Bekämpfung der Drogenproblematik im Friedensabkommen

Von: Rabea Kaas (Masterstudiengang Interdisziplinäre Lateinamerikastudien, 4. Semester)

Die Drogenproblematik ist eine der großen Herausforderungen für die internationale Gemeinschaft: Der Umsatz im weltweiten Drogengeschäft wird auf 320 Mrd. US-Dollar pro Jahr geschätzt, illegaler Drogenhandel stützt Strukturen der organisierten Kriminalität, wirkt auf besonders betroffene Staaten destabilisierend, gefährdet die öffentliche Gesundheit und wird nicht zuletzt auch zur Finanzierung terroristischer Aktivitäten genutzt. Nun soll das Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerrillaorganisation FARC-EP endgültig eine Lösung für die Drogenproblematik finden. Dabei handelt es sich nicht nur um ein nationales Problem Kolumbiens, sondern um eine globale Herausforderung, die eine internationale Kooperation erfordert. Das Abkommen stellt eine große Chance zur Beendigung der Drogenproblematik dar, jedoch kam es zu Entwicklungen die dessen Implementierung gefährden.

Im vierten Punkt des Friedensabkommen verpflichtet sich die Regierung, das manuelle Ausreißen der Kokafelder voranzutreiben und das Besprühen aus der Luft nur noch in Regionen durchzuführen, die durch Verminung oder durch die Präsenz bewaffneter Gruppen besonders gefährlich sind. Die FARC verpflichten sich, bei der Entminung von Drogenanbaugebieten zu kooperieren und jegliche Verbindungen zum Drogengeschäft aufzugeben. Der Schwerpunkt der neuen Drogenpolitik liegt auf dem freiwilligen Umstieg auf legale Anbauprodukte im Rahmen alternativer Entwicklungsprogramme. Dadurch sollen vor allem die betroffenen Regionen profitieren. Bezüglich des Strafmaßes ist eine Minderung für die schwächsten Glieder der Produktionskette vorgesehen (etwa Kokabauern und Konsumenten). Das Abkommen sieht weiterhin einen Schutz der indigenen Traditionen vor, wodurch das Kauen von Kokablättern straffrei bleiben soll. Weitere Schwerpunkte liegen auf Prävention, Konsum und öffentlicher Gesundheit.

Der Friedensprozess gilt als eine große Chance, die Drogenproblematik Kolumbiens endlich zu beenden. Jedoch kam es in letzter Zeit zu Entwicklungen, die lange gefürchtet waren und nun das Gelingen des Friedensprozesses gefährden: Besonders stark in den Drogenanbau und -handel involvierte Teile der FARC spalteten sich von der Guerillaorganisation ab, um das lukrative Geschäft weiterzuführen. Im Dezember 2016 trennten sich fünf Kommandos von der FARC in Guaviare, einem Gebiet das Teil einer wichtigen Handelsroute nach Venezuela und Brasilien bildet. Die abgespaltenen Guerilleros organisieren sich dort in einer neuen bewaffneten Gruppe mit ähnlichen Strukturen wie die BACRIM, um das Drogengeschäft fortzuführen. Damit unterliegen sie nicht mehr der zwischen Regierung und FARC ausgehandelten Waffenruhe. In anderen Gebieten, die von der FARC freigegeben und nicht von Dissidenten besetzt wurden, entstand dagegen ein Machtvakuum, das vom Staat hätte gefüllt werden müssen. Jedoch waren andere illegale bewaffnete Gruppen, wie etwa die ELN oder der Clan del Golfo, schneller. Ein besonders tragisches Beispiel stell die Großgemeinde Tumaco in Nariño dar. Diese beherbergt die größte Menge Kokablätter des Landes und die meisten Laboratorien. Mit seinem Hafen am Pazifik ist Tumaco zudem wichtiger Handelspunkt für Exporte nach Mittelamerika. Die Arbeitslosenquote ist sehr hoch. Jugendliche haben kaum Perspektive auf eine legale Anstellung. Aufgrund der mangelhaften Infrastruktur sind Bauern auf dem legalen Markt nicht wettbewerbsfähig. Beiden Gruppen bleibt nur der Eintritt in das Kokaingeschäft. Aufgrund der für das Drogengeschäft vorteilhaften Bedingungen haben schon zahlreiche kriminelle Gruppierungen um das Gebiet gekämpft. Die dortigen Kämpfe nahmen ein Ende, als die FARC zwischen 2012 und 2013 über ihre Rivalen siegte. Dies führte schließlich zu einem enormen Rückgang der Mordrate in Tumaco. Seit die Guerilla sich jedoch Anfang dieses Jahres in die Sammelzonen begeben hat, wird das Gebiet wieder umkämpft und die Mordrate steigt. Neben dem Clan del Golfo und Dissidenten der FARC rivalisieren auch paramilitärische Gruppen um Tumaco. Die dortige Gewalt, Bedrohung und Vertreibung brachten einige Anwohner der Gemeinde sogar dazu, die FARC um ihre Rückkehr zu bitten, damit sie das Gebiet erneut kontrollierten. Tumaco kennt alle bewaffneten Gruppen, die das Land je gesehen hat, nur der Staat zeigte dort nie Präsenz.

Seit November 2016 herrscht jedoch Ungewissheit über den künftigen Umgang mit der kolumbianischen und internationalen Drogenproblematik. Der Grund hierfür liegt im Wahlergebnis der US-Präsidentschaftswahl. Die USA sind nach wie vor ein wichtiger Akteur bei der Gestaltung der internationalen Drogenpolitik und haben damit enormen Einfluss auf Kolumbien. Der neue Präsident der Vereinigten Staaten Donald Trump ist fest entschlossen, den Drogenhandel in den Griff zu bekommen. Diesbezüglich kündigte er ein hartes Vorgehen gegen die mexikanischen Kartelle in den USA an. Der Fokus der nordamerikanischen Anti-Drogen-Agenda liegt auf Mexiko und um diese durchzusetzen baut Trump auf die Unterstützung Kolumbiens. Die USA und Kolumbien blicken auf viele Jahre der militärischen Kooperation während des Anti-Drogen-Krieges zurück. Kolumbien nimmt mit seiner Nähe zur nordamerikanischen Großmacht eine Sonderstellung inmitten des ansonsten distanzierten Lateinamerikas ein. Es scheint, als versuche Donald Trump durch eine Allianz mit Kolumbien seine geostrategischen Interessen im Kampf gegen den illegalen Drogenhandel durchzusetzen.

Das Gelingen des Friedensprozesses und die damit einhergehende Beendigung der Drogenproblematik in Kolumbien liegt im Interesse der US-amerikanischen Regierung. Wenn es dem kolumbianischen Staat gelingt, die Gebiete, die von der FARC freigegeben werden, zu kontrollieren, bevor dies andere bewaffnete Gruppen tun, würden die mexikanischen Drogenkartelle geschwächt und damit Trumps Vorhaben unterstützt. Die mexikanischen Organisationen im Drogenhandel haben kriminelle Verbindungen nach Kolumbien, um von dort vor allem Kokain zu beziehen und dieses weiter in die USA zu schmuggeln. In den letzten Jahren waren die Hauptlieferanten der mexikanischen Kartelle die FARC, BACRIM und die ELN. Letztere befindet sich in Friedensverhandlungen mit der kolumbianischen Regierung und könnte sodann, genau wie die FARC, aus dem Drogengeschäft scheiden. Eine große Herausforderung des Postkonflikts bleibt zu verhindern, dass mexikanische Kartelle die lokalen BACRIM finanzieren und damit ihre Versorgung mit Kokain sichern. Sollte sich jedoch eine der kriminellen Gruppen gegen den kolumbianischen Staat durchsetzen können und vor diesem die Koka-Anbaugebiete besetzen, bleibt die Versorgung der mexikanischen Kartelle mit kolumbianischem Kokain bestehen. Genau dieser Trend zeichnet sich gerade in verschiedenen Teilen des Landes ab.

Insgesamt ist anzumerken, dass es während des gesamten kolumbianischen Konflikts zwei kontinuierliche Probleme gibt: die Drogenproblematik und der Konflikt um Land. Bezüglich Letzterem wurde jahrzehntelang eine wirksame Agrarreform umgangen, während sich die Drogenhändler die fruchtbarsten Gebiete des Landes aneigneten. Dies führte zu einem Defizit in der landwirtschaftlichen Ausbeute des Landes, das durch unzureichende Modernisierung noch verstärkt wird. Die derzeitige Landverteilung schwächt den kolumbianischen Staat und Agrarsektor und stärkt die bewaffneten Gruppen. Eine erfolgreiche Umsetzung des ersten Punktes des Friedensabkommens zur Landreform ist folglich als ein unabdingbarer Schritt zu sehen, von dessen Gelingen die Zukunft des kolumbianischen Drogengeschäfts abhängt. Ebenso deutlich ist die Kontinuität der Drogenproblematik seit den 1970er Jahren. Über Jahrzehnte hinweg verfestigten sich die illegalen Strukturen, so dass eine schnelle und anhaltende Beendigung der Problematik zu einer enormen Herausforderung wird. Es gilt nun, die Implementierung des Friedensabkommens so schnell wie möglich umzusetzen. Die anstehenden Präsidentschaftswahlen 2018 in Kolumbien könnten die Implementierung gefährden. Als größter Gegner des Friedensabkommens kündigte das Centro Democrático an, den Inhalt zu ändern und die laufende Implementierung zu stoppen. Ziel der Regierung ist es, noch während der Amtszeit des aktuellen Staatspräsidenten Santos die wichtigsten Gesetze zu verabschieden.