Hauptstadtfälle

Das Blog zur Seite

Der aktuelle Fall (6/2010)

Versammlungsfreiheit von Rechten und Gegendemonstration

In Bad Nenndorf wollten Nazis demonstrieren, der DGB kündigte eine Gegendemonstration an. Der Landkreis Schaumburg verbot beide Demonstrationen. Das VG Hannover hat am 12. August 2010 entschieden, dass lediglich das Verbot der Demonstration der Rechten rechtswidrig war. Zur Begründung führte es an, dass den Rechten das Erstanmelder-Privileg zustehe. Außerdem wurde „entscheidend“ darauf abgestellt, dass „offenkundig deutlich mehr gewalttätiges Potenzial aus dem linksautonomen Spektrum zu erwarten“ gewesen sei.

Der 11. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschlüssen vom 13. August 2010 entschieden, dass dem DGB die Durchführung einer stationären Versammlung gestattet werden muss. Der konkrete Ort muss noch vom Landkreis bestimmt werden. Die Demonstration der Rechten darf nur auf einer eingeschränkten Route stattfinden. Das bedeutet, dass letztlich beide Demonstrationen in eingeschränkter Form in Bad Nenndorf stattfinden können.

Einen polizeilichen Notstand, auf den der Landkreis seine Totalverbote gestützt hatte, hat der Senat weder feststellen noch ausschließen können. Er ist deshalb im Wege der Abwägung zu den genannten Entscheidungen gelangt.

Was haltet Ihr von diesen Beschlüssen? Jetzt diskutieren in unserem Blog!

Siehe dazu auch den Fall Deutsche Eiche e. V.

Der Aktuelle Fall (5/2010)

Mit Urteil vom 27. Mai 2010 hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass ein 16-jähriger muslimischer Schüler des Diesterweg-Gymnasiums in Berlin nicht berechtigt ist, das islamische rituelle Mittagsgebet während der Schulpause auf dem Schulgelände zu verrichten. Er hat damit ein anderslautendes Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 29. September 2009 (vgl. dazu Pressemitteilung VG Berlin 40/2009) geändert und der Berufung des Landes Berlin stattgegeben.
Das Oberverwaltungsgericht ist zwar ebenso wie das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Gebetsverrichtung vom Schutzbereich der Religionsfreiheit erfasst werde, hat aber anders als dieses angenommen, dass hier eine Einschränkung zum Schutz anderer Verfassungsgüter gerechtfertigt ist.

Was haltet Ihr davon?

Der Aktuelle Fall (4/2010)

Mit Beschluss vom 19. April 2010 (BVerwG 20 F 13.09) entschied das BVerwG über die Freigabe von Akten des Bundesnachrichtendienstes, die Adolf Eichmann betreffen.

Das Bundeskanzleramt als oberste Dienstbehörde verweigerte einer Journalistin Einsichtnahme in die Akten, da sie u.a. Dokumente beträfen, die von einem ausländischen Nachrichtendienst stammten, der einer Veröffentlichung nicht zugestimmt habe. Eine Geheimhaltung sei aus außenpolitischen Gründen, insbesondere der Nahost-Politik, erforderlich. Daneben beträfen die Akten eine bestimmte nachrichtendienstliche Operation, die zum Schutz damaliger Informanten weiter geheim gehalten werden müsse. Außerdem enthielten sie persönliche Daten einer Vielzahl von Personen, die ebenfalls geschützt werden müssten. Eine auch nur teilweise Offenlegung durch Schwärzung der betreffenden Passagen komme deshalb nicht in Betracht; sie verstieße zudem gegen archivarische Grundsätze und bedeutete angesichts eines Aktenumfangs von ca. 3.400 Seiten einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand.

Die Antragstellerin beantragte daraufhin, die Rechtmäßigkeit der Sperrerklärung zu überprüfen. Für diese Überprüfung ist nach § 99 Abs. 2 i.V.m. § 189 VwGO der Fachsenat des BVerwG zuständig, dem in einem gesonderten sog. in-camera-Verfahren Einsicht in die Akten zu gewähren ist.

Er entschied, dass der Sperrvermerk rechtswidrig sei. So seien allgemeine Hinweise auf außenpolitische Implikationen nicht ausreichend, Informanten- und Persönlichkeitsschutz könnten keine vollständige Aktensperrung rechtfertigen. Außerdem rechtfertigten es archivarische Grundsätze es ebenso wenig wie ein hoher Verwaltungsaufwand, Archivunterlagen insgesamt zurückzuhalten, wenn sie nur in Teilen geheimhaltungsbedürftig seien. Damit hat das Bundeskanzleramt neu über die Offenlegung zu entscheiden.

Was haltet Ihr davon?

Der Aktuelle Fall (3/2010)

Einmal mehr hat das Bundesverfassungsgericht über das Spannungsverhältnis von Sicherheit und Freiheit entscheiden müssen. In seinem Urteil vom 2. März 2010, das auch wegen seiner europarechtlichen Implikationen mit Spannung erwartet wurde, hat es die Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt. Allerdings gilt dies nicht für die auf einer Richtlinie beruhende Vorratsdatenspeicherung als solche, sondern nur für ihre konkrete Ausgestaltung durch den deutschen Gesetzgeber. Dieser müsse seiner Verantwortung für die Begrenzung und Verwendungszwecke der Speicherung gerecht werden.

Was halten Sie von diesem Urteil?

Die Leitsätze des Urteils lauten:

1. Eine sechsmonatige, vorsorglich anlasslose Speicherung von Telekommunikationsverkehrsdaten durch private Diensteanbieter, wie sie die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 (ABl L 105 vom 13. April 2006, S. 54; im Folgenden: Richtlinie 2006/24/EG) vorsieht, ist mit Art. 10 GG nicht schlechthin unvereinbar; auf einen etwaigen Vorrang dieser Richtlinie kommt es daher nicht an.

2. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die gesetzliche Ausgestaltung einer solchen Datenspeicherung dem besonderen Gewicht des mit der Speicherung verbundenen Grundrechtseingriffs angemessen Rechnung trägt. Erforderlich sind hinreichend anspruchsvolle und normenklare Regelungen hinsichtlich der Datensicherheit, der Datenverwendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes.

3. Die Gewährleistung der Datensicherheit sowie die normenklare Begrenzung der Zwecke der möglichen Datenverwendung obliegen als untrennbare Bestandteile der Anordnung der Speicherungsverpflichtung dem Bundesgesetzgeber gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG. Demgegenüber richtet sich die Zuständigkeit für die Schaffung der Abrufregelungen selbst sowie für die Ausgestaltung der Transparenz- und Rechtsschutzbestimmungen nach den jeweiligen Sachkompetenzen.

4. Hinsichtlich der Datensicherheit bedarf es Regelungen, die einen besonders hohen Sicherheitsstandard normenklar und verbindlich vorgeben. Es ist jedenfalls dem Grunde nach gesetzlich sicherzustellen, dass sich dieser an dem Entwicklungsstand der Fachdiskussion orientiert, neue Erkenntnisse und Einsichten fortlaufend aufnimmt und nicht unter dem Vorbehalt einer freien Abwägung mit allgemeinen wirtschaftlichen Gesichtspunkten steht.

5. Der Abruf und die unmittelbare Nutzung der Daten sind nur verhältnismäßig, wenn sie überragend wichtigen Aufgaben des Rechtsgüterschutzes dienen. Im Bereich der Strafverfolgung setzt dies einen durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer schweren Straftat voraus. Für die Gefahrenabwehr und die Erfüllung der Aufgaben der Nachrichtendienste dürfen sie nur bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für eine gemeine Gefahr zugelassen werden.

6. Eine nur mittelbare Nutzung der Daten zur Erteilung von Auskünften durch die Telekommunikationsdiensteanbieter über die Inhaber von Internetprotokolladressen ist auch unabhängig von begrenzenden Straftaten- oder Rechtsgüterkatalogen für die Strafverfolgung, Gefahrenabwehr und die Wahrnehmung nachrichtendienstlicher Aufgaben zulässig. Für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten können solche Auskünfte nur in gesetzlich ausdrücklich benannten Fällen von besonderem Gewicht erlaubt werden.

Rettung vor der Insolvenz

Fragen und Kommentare zum Fall „Rettung vor der Insolvenz„.

Der Aktuelle Fall (2/2010)

Mit Urteil vom 9. Februar 2010 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Hartz IV-Gesetzgebung in Teilen verfassungswidrig ist.

Die Süddeutsche Zeitung schrieb „Karlsruhe schafft Grundrecht für die Armen“. Gleichzeitig spielt Karlsruhe dem Gesetzgeber den Ball wieder zu: Dieser hat bis Ende des Jahres Zeit die Reform zu reformieren.

 

Was haltet Ihr davon?

 

 

Die Leitsätze des Urteils lauten:

 

  • Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.  
  • Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu.  
  • Zur Ermittlung des Anspruchumfangs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen.  
  • Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen.

Der Aktuelle Fall

In Zukunft wollen wir auf diesem Blog Diskussionen über aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts anstoßen. Wir starten mit einem der wichtigsten Fälle des letzten Jahres! Wir werden die Entscheidungen jeweils verlinken und hoffen auf rege Beteiligung!!

Das Hauptstadtfälle-Team

 

Mit Beschluss vom 4. November 2009 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass § 130 Abs. 4 StGB, der die Volksverhetzung unter Strafe stellt, mit Art. 5 GG vereinbar ist, obwohl er ein nichtallgemeines Gesetz sei.

Die TAZ schrieb dazu „Falsches Gesetz trifft die Richtigen“, die Welt „Auch wenn diese Lösung nicht vollends zufriedenstellt, ist sie prinzipiell richtig.“

Was haltet Ihr davon?

 

§ 130 Abs. 4 StGB lautet:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.“

 

Die Leitsätze des Beschlusses lauten:

1. § 130 Abs. 4 StGB ist auch als nichtallgemeines Gesetz mit Art. 5 Abs. 1 und 2 GG vereinbar. Angesichts des sich allgemeinen Kategorien entziehenden Unrechts und des Schreckens, die die nationalsozialistische Herrschaft über Europa und weite Teile der Welt gebracht hat, und der als Gegenentwurf hierzu verstandenen Entstehung der Bundesrepublik Deutschland ist Art. 5 Abs. 1 und 2 GG für Bestimmungen, die der propagandistischen Gutheißung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft Grenzen setzen, eine Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts für meinungsbezogene Gesetze immanent.

2. Die Offenheit des Art. 5 Abs. 1 und 2 GG für derartige Sonderbestimmungen nimmt den materiellen Gehalt der Meinungsfreiheit nicht zurück. Das Grundgesetz rechtfertigt kein allgemeines Verbot der Verbreitung rechtsradikalen oder auch nationalsozialistischen Gedankenguts schon in Bezug auf die geistige Wirkung seines Inhalts.

Sauna****

Hier geht es um den Fall „Sauna“.

Feedback

Unseren wachsamen Augen ist ein Fehler entgangen? Ihr habt einen groben inhaltlichen Schnitzer entdeckt? Oder wollt uns einfach nur erzählen was Ihr von den Hauptstadtfällen haltet?

Dann seid Ihr hier richtig. Niemand ist perfekt, aber mit Eurer Hilfe wollen wir dem Ideal so nahe wie möglich kommen. Kommentiert einfach diesen Beitrag und wir nehmen uns der Angelegenheit an.

Die Hauptstadtfälle sind Online

Wir haben es geschafft, nahezu pünktlich zum Beginn des Wintersemesters 2009/2010 sind die Hauptstadtfälle online.

Die besteiligten Professoren und AK-Leiter werden nun versuchen,  die Hauptstadtfälle in Ihre Vorlesungen einzubeziehen. Aber auch jenseits der Vorlesungen sind alle Studierenden herzlich eingeladen mit unserer Seite zu arbeiten und zu lernen.

Für den ersten Einstieg empfehlen wir an dieser Stelle die Tipps um sich einen Überblick über das Konzept der Seite und die von uns vorgeschlagene Art der Nutzung zu machen. Für etwaige Fragen stehen wir Euch im Blog zur Verfügung, für Kritik und Hinweise auf etwaige Fehlerteufel nutzt bitte die Kommentarfunktion der Kategorie „Feedback“.

Viel Spaß beim Erkunden der Seite und bis bald,

Jan