The State of American Democracy

Research-based Analysis and Commentary by the Department of Politics at the John-F.-Kennedy Institute

Das Ende des ‚filibuster‘? – Wohl eher nicht!!!!

Wenn über die Krise des politischen Entscheidungsprozesses in den USA diskutiert wird, steht der ‚filibuster‘ immer ganz oben auf der Problemliste. Durch ihn könne die jeweilige Minderheit im Senat jede Gesetzesinitative blockieren! Der ‚filibuster‘ gewährt dem einzelnen Abgeordneten unbegrenzte Redezeit, das Senatsplenum kann dies nur mit einem sogenannten ‚Cloture vote‘ beenden, wenn 60 Senatoren für die Beendigung der Debatte stimmen, um über eine Gesetz abstimmen zu können. Das nur kurz zu den Funktionsmechanismen, wer mehr über die Geschichte erfahren will, der sei auf den Film „Mr. Smith goes to Washington“ verwiesen. Seit den heroischen Zeiten, die der genannte Film beschreibt, hat sich die Funktionsweise und auch der Einsatz des ‚filibusters‘ im US-Senat grundlegend verändert. Von der Tradition der unbegrenzten Debatte ist der ‚filibuster‘ zu einem parteipolitischen Blockadeinstrument verkommen, das sowohl Demokraten als auch Republikaner ausgiebig nutzen. Und immer ist es die amtierenden Senatsmehrheit, die den ‚filibuster‘ als Tyrannei der Minderheit geißelt, um das Instrument dann als Minderheit genauso willig einzusetzen. Aber jetzt scheint der Bogen überspannt! Eine Debatte zur Reform des ‚filibuster‘ hat eingesetzt. Die Demokraten haben angekündigt: Schluss mit der Blockadepolitik! Wie ernst das gemeint ist, das wird am 3. Januar deutlich werden, wenn der 113. Kongress zum ersten Mal zusammentritt. In der ersten Geschäftssitzung des Senats kann die Mehrheitsfraktion im Senat, sprich die Demokraten, den ‚filibuster‘ abschaffen oder aber zumindest die Funktionsmechanismen ändern! Eine Abschaffung scheint eher unwahrscheinlich, weil bei Fraktionen im Kongress den ‚filibuster‘ seit geraumer Zeit grundsätzlich unterstützen. Die Beendigung des ‚filibuster‘ mit eine einfachen Mehrheit in der ersten Geschäftssitzung scheint also ausgeschlossen.
Weniger radikale Reformvorschläge erscheinen aber zunehmend wahrscheinlich. Was könnte sich also ändern? Ein Reformvorschlag geht dahin, zumindest einen ‚filibuster‘ abzuschaffen. Nach der momentanen Geschäftsordnung kann nicht nur die Abstimmung über ein Gesetz mit einen ‚filibuster‘ blockiert werden, in dem die Debatte einfach nicht beendet wird, auch die Entscheidung, ob ein Gesetz überhaupt im Senatsplenum diskutiert werden soll, kann durch einen ‚filibuster‘ blockiert werden. Letzterer zumindest, so die Reformvorstellungen, soll abgeschafft werden. Damit würde der ‚filibuster‘ wieder näher an die traditionellen Funktionsweisen heranrücken, nicht verwunderlich, dass einige Abgeordnete dann noch gleich vorschlagen, dass der ‚filibuster‘ auch wirklich wieder in der Manier von Mr. Smith mit hohem körperlichem Einsatz ertragen werden muss. Das wirke vielleicht als Hürde, insbesondere für die in der Regel doch schon älteren Senatoren und würde auch wieder mehr Transparenz in die Arbeit des Senats bringen, schließlich könnten sich die Bürger das Spektakel auf C-Span anschauen.
Der wohl pragmatischste Reformvorschlag kommt vom Senator Tom Harkin (D-IA) und stammt bereits aus dem 110. Kongress, also einer Zeit, als die Demokraten die Minderheit stellten. Sein Vorschlag: um einen ‚filibuster‘ zu beenden, benötigt man im ersten Versuch weiterhin 60 Stimmen. Scheitert dies, wird die Debatte zwei weitere Tage fortgesetzt. Dann ist ein weitere ‚clouture vote‘ möglich, diesmal reichen 57 Stimmen zur Beendigung des ‚filibuster‘. Dieser Vorgang setzt sich fort, bi im vierten und letzten ‚clouture vote‘ nur noch 51 Stimmen zur Beendigung des ‚filibuster‘ möglich sind, die ‚supermajority‘ ist als auf eine einfache Mehrheit zusammengeschrumpft. So kann die Minderheit zwar den Entscheidungsprozess verzögern, aber nicht mehr grundsätzlich blockieren. Die Chancen stehen nicht schlecht und vielleicht führt die viel zitierte Polarisierung im Kongress ja dann mal zu einem Abbau der Blockaden im Kongress! Die Chancen stehen nicht schlecht!

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Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 13. Dezember 2012 um 17:18 Uhr von Christian Lammert veröffentlicht und wurde unter Allgemein abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

2 Reaktionen zu “Das Ende des ‚filibuster‘? – Wohl eher nicht!!!!”

  1. Curd Knüpfer

    Eine aktuelle Umfrage von Public Policy Polling zum Thema „filibuster“ und congressional reform zeigt, dass eine große Mehrheit der Amerikaner in diesem Gebiet Reformen befürworten. Die Ergebnisse sind hier abrufbar: https://www.publicpolicypolling.com/pdf/2011/AggregatedResults.pdf

  2. Marc Nemitz

    Hallo,
    der Vorschlag wurde offenkundig nicht angenommen und ein Filibuster kann die Abstimmung auch nur über einen bestimmten Zeitraum verzögern. Gerade erst lettze Nacht, gab es einen Filibuster mit 13 Stunden, allerdings liegt der Rekord immer noch bei knapp über 24 Stunden. ( https://www.spiegel.de/politik/ausland/filibuster-im-senat-13-stunden-rede-verzoegert-ernennung-von-brennan-a-887370.html )
    Auch wenn sich also einzelne dazu hingeben und in vielen Fällen auch zurecht, dann hat es eben nur eine aufschiebende Wirkung. ( https://www.literaturasyl.de/politik/definition-filibuster-obstruktion/ )

    Außerdem wäre es an sich schade, wenn man Minderheiten diesen politischen Taschenspielertrick entziehen würde.