Monatsspecial „Online-Enzyklopädien“ (Teil 1/4)
Wissen einfach vernetzen und zugänglich machen
Universal- oder Spezialenzyklopädien als umfassende, systematisch angeordnete Zusammenstellung von Wissen, sind seit jeher ein wichtiges Werkzeug für Lernen, Lehre und Forschung, die als Nachschlagewerk oder Referenz-Quelle genutzt werden.
Mit digitalen Enzyklopädien ist es möglich, den Wissensstoff
- an einem Ort zu sammeln,
- inhaltlich zu strukturieren,
- miteinander zu vernetzen,
- multimedial aufzubereiten und
- online zugänglich zu machen.
Über diese Bestandteile von Online-Enzyklopädien hinaus, die oftmals Strukturen analog zu Print-Enzyklopädien aufweisen, entstehen in jüngster Zeit zahlreiche Möglichkeiten der technologischen Erweiterung und Weiterentwicklung, die Lehre und Wissenschaft in der digitalen Welt bereichern werden. Neue Features, Schnittstellen und Plugins können dem technologischen Ausbau von Online-Enzyklopädien dienen und zu einem Sprung auf eine höhere Ebene verhelfen.
Der Trend zur Online-Enzyklopädie
Im Informationszeitalter mit einer zunehmenden Digitalisierung von Wissenschaft und Gesellschaft gewinnen Online-Enzyklopädien als Publikationsform immer stärker an Bedeutung.
Bekannt ist vor allem die erste freie Enzyklopädie Wikipedia, ein öffentlich zugängliches Online-Nachschlagewerk. Mit der Wikipedia kann jede Person mit Internetzugang auf einen kollaborativ erstellten, freien Wissensspeicher zugreifen und diesen aktiv mitgestalten. Der Siegeszug von Wikipedia ist weltweit bekannt. Die englischsprachige Wikipedia ist mit knapp 5.000.000 Artikeleinträgen zu einer der wichtigsten Webseiten avanciert und auch die deutschsprachige Wikipedia ist mit knapp 2 Mio. Artikeln und über 2,3 Mio. registrierten Nutzer/innen als Informationsquelle für den deutschsprachigen Raum nicht mehr wegzudenken.
Im Vergleich zu gedruckten Nachschlagewerken überzeugen Online-Enzyklopädien nicht nur durch Architektur, Features und die Möglichkeit online zusammen zu arbeiten, sondern auch durch eine bessere Usability für die Nutzer/innen wie z. B. die einfache Suche nach Inhalten.
Ein zentrales Kennzeichen der ersten Online-Enzyklopädien (u.a. Microsoft Encarta, Encyclopaedia Britannica) ist ebenfalls der hohe Entwicklungsaufwand und die Implementierung als einer zumeist proprietären und singulären Lösung. Die Features und Möglichkeiten der Darstellung sind ebenfalls meist veraltet. Hierdurch sind sie schwer veränderbar, aktualisierbar und erweiterbar, was nicht den Anforderungen an heutige Enzyklopädien entspricht und verbunden ist mit hohem Arbeits- und Kostenaufwand. Folglich werden derartige Angebote meist nicht für jede Person frei zugänglich gemacht, sondern auf eine zahlende Nutzergruppe beschränkt. Der offene Zugang jedoch ist einer der entscheidenden Aspekte für den weltweiten Erfolg der Wikipedia.
Wikis, Wikipedia und die Wissenschaftlichkeit
Digitalisierung, veränderte Handlungsweisen und der Anspruch an einen einfachen und schnellen Zugriff auf Informationen und Wissen, haben wesentlich zum informellen Einzug von Wikipedia in die Wissenschaftswelt beigetragen.
Die freie Enzyklopädie Wikipedia dient mittlerweile in vielen Fällen als thematischer Einstieg für das Verfassen von Hausarbeiten, Graduierungsarbeiten oder sonstigen wissenschaftlichen Abhandlungen, ist jedoch letztlich nicht zitierfähig. Die Wikipedia ist in der Wissenschaftswelt vor allem wegen der fehlenden Wissenschaftlichkeit Kritik ausgesetzt und in einigen Bereichen auch deutlich in Verruf geraten (vgl. Wehn & Welker 2006: Weisheit der Massen). Moniert werden fehlende wissenschaftliche Standards und die Tatsache, dass nahezu jeder registrierte Nutzer Inhalte editieren kann, wodurch die Zitierfähigkeit des dargestellten Wissens wieder in Frage gestellt und als Quelle abgelehnt wird.
Dies führt zunehmend dazu, elektronische Publikationen auf Wiki-Basis nach wissenschaftlichen Kriterien gestalten zu wollen wie z. B. in dem Projekt „Scholarpedia„, bei dem das Ziel darin besteht, mit Hilfe diverser wissenschaftlicher Beiträge und einem speziellen Review-Verfahren eine hochqualitative Enzyklopädie aufzubauen.
Zur Notwendigkeit der Weiterentwicklungen und neue Umsetzungsmöglichkeiten
Mit der fortschreitenden Digitalisierung entsteht ein zunehmendes Interesse in den Bereichen Lehre und Wissenschaft, Online-Enzyklopädien als Wissenspeicher, Publikationsplattform und auch als Referenz-Quelle einzusetzen sowie bestehende Konzepte zur Erstellung und Aktuellhaltung digitaler Nachschlagewerke weiterzuentwickeln.
Online-Tools wie Text-Grid, die vor allem digitales Edieren ermöglichen oder CENDARI, einer virtuellen Forschungsinfrastruktur zur Unterstützung wissenschaftlicher Recherchen, sind zwei Beispiele, die digitales Forschen (E-Research) verbessern. Im Bereich des E-Learning gibt es mittlerweile eine breite Palette, die das Lernen in der digitalen Welt erleichtern. Die Nutzung der Software Open Journal Systems und Open Monograph Press als technische Plattform dient der elektronischen Publikation von Zeitschriften und Büchern.
Im Bereich der Online-Enzyklopädien gibt es in jüngster Zeit zahlreiche Entwicklungen, die digitales Lehren und Forschen vorantreiben können wie z. B. Open Access und das Konzept des Semantic Web. Jedoch bedarf diese Domäne stets der Weiterentwicklung, um die Teilbereiche des digitalen Forschens, Publizierens und Lernens in ein Kompaktpaket zusammenzuführen.
Das erste, globale Projekt, das wir in diesem Rahmen vorstellen möchten, ist die englischsprachige und frei verfügbare Online-Enzyklopädie „1914-1918-online. International Encyclopedia of the First World War“, die an der Freien Universität Berlin entwickelt worden ist. Im Rahmen dieser Online-Enzyklopädie über den Ersten Weltkrieg wurden Funktionalitäten und Werkzeuge realisiert, die wir Ihnen in Teil II dieses Monatsspecials gerne näher bringen möchten.