La semilla de la paz se siembra y se cosecha en el campo

Von: Friederike Winterstein (M.A. Interdisziplinäre Lateinamerikastudien, FU Berlin)

Mural – Universidad del Valle (Cali)
® Manuel Góngora-Mera

Die Restituierung des während des Konflikts zwischen den Farc und dem kolumbianischen Staat oftmals illegal angeeigneten Landes war nicht ohne Grund der erste Verhandlungspunkt der Friedensverhandlungen in Habana. Die Landfrage ist eines der zentralsten Themen des Friedensprozesses, denn sie stellt sowohl eine der strukturellen Ursachen des Konflikts dar, als ist sie entscheidend für eine gerechtere und demokratischere Entwicklung des Landes.

Wie in der Mehrzahl der lateinamerikanischen Länder schlägt sich auch in Kolumbien das koloniale Erbe des Kontinents in einer sehr ungleichen Landverteilung nieder. So erfasst der Censo Nacional Agropecuario von 2014- 15, dass 77% des Landes von den reichsten 13% kontrolliert werden, während 68% an Kleinbäuerinnen nur 3,6% des Landes zur Bewirtschaftung zur Verfügung steht. Eben dieser „ärmeren“ Landbevölkerung steht nicht nur am wenigsten Land zur Verfügung, sie ist auch am stärksten von den Folgen des Konflikts betroffen – durch juristischen Betrug oder pure Gewalt wird sie oftmals von ihrem wenigen Land vertrieben. Durch die Gewalt der bewaffneten Akteure seien zwischen sechs und acht Millionen Hektar Land, entsprechend 15 bis 17% ganz Kolumbiens, gewaltsam enteignet und illegal angeeignet (vgl. DW 17.08.2016 und El Diario 01.01.2017) sowie mehr als sechs Millionen Menschen von ihrem Land vertrieben worden (vgl. Cosecha Roja 22.05.2014).

Die Anerkennung der Opfer, der Existenz eines bewaffneten internen Konflikts und des ungelösten Landkonflikts sei erst unter der aktuellen Regierung von Santos möglich geworden (Machado 2013: 149). Bereits vor Beginn der Friedensverhandlungen verabschiedete sie zwei grundlegende Gesetze. 2011 das Gesetz zur Anerkennung der Opfer und deren Entschädigung (Ley de Víctimas y Restitución de Tierras) und 2012 das Gesetz zu Landverteilung und ländlicher Entwicklung (Ley de Tierras y Desarrollo Rural). Die Unterzeichnung des ersten Punktes des Friedensvertrags am 26.05.2016 bildete also einen weiteren entscheidenden Schritt in einem laufenden Prozess zu einer gerechteren Neu- Strukturierung des ländlichen Raumes. Dieser Schritt befeuerte bereits bestehende Interessenkonflikte zwischen einerseits den Großgrundbesitzern und mit ihnen verbundenen bewaffneten Gruppen die sich der Landrückgabe widersetzen und andererseits den Vertriebenen und denen um die Wahrung ihrer Rechte kämpfenden Kleinbäuerinnen, indigenen und afrikanischstämmigen Gemeinschaften, teils in Übereinstimmung mit und teils entgegen der Interessen der Farc.

Der Machterhalt dieser traditionellen Elite sei in den vergangenen Jahren vor allem auch durch die systematische Gewalt gegenüber den anderen Bewohner*innen des ländlichen Raums möglich gewesen, deren Enteignung geplant und systematisch durchgeführt worden sei. Salinas und Zarama sprechen in diesem Sinne von einer „fünffachen Allianz“ bestehend aus lokalen wirtschaftlichen Eliten, paramilitärischen Gruppen, Politikern, öffentlichen Angestellten und Drogenhändlern, mit dem gemeinsamen Anliegen eine neue gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Ordnung herzustellen (Machado 2013: 134).

Eben diese Allianz, repräsentiert u.a. durch den ehemaligen Präsidenten Uribe Vélez und die Föderation der Rinderzüchter FEDEGAN, mobilisierte sowohl gegen das Gesetz zur Rückgabe von Land 2011 als auch gegen die Friedensverhandlungen zwischen den Farc und der Regierung Santos. Dabei ist das Vorgehen oft antidemokratisch und illegal. Eine grundlegende Rolle kommt in diesem Zusammenhang den sogenannten „Armeen gegen die Rückgabe von Land“ zu, zum Großteil bestehend aus demobilisierten Paramilitärs, die die faktische Rückgabe von Land verhindern, in dem sie das Land besetzt halten und die Organisationen, die sich für die Rückgabe einsetzen, gewaltsam unterdrücken (vgl. El Tiempo 11.10.2014 y El Espectador 05.07.2012).

Andererseits gibt es die im Vergleich dazu progressivere Linie der Regierung Santos, die den Konflikt im ländlichen Raum und dessen Opfer anerkennt und wie bereits erwähnt erstmals Schritte in Richtung Entschädigung und einer effektiven Neu- Strukturierung des ländlichen Raums unternimmt. In diesem Rahmen gibt es zwei entscheidende Institutionen, die nationale Agentur für Land (Agencia Nacional de Tierras, für die Erfassung und Regulierung der Besitzverhältnisse) und die Einheit zur Rückgabe von Land (Unidad de Restitución de Tierras, für den Prozess der Erfassung und Rückgabe des gewaltsam enteigneten Landes). Seit der Verabschiedung des Gesetzes zur Landrückgabe 2011 wurden 99.175 Anträge bearbeitet, von denen 4.675 gerichtlich entschieden wurden (vgl. El Colombiano 27.12.2016). Im Juli 2016 wurde in diesem Rahmen 18 Familien ihr enteignetes Land in Antioquia wieder zugesprochen (vgl. URT 01.07.2016).

In den Verhandlungen um die Ausgestaltung der integralen Reform des ländlichen Raumes (RRI) können die Vorschläge der verschiedenen Organisationen landwirtschaftlicher Produzenten*innen, Kleinbäuerinnen, indigener und afrikanischstämmiger Gemeinschaften in zwei Nutzungsformen des ländlichen Raumes geteilt werden. Einerseits diejenigen, die an Großgrundbesitz und Anbau landwirtschaftlicher Exportgüter festhalten, mit einigen Einschränkungen um eine minimale Rückgabe an enteignetem Land zu garantieren und andererseits diejenigen, die eben diese Besitz- und Produktionsverhältnissen als strukturelle Ursache der multiplen Konflikte sehen und für tiefgreifendere Reformen plädierten. Einige Organisationen plädierten für einen Mittelweg, der beide Produktionsmodelle ermögliche.

Die in den Friedenverträgen beschlossene RRI entspricht zwar nicht den Forderungen der radikalsten Organisationen, hätte aber tiefgreifende Veränderungen zur Folge, sollte ihre Umsetzung wie geplant gelingen. Dabei zielt sie nicht nur auf die Erfassung des Landbesitzes, die Rückgabe unrechtmäßig angeeigneten Landes und die Verteilung von staatlichem Land an Kleinbäuerinnen ab, sondern soll durch verschiedene Förderprogramme auch die produktive Nutzung v.a. zur Nahrungsmittelproduktion gewährleisten und durch Investitionen in Bildung und Gesundheit ein würdiges Leben ermöglichen.

Radikalere Forderungen nach einer Umverteilung des konzentrierten Landbesitzes die beispielsweise die Organisationen Mesa de Unidad Agraria und Asociación de Zonas de Reserva Campesina stellten wurden nicht erfüllt. In den Neuverhandlungen nach dem Referendum konnte die Allianz um Uribe außerdem eine explizit genannte Anerkennung des verfassungsmäßig anerkannten Privateigentums und einer „Balance“ der verschiedenen Produktionsmodelle aushandeln.

Die Erfassung der Eigentumsverhältnisse und die Besteuerung der Latifundien, sowie die explizite und vielschichtige Förderung der Produktion von Kleinbäuerinnen und die effektive Ermöglichung eines würdigeren Lebens dieser Menschen, entspricht einer staatlichen Politik die sich klar gegen die wirtschaftlichen Interessen der traditionellen Eliten stellt. In diesem Rahmen erklärt sich deren Ablehnung und Boykottierung der Gesetze von 2011 und 2012 und des aktuellen Friedensprozesses (vgl. El Espectador 10.04.2016 y El Universal 04.04.2016).

Schlussfolgerungen

Der Friedensprozess ist eine grundlegende Bedingung um die Rückgabe des gewaltsam enteigneten Landes in einem größeren Rahmen als bisher zu ermöglichen. Die Existenz bewaffneter Gruppen die daran interessiert sind, die Kontrolle über das von den Farc aufgegebene Land zu übernehmen bzw. über das bereits von ihnen kontrollierte Land zu bewahren, ist dabei eine der größten Herausforderungen für den kolumbianischen Staat. Angesichts des eingeschränkten Vertrauens in den Staat durch eine Vorgeschichte geprägt durch die Morde an den Mitgliedern der Unión Patriótica wird die in den nächsten Jahren stattfindende Umsetzung der RRI und die Rückgabe gewaltsam enteigneten Landes zeigen, inwieweit der Staat fähig ist, die beschlossenen Schritte Richtung Gerechtigkeit faktisch durchzuführen.