Monatsspecial „Open Access“ (Teil 1/3)
Stellen Sie sich eine Welt vor, in denen die Forschungsergebnisse aller Wissenschaftler/innen aus allen Ländern und Institutionen frei online zugänglich sind. Unabhängig davon, ob Sie als Student in der Bibliothek für eine Hausarbeit recherchieren oder als Wissenschaftlerin von zuhause die Arbeiten Ihrer Kolleg/innen nachvollziehen möchten: jeder Zeitschriftenartikel ist nur einen Klick entfernt. Klingt utopisch? Die Idee von Open Access zielt darauf, genau diese Welt in die Realität umzusetzen.
Warum Open Access?
Die Vorteile von Open Access liegen auf der Hand: Das wissenschaftliche Publikationssystem beruht auf dem Prinzip, dass Publikationsorgane, vor allem wissenschaftliche Zeitschriften, von Expert/innen zusammengestellt und veröffentlicht werden – um dann über Verlage oder den Buchhandel an Wissenschaftler/innen vertrieben zu werden. Eine Bibliothek muss Zeitschriften abonnieren – und dafür bezahlen – um sie ihren Wissenschaftler/innen zur Verfügung zu stellen. Wenn die eigene Institution eine Zeitschrift nicht führt, können deren Wissenschaftler/innen diese Zeitschrift nicht lesen oder müssen sie umständlich per Fernleihe bestellen. In Zeiten von vornehmlich auf Papier veröffentlichten Forschungsergebnissen war eine solche Vorgehensweise sinnvoll – im 21. Jahrhunderts, mit den Möglichkeiten des digitalen Publizierens, erscheint sie aber zunehmend antiquiert. Texte, Bilder, Datensätze und Videos können unkompliziert und rasch online veröffentlicht und verbreitet werden. Open Access nutzt diese Optionen und zielt darauf, dass aus öffentlicher Hand finanzierte Forschung der Öffentlichkeit – und das beinhaltet die weltweite Forschungscommunity ebenso wie interessierte Nicht-Wissenschaftler – frei im Internet zur Verfügung steht. Zeitschriftenabonnements, Bestellscheine, Fernleihen und Anschaffungsvorschläge gehören damit der Vergangenheit an.
Herausforderungen und Kontinuitäten
Die Neuorganisation der wissenschaftlichen Publikationslandschaft bietet eine Vielzahl an Vorteilen – stellt die wissenschaftlichen Verlage, Bibliotheken und Forschungsförderer aber auch vor große Herausforderungen. Open-Access-Publizieren ist nicht notwendigerweise kostengünstiger als das Veröffentlichen von Forschung in kostenpflichtigen Zeitschriften. Ein Großteil der Arbeitsschritte von Open-Access-Prozessen unterscheidet sich nicht vom herkömmlichen Closed-Access-System, gedruckt wie online: Die Arbeit von wissenschaftlichen Autor/innen, Zeitschriften-Herausgeber/innen und Gutachter/innen verändert sich nicht. Auch Open-Access-Publikationen müssen lektoriert, gesetzt und gestaltet werden. Sie müssen in Datenbanken und Kataloge aufgenommen werden und ihren Weg zu den Leser/innen finden. Was sich verändert ist das Finanzierungsmodell. Anstatt durch die über den Verkauf von gedruckten oder elektronischen Publikationen generierten Gewinne werden Open-Access-Zeitschriften bereits vor der Veröffentlichung finanziert.
Finanzierungsmodelle von Open Access
Der Großteil aller Open-Access-Zeitschriften wird über eines der beiden häufigsten Modelle finanziert: durch Artikelgebühren oder eine institutionelle Grundfinanzierung.
Artikelgebühren, oder engl. Article Processing Charges, APCs, ermöglichen es einer Zeitschrift, ihre Betriebskosten zu finanzieren, indem Sie von ihren Autor/innen bzw. deren Institutionen eine Gebühr erheben, wenn ein Artikel publiziert wird. Je nach wissenschaftlicher Disziplin und Art der Zeitschrift können sich diese Gebühren zwischen 100€ und 5000€ bewegen – in Einzelfällen sogar mehr. In Deutschland liegt die durchschnittliche APC bei knapp 1300€. In den seltensten Fällen obliegt die Bezahlung dieser Gebühren den einzelnen Wissenschaftler/innen, in der Regel können diese Kosten über die eigene Institution, deren Bibliothek oder Fördereinrichtungen abgerechnet werden. An der Freien Universität Berlin existiert seit 2012 ein von der DFG unterstützter Publikationsfonds, der für Universitätsangehörige die APCs erstattet, sofern diese nicht aus Drittmitteln finanziert werden können. Viele von Großverlagen betriebene Open-Access-Zeitschriften operieren nach diesem Modell, aber auch eine Vielzahl von unabhängigen Neugründungen beschreitet diesen Weg. Vor allem in den Naturwissenschaften sind APCs bereits weit verbreitet. Weltweit finanziert sich weniger als die Hälfte aller Open-Access-Zeitschriften über APCs.
Institutionelle Grundfinanzierung bedeutet, dass der Betrieb einer Zeitschrift durch eine oder mehrere beteiligte Organisationen getragen wird. Durch die Bereitstellung einer finanziellen Basis zum Betrieb einer digitalen Veröffentlichungsplattform oder die Beschäftigung von Redaktionsmitarbeiterinnen sind diese Zeitschriften auf zusätzliche Einkommensquellen nicht angewiesen, und für die Autor/innen und deren Institutionen entstehen durch eine Veröffentlichung keine Kosten. Diese Art von Open-Access-Zeitschrift arbeitet oft unabhängig von großen Verlagen und ist vor allem in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen üblich. Auch Publikationen von wissenschaftlichen Gesellschaften und kleineren Forschungsorganisationen können auf diese Weise operieren. Institutionelle Grundfinanzierungen können auch über den Zusammenschluss vieler Institutionen realisiert werden, wie z.B. bei der 2015 gegründeten Open Library of Humanities, die von über 200 Bibliotheken finanziert wird.
Zwischen diesen beiden Modellen existieren auch andere Finanzierungsmodelle für Open-Access-Publikationen. Einige Zeitschriften erheben Einreichungsgebühren, so dass Autor/innen schon bei der Einreichung eines Manuskripts einen meist niedrigen Betrag bezahlen müssen. Andere kombinieren die Geldströme des Closed-Access-Publizierens mit denen von Open Access: im sog. Hybrid Open Access können einzelne Artikel aus ansonsten nicht offenen Zeitschriften ‚freigekauft‘ werden, der Rest der Zeitschrift ist weiterhin nur über Subskriptionen zugänglich. Dieses Modell wird nicht durch die DFG-geförderten Publikationsfonds unterstützt.
Open Access durch Zweitpublikation: Der Grüne Weg
Die bislang erläuterten Modelle beziehen sich alle auf das Prinzip von Gold Open Access, also der sofortigen freien Zugänglichkeit eines Forschungsbeitrags mit der Erstpublikation. Als weitere Möglichkeit gibt es den Grünen Weg des Open Access: Unabhängig vom Ort der Erstpublikation, ob online oder gedruckt, wird eine Kopie des Artikels nachträglich frei zugänglich gemacht, in der Regel über die Veröffentlichung in einem Repositorium. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist abhängig von den rechtlichen Regelungen des Ortes der Erstpublikation. Häufig gestatten Verlage die Zweitveröffentlichung eines Beitrags nach Ablauf einer Embargofrist von 6-24 Monaten. Anpassungen des Urheberrechts in den letzten Jahren haben diesen Weg etwas vereinfacht und eine bessere Rechtsgrundlage für Wissenschaftler/innen geschaffen. An der Freien Universität Berlin steht Ihnen der Veröffentlichungsweg des Grünen Open Access über den Dokumentenserver zur Verfügung. Mehr dazu erfahren Sie in Teil 2 unseres Monatsspecials.
Ressourcen zum Einstieg
- Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat 2016 eine Open-Access-Strategie für Deutschland vorgelegt.
- Das Land Berlin hat 2015 eine Berliner Open-Access-Strategie verabschiedet.
- Die Informationsplattform Open Access bietet einen Überblick zu den wichtigsten Aspekten des Open-Access-Publizierens.
- Die zentralen Open-Access-Webseiten der FU informieren über lokale Beratungs- und Dienstleistungsangebote.
- CeDiS bietet im laufenden Semester Fortbildungsveranstaltungen zum Thema Open Access an.
- Teil 2 des Monatsspecials: Open Access in der Praxis
- Teil 3 des Monatsspecials: Kritische Perspektiven auf Open Access