ingenieurbüros „TechnikConsult GmbH“ kam durch seine Beteiligung am BER in den Jahren 2007 bis 2014 zu ungewollter Berühmtheit.

Di Mauro war für die Planung eines Teils der Entrauchungsanlagen verantwortlich, seine fristlose Kündigung 2014 war ein schnell gefundenes Fressen für die Medien, die ihm nach der Eröffnungsverzögerung des Flughafens die Schuld für die Funktionsunfähigkeit besagter Anlagen zusprachen.

Zuvor war Di Mauro bereits an der Planung der Entrauchungsanlage im Shoppingcenter ALEXA in Berlin beteiligt, jedoch ist er auch in Sachen Skandale nicht ganz unerfahren: Bereits 2002 wurde er beschuldigt, beim Bau eines Ärztehauses in Offenbach gepfuscht zu haben.

Wir haben Herrn Di Mauro getroffen und uns von ihm seine Sicht der Dinge erklären lassen und ihn dazu befragt, wie es seiner Meinung nach zu den zahlreichen, vor allem technischen, Fehlern gekommen sei.

Frage: Wie kam es Ihrer Auffassung nach zu der geplatzten Eröffnung 2012?

[Di Mauro]: „Niemand hat begriffen, warum der Flughafen jetzt nicht fertig wird. Tatsache ist, dass wir schon 2010 dem Flughafen geschrieben haben: Der Flughafen wird nicht fertig 2010 – wir haben damals auch empfohlen, das Eine oder Andere zu verändern, z.B. die Firma, die da tätig ist – Teilkündigungen, Verstärkung rein zu bringen, um einfach die Terminsituationen zu forcieren. Denn es war schon 2010 ganz klar erkennbar: der Flughafen kann nicht fertig werden, weil die Firmen keine Verträge mehr haben, keine pönalisierten Strafen, d.h. es war alles so ein vager Zustand.“

Frage: Was ist Ihrer Meinung nach die Ursache für diese Fehleinschätzung?

[Di Mauro]: „…Das waren über 500 [Änderungen], und das waren letztendlich über drei gesamte Bauanträge, die da gestellt worden sind. (…) Und das hat natürlich immer zur Folge, dass es Geld kostet, Verzögerungen usw.

(…) ich war der Meinung: jetzt ist es genug! Und da waren die Architekten der Meinung: das kriegen wir noch hin! So ein gewisser Optimismus: (…) die Projektsteuerer aus München, die immer noch da draußen sind, die haben gesagt: hier in München haben wir den Flughafen in Betrieb genommen, und die Entrauchungsanlage war noch nicht fertig, sondern Jahre später… behaupten und frohlocken sie noch damit! Das steht sogar auch im Untersuchungsausschuss!“

Frage: Haben Sie erst als schon absehbar war, dass der Flughafen nicht rechtzeitig fertig wird es selber auch gemerkt, oder schon zu einem früheren Zeitpunkt? Bzw. gab es einen Zeitpunkt, zu dem man noch effektiv hätte gegensteuern können und vielleicht die Verzögerung auf 2013/14 beschränken können?

[Di Mauro]: „Es gibt ja ganz konkrete. Wir haben da viel Arbeit rein gesteckt – 2010 gab’s einen Vorschlag, einen Vergabevorschlag an die Flughafengesellschaft (und) wir haben gesagt: mit dieser Firma wird der Termin nicht garantiert.

Wir haben daraufhin Leistungen – die Firma Caverion oder Imka damals, also die große Haustechnikfirma – ja gesagt: wir nehmen jetzt einen Teil der Leistungen raus, und wir vergeben das an andere Firmen, es gab also Ausschreibungen und andere Angebote, das war schon konkret und sehr fortgeschritten.

Es gab auch ganz klare Zusagen von anderen Firmen, die gesagt haben: „wir übernehmen einen Teil und der Termin passt“(…) Und was die Flughafengesellschaft dann gemacht hat, kann ich jetzt nur vermuten: Die haben wahrscheinlich unseren Vergabevorschlag genommen, haben es denen (der Haustechnik Firma, Anm. d. Red.) unter die Nase gehalten und haben gesagt: „Na? Schaut mal? Könnt ihr jetzt oder wollt ihr nicht?“

So und die haben wahrscheinlich gesagt: „Naja das kriegen wir auch hin!“

Aber das gibt es nicht schriftlich, es gibt also nicht handfestes. Und kaum war das Ding dann abgeschmettert, da war das Trauerspiel wieder da, da ging es gerade weiter.

Den Grund müssen Sie sich selbst beantworten, man kann nur spekulieren. Vielleicht hat die Korruption da auch schon eine Rolle gespielt. Ich meine man hat ja später dann noch gemerkt, wer da noch die Hand aufgehalten hat.

Man kann nicht nachvollziehen, warum der Bauherr an der Stelle sich damals nicht für eine terminsichernde Maßnahme entschieden hat und dieser Firma weiter vertraut hat.“

Frage: Wie wurde 2012 mit den Fehlern umgegangen?

[Di Mauro]: „(…) der Flughafen war definitiv nicht fertig und da kamen (die) Ideen: Mensch – Maschinen-Schnittstelle. Das ist eine, in aller Deutlichkeit gesagt, technische Idiotie. Weil sowas überhaupt in den Raum zu werfen, dass Menschen in der Lage seien, Technik zu ersetzen, dass da Menschen sich hinstellen und wenn einer sagt: “es brennt“, dann macht er die Tür auf oder die Fenster oder irgendwelche Mechanismen mit einem Knopf…das funktioniert nicht! Das funktioniert erst recht nicht, wenn die Entrauchung innerhalb von 90 Sekunden wirken muss, d.h. nicht eingeschaltet werden, sondern wirken! Das wird niemals funktionieren. Die Mensch-Maschine war eine Idee des Projektsteurers. (…) Das waren die Optimisten. (…) Davon habe ich mich distanziert, da gehöre ich nicht dazu.“

Frage: Hätten die Probleme früher erkannt werden können, wenn die Kommunikation zwischen leitenden und ausführenden Personen anders organisiert gewesen wäre? 

[Di Mauro]: (…) die Großkopferten (Einflussreiche Person des öffentlichen Lebens, meist aus Politik oder Wirtschaft, Anm. d. Red.) da oben, die meinten: es gibt einen Termin, es gibt ein Ziel und wir müssen dann fertig werden. Egal was passiert.

Und wenn einer kommt mit einem Problem – ich war einer von denen die Probleme aufgezeigt haben – was die mit meinen Unterlagen gemacht haben… Ich habe ja einiges übergeben, ich habe aufgezeigt: Da sind Probleme und da sind Probleme.“

Di Mauro zeigt eine Kopie eines Schriftstücks, in welchem ihm mitgeteilt wird, dass seine an Herrn Mehdorn übergebenen Planungsunterlagen aufgrund Platzmangels vernichtet wurden.

„(…) Da können Sie sehen was die mit den Unterlagen gemacht haben. Die haben sie aus Platzgründen geschreddert.

So und dann fragt man sich auch da, war es die Inkompetenz der Flughafengesellschaft, haben sie das nicht verstanden? Oder haben sie es verstanden und gebilligt, damit andere davon profitiert haben.

(…) Das heißt Mehdorn und Co. wollten überhaupt keine Probleme sehen, zack! Deckel drauf, weitermachen! Und die Probleme, die waren damals schon da, die sind heute noch da und es gibt noch andere Probleme, die bis heute kaum noch jemand kennt.“

Frage: Der geplante Eröffnungstermin liegt ja mittlerweile sechs Jahre zurück. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund wieso der Flughafen immer noch nicht eröffnet ist?

[Di Mauro]: „In erster Linie liegt das an dem Bauherrn (die Flughafengesellschaft, Anm. d. Red.), der für diesen Zustand gesorgt hat. (…) Weil die Flughafengesellschaft die zuvor genannten Probleme nicht erkennt oder nicht wahrhaben will. Weil sie nur die Fertigstellung sehen, machen sie immer den nächsten großen Fehler. Man hätte zugeben können, dass Vorgänger Dinge übersehen haben und diese bereinigen können, aber das machen sie nicht. (…) Und die Politik macht natürlich Druck und will nur wissen, wann der Flughafen fertig wird. Und keiner traut sich Farbe zu bekennen“

Frage: Die Medien hatten sich auf Sie als Sündenbock eingeschossen. Würden Sie dies als Sabotage von Seiten der Flughafengesellschaft bezeichnen?

[Di Mauro]: Nein, das ist eine Vertuschung. Die Flughafengesellschaft hat Fehler gemacht. Und die schützen sich gegenseitig. (…) Dann hat sich aber herausgestellt, dass er (Großmann, Anm. d. Red.) korrupt war und Schmiergelder genommen hat und vielleicht aus diesem Grund die Teilung der Anlage genehmigt hat, vermute ich mal. Der Umbau war nicht nötig, es haben die Firmen profitiert, die teilweise Fehler verbaut haben. Die Fehler haben wir aufgedeckt. Auf die haben wir aufmerksam gemacht, dass sie anders gebaut haben als der Plan war. Und das waren große Fehler in Millionenhöhe. Es ging also nicht nur um kleine Fehler, sondern um gravierende. Der Verzug, der aufgrund dieser Fehler entstanden ist, ist enorm. Das ist ja das Gefährliche dabei. Da waren die alle vorsichtig und sind mit Artillerie und Panzer aufgefahren und ich musste mich geschlagen geben.

Also um das nochmal zu sagen, die Fehler die Großmann begangen hat, hat die Flughafengesellschaft bestimmt intern juristisch abgesichert, aber nach außen verteidigt. Sonst hätten sie nach außen gezeigt, dass das ganze Ding aus dem Ruder läuft. Und vor allen Dingen haben sie keine Antwort darauf, warum sie die Tests nicht durchgeführt haben. Wir haben sogar noch Berechnungen getätigt, und dann war es vorbei.“

Frage: Die Eröffnung ist ja aktuell auf Herbst 2020 angesetzt. Halten Sie diesen Termin für realistisch?

[Di Mauro]: „Wenn man diese Probleme sieht, plus was ja sonst noch existiert, dann kann man nur sagen: 2020 wird nicht funktionieren.

(…) Die Probleme, die waren damals schon da, die sind heute noch da und es gibt noch andere Probleme, die bis heute kaum noch jemand kennt (…) und die werden nach und nach alle rauskommen und deswegen wird sich der Flughafen noch weiter verzögern.

(…) Deswegen: 2020 sehe ich definitiv nicht, alleine vom Ablauf her (…). Wenn alles gut geht und noch vertuscht wird, dann vielleicht in 3-4 Jahren, wenn die Probleme aber öffentlich werden, dann ist alles vorbei; dann ist der Schaden so groß, dann kann der BER in der Form so nicht öffnen, dann sprechen wir von 5-6 Jahren noch einmal zusätzlich.

Ich glaube nicht, dass man die eben genannten Probleme (dauerhaft) vertuschen kann. Das hat man in der Vergangenheit versucht, man hat auch Leute dort gehabt die ein Auge zugedrückt haben.“

In diesem Interview wird deutlich, wie klar Di Mauro seinen Standpunkt vertritt und davon überzeugt ist, dass hier unter anderem das Problem der Vertuschung und des nicht funktionierenden Fehlermanagements für das Auftreten der Fehler und die zahlreichen Terminverschiebungen verantwortlich ist.

Welche anderen Gründe Di Mauro noch für das Scheitern des BER-Projekts verantwortlich macht zeigen wir im nächsten Blog-Post zum Interview: „BER – das große Projekt mit viel Ärger“ (Teil II)“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Captcha
Refresh
Hilfe
Hinweis / Hint
Das Captcha kann Kleinbuchstaben, Ziffern und die Sonderzeichzeichen »?!#%&« enthalten.
The captcha could contain lower case, numeric characters and special characters as »!#%&«.