Interview mit Sebastian Czaja, FDP

Der Tod einer jeden Baustelle ist das permanente Umändern und Umplanen“

Sebastian Czaja ist Generalsekretär der Berliner FDP und führte die FDP 2016 als Spitzenkandidat zurück in das Abgeordnetenhaus von Berlin. Dort ist er Vorsitzender der FDP-Fraktion. Wir hatten das Glück mit Ihm über Tegel, die Medien und Weiteres in und um den „Chaos-Flughafen“ zu reden. Hier die Zusammenfassung.

Czaja offenbart, in einem sehr informativen Gespräch, mehrere Problemzonen des BER: Sei es die 33,5 Millionen erwarteten Passagiere für einen Flughafen, der für 22 Millionen geplant war, der Masterplan für 2040, der bereits jetzt zu wenig Fluggäste einplant, die Bauarbeiten, die noch während des Betriebes fortlaufen werden oder aber der katastrophale Informationsfluss. Czaja erörtert: „Der Tod einer jeden Baustelle ist das permanente Umändern und Umplanen“. Was haben wir also gelernt? Bauprojekte soll man real und nicht klein rechnen und dass man in diesem Zusammenhang nicht auf eine Gleichgültigkeit der Bevölkerung setzen darf.
Hier ein Auszug über ein paar der wichtigsten bzw. interessantesten Fragen:

Wie soll die Zukunft von Tegel aussehen? Warum wollen sie, dass Tegel erhalten bleibt anstatt den BER zu vergrößern?

Ab 1.1. 2020 haben die Anwohner einen verbindlichen Rechtsanspruch auf Lärmschutz, dies kostet das Land mindestens 380 Mio. €.
Es wäre aber noch absurder Tegel zu schließen, man sollte stattdessen Tegel erhalten und damit die vorhandenen Kapazitäten halten, um den zukünftigen gerecht werden zu können.
Man geht davon aus, dass auf einen zwanzig jährigen Investitionszeitraum 1 Mrd. € anfallen, vergleicht man dies jedoch mit Frankfurt am Main, München etc. müssen diese mit deutlich höheren Ausgaben rechnen.

Die 1 Mrd. sind angerechnet auf den gesamten Flughafen.
Das Hauptterminal am BER ist baugleich zu dem des Terminal C (Billigflieger Terminal), deshalb wäre es sinnvoller, in die leistungsstarken Terminals A, B und D zu investieren. Die Kosten dafür belaufen sich wahrscheinlich auf 180 Mio.

In wie fern glauben Sie, dass Ihre Kampagne zur Offenhaltung des Flughafen Tegels, den Bau des Flughafens BER beeinflusst hat?

Durch den Volksentscheid wurde deutlich, dass der BER zu klein ist:

Alleine durch die Insolvenz der Air Berlin gab es in zwei Monaten 800 000 Übernachtungen weniger womit 100000 € Verlust gemacht worden sind.
Kapazitätsengpässe bedeuten also einen extremen wirtschaftlichen Nachteil.
Außerdem stellt sich die Frage der Mobilität unter dem Aspekt Zeit. Stichwort: wie lange brauch ich bis zum Flug(hafen)? Wie viel Zeit nimmt es in Anspruch?
Hier spielt sich auch eine der entscheiden Fragen für Deutschland ab, vor allem luftverkehrspolitisch. Wo sind Kapazitäten um international konkurrenzfähig zu sein? Ausbaukapazitäten gibt es nur in München und eben vor allem in Berlin, weshalb hier eine Antwort auf die Frage der Zukunft Deutschlands als Luftverkehrsstandort beantwortet werden kann.

Der Plan sieht also folgendermaßen aus:
Point-to-Point Inlands und innereuropäische Flüge laufen über Tegel, also die betreuungsintensiveren, sodass die Langstreckenflüge auf den BER „abgewälzt“ werden können. Hierbei will man das Model Frankfurt am Main nachahmen und vor allem auf neue und moderne Maschinen setzte. Abgesehen davon, dass diese mehr Kapazitäten haben, sind sie auch leiser, schneller und umweltfreundlicher.

In wie weit stimmen Sie folgender Hypothese zu:
Der Informations- und Kommunikationsfluss zwischen den Ländern/ dem Bund und den verschiedenen Steakholdern ist/war gestört, wodurch die Zuständigkeit unzureichend definiert war und es zu Problemen im Stakeholdermanagement vom Flughafen Berlin Brandenburg GmbH kam.

Der Kommunikationsfluss sei schrecklich, die Grünen haben versucht über den Untersuchungsausschuss an Informationen zu gelangen, da es extrem schwierig ist an diese zu kommen und es einen wahnsinnig dünnen Informationszugang gibt. Akteneinsichten werden sehr oft verwehrt

„Bosch, Siemens und Caverion erstatten Bericht an die FBB (Gesellschaft) die geben es weiter an die Landesregierung, wenn das Parlament dort dann anfragt, heißt es, dies betreffe die Rechte Dritter, man könne keine Auskunft erteilen.“

Man wollte herausfinden um welche Art von Verträgen es sich mit Siemens handelt ob nach Stundenlohn abgerechnet wird oder ob es Festpreise gibt. Bei einem Stundenlohn würde es sich um eine Cashcow für die Unternehmen handeln und sie profitieren natürlich davon, wenn die Baustelle möglichst lang eine Baustelle bleibt. Deshalb wird bei solchen Projekten normalerweise ein fester Preis vereinbart. Die Akteneinsicht wurde nicht gestattet. Bei der Kommunikation muss also auf jeden Fall etwas passieren, weil es so wie es ist untragbar ist.

Was halten sie von der Firma Caverion, bzw. was ist Ihre Meinung dazu, dass die größte Baufirma am BER nicht auf die Einladung des Abgeordnetenhauses reagiert hat?

Dem Parlament sind die Hände gebunden, da die Landesregierung eben auf die Geschäftsbeziehung und Rechte Dritter verweisen kann. Leider verweigert diese meist die Beantwortung der Fragen und somit die eigentlich notwendige Transparenz. Die einzige Möglichkeit des Parlaments besteht momentan über den Untersuchungsausschuss an die notwendigen Informationen dran zu kommen.

„Kollektiver Wirklichkeitsverlust, ein Verantwortungsvakuum und mangelnde Kontrolle“ So wurde über den BER im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses gesprochen. Welche genauen Aktionen führten, Ihrer Meinung nach, zu dieser Aussage? Spielten die anderen Parteien bei diesen genannten Aktionen eine essenzielle Rolle bzw. hatten sie maßgeblich Einfluss auf diese Maßnahmen?

Leider sei das eine sehr schwierige Frage, vor allem wegen der schon angesprochenen Intransparenz. Die Kenntnisse der Abläufe vor Ort oder über die Finanzströme etc. habe man als Parlament nicht- deshalb könne man die Frage nicht beantworten.

(Überleitung durch Czaja zum Thema Teileröffnung und Tegel)

Eine Teileröffnung führt zu schnelleren Prozessen und mehr Dynamik auf der Baustelle, des Weiteren gehe er davon aus, dass man nochmal überdenkt Tegel wirklich zu schließen, weil man damit seinen Backup Flughafen aufgibt. Allerdings sei fraglich in wie weit eine Teileröffnung logistisch beim BER machbar sei.

Wie geht es weiter mit der Genehmigung?

Das Problem ist, dass am Ende eine einzige Person die Verantwortung tragen wird, weil sie mit ihrem Stempel die Genehmigung erteilt. Diese Verantwortung will aber niemand haben.
Der Vorschlag: die Verantwortung weit zu streuen, auf Aufsichtsrat und das Aktiengesetz setzen.

Sollten derartige Großprojekte wie der BER mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden?

Bei öffentlichen Unternehmungen sollte das alles durch das Aktiengesetz und einen Aufsichtsrat geregelt werden, dies ist das einzig sinnvolle. Allerdings handelt es sich hierbei um ein Grundsatzproblem.
Außerdem sollte es Vereinbarungen und Verträge geben, die vorsehen, dass es einen Bonus gibt, wenn die Firmen schneller fertig werden. Wenn es jedoch länger dauert sollten die Firmen mit in die Verantwortung gezogen werden.

Ist Teilprivatisierung eine Lösung?

„Tegel ist momentan eine Cashcow.“ Es werden massiv Gewinne ausgeschüttet und gemacht, weil abgeschrieben wird.
Eine Privatisierung wäre aber auch falsch, weil dadurch die Probleme ja nicht gelöst werden würde.
Für die Zukunft sollte man sich aber genau überlegen was privat und was vom Staat gemanagt wird. Finanzieren und kontrollieren muss der Staat, aber die Realisierung muss ohne ein politisches Management erfolgen.
„Wir sollten den BER als Lernkurve verstehen, weil noch einige Großbauprojekte in Berlin auf uns zukommen werde.“

Was sagen Sie zu der Rolle der Medien im Allgemeinen?

Zu aller erst muss man zwischen der öffentlichen und der veröffentlichen Meinung unterscheiden.
„Keiner von uns kann eine echt erlebte Erfahrung mit dem BER vorweisen, weil er noch nicht in Betrieb genommen worden ist und wir somit weder Fliegen noch Essen noch sonst etwas können. Was wir hingegen haben sind Gefühle dazu, z.B. das Gefühl, dass er schon wieder nicht eröffnet worden ist, die Frage „was passiert da noch“ oder „es kann nichts werden“, können wir hingegen erleben.“

Die Medien sollten so gut und ausgewogen informieren wie es möglich ist.
Frage: Stimmt es, dass die Medien nur positiv Berichten dürfen? Was sagen Sie zu den Berliner Bürgermeistern, die bereits am Flughafen teilhaben durften?

„Um diese Frage zu beantworten muss erst einmal deutlich gemacht werden, dass der Bürgermeister über eine Wagenburg Mentalität verfügt, die seinesgleichen sucht.“

Seit bald 7 Wochen versuche man mit einigen Journalisten einen Rundgang über das Gelände zu organisieren um sich selbst eine Meinung bilden zu können und um an Informationen zu kommen. Bis heute hat man keinen Termin dafür bekommen.

Früher hatte man einmal einen bekommen und es wäre vergleichbar mit einem Besuch in Nord-Korea. Es gab einen vorgeschriebenen Weg, den man nicht verlassen durfte und sollte man es wagen zu fragen, ob man sich eine bestimmte Stelle, z.B. eine Wand anschauen wollen, wären sofort die begleitende Security dazwischen gegangen, die genau aufgepasst hat, dass man eben jenen vorgeschrieben Weg nicht verlässt.

Ist es rechtlich zulässig, dass Sie, unter dem Aspekt der Pressefreiheit und als Abgeordneter dem Volk gegenüber, einen Auftrag haben an dessen Ausführung Sie gehindert wird?

Unter dem Aspekt der Pressefreiheit: Bauherren hätten einen Schutzauftrag gegenüber den Journalisten, man befinde sich immer noch auf einer Baustelle und habe die Verantwortung für jene.
Zu dem Thema des Abgeordneten: man wahrscheinlich bald vor Gericht ziehen.

In welchem Zusammenhang mit der Partei CDU stehen Sie bei dem Großprojekt BER in Hinsicht auf den Untersuchungsausschuss und der Offenhaltung vom Flughafen Tegel?

Bei der CDU gab es einen Mitgliederentscheid und man spricht sich für eine Offenhaltung des Flughafen Tegels aus. Allerdings gibt es trotz allem eine Vielstimmigkeit in der Partei, die von Offenhalten über Teiloffenhalten bis zum Schließen reicht.
Man benötigt von 160 Abgeordneten 40, die FDP und die CDU arbeiten in diesem Fall sehr eng zusammen.

Welchen der Wechsel bei den Geschäftsführern fanden sie gut, welche nicht?

Das Herr Schwarz gegangen ist sei gut, dass sein Nachfolger Hartmut Mehdorn gegangen ist nicht, da er fachlich und weniger politisch daran gegangen ist.

Vielen Dank für das Interview Herr Czaja!

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