Waldsiedlung Krumme Lanke

Eine Zehlendorfer Zeitreise

Wer sich häufiger mit dem Rad oder zu Fuß  zur Krummen Lanke aufmacht, ist womöglich schon einmal – bewusst oder unbewusst – an der heutigen „Waldsiedlung Krumme Lanke“ vorbeigekommen. Während dieses Wohngebiet von der Argentinischen Allee aus durch einen mehrgeschossigen Wohnblock abgeschottet wird, zeigt sich bei Läufen über den Quermatenweg schnell ein architektonischer Kontrast: mit ihren braunen, blauen und grünen Haustüren und Fensterläden fallen Reihen- und Doppelhauszeilen sowie Einzelhäuser in den Blick, die zwischen dichten Kiefern mit weiten Grünflächen liegen. Im Vergleich zu anderen Berliner Architekturen wirken sie zeitlich seltsam entrückt.

Heimatstil und „Gated Community“

Oft habe ich mich beim Vorbeilaufen gefragt, was es mit dieser Architektur und Siedlung auf sich hat. Die Antwort birgt – wie so oft – verdrängte oder kaum bekannte Geschichte/n: Die so friedlich und idyllisch anmutende Wohnanlage wurde 1937-39 als „Kameradschaftssiedlung der SS“ gebaut. In scharfem Kontrast zur unmittelbar benachbarten Wohnsiedlung „Onkel Toms Hütte”, die mit ihren Flachdächern und klaren Formen ein modernes Projekt des „Neuen Bauens“ widerspiegelt (siehe auch Zehlendorfer Dächerkrieg), verweist die „Kameradschaftssiedlung“ mit ihrer traditionellen, heimatbezogenen Gestaltung klar auf rückwärtsbezogene nationalsozialistische Gesellschaftsvorstellungen. Entlang der „Blut und Boden“-Ideologie sollte eine abgeschottete Zone, eine frühe „gated community“  für die elitäre Gemeinschaft von SS-Familien erschlossen werden.

Zwar können sich Gebäude und Grünflächen nicht wehren, und es bleibt unsere Aufgabe, die Spuren nationalsozialistischer Herrschaft sowie ihre Gesellschaftsbilder immer wieder zu thematisieren und kritisch einzuordnen, aber die Siedlung hat in diesem Fall auf ihre eigene Art mit der Ideologie ihrer Erbauer*innen „abgerechnet“: Auch wenn zunächst große Teile nach dem Krieg zerstört waren, besetzten nach 1945 Geflüchtete und Widerstandskämpfer*innen die noch nutzbaren leerstehenden Häuser.

Begrenzte Erinnerung/en

Eine historische Auseinandersetzung mit dem Komplex erfolgte dann jedoch erst verspätet in den 1980er Jahren. Und obwohl die meisten Straßen umbenannt worden sind, erweist der „Himmelsteig“, der seinen Namen einem Preisausschreiben des SS-Kampfblatts „Das schwarze Korps“ verdankt, der nationalsozialistischen Vergangenheit dann immer noch eine mehr als fragwürdige Referenz.

Ebenso fragwürdig wie der Umstand, dass bislang nicht alle der im „Das schwarze Korps“ prämierten Strassennamen umbenannt worden sind, ist die doch sehr reduzierte Erinnerungskultur. Die einzige Stele (Erinnerungstafel) findet sich – räumlich abgewandt – an der viel befahrenen Argentinischen Allee. In der Siedlung selbst mangelt es an weiteren Verweisen und historischen Einordnungen. So stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, mit welchen Formen der Erinnerung hier auf die historisch wirkungsmächtigen Verschränkungen von materieller und diskursiver Raumkonstruktion angemessen reagiert werden kann.

Quellen:

https://www.berlin.de/ba-st…/…/waldsiedlung_krumme_lanke.pdf

http://www.gedenktafeln-in-berlin.de/…/tid/waldsiedlung-kr…/

 

Ein Beitrag von Sven Chojnacki (erstmals veröffentlicht im Dezember 2017, aktualisiert am 26. August 2019)