Rückblick auf die erste Online-Sitzung einer Lernwerkstatt im Rahmen von EinS@FU
Mein letzter Beitrag liegt schon einige Monate zurück; das neue Semester hat bereits begonnen und aus dem Sommersemester bekannte Herausforderungen der digitalen Lehre begegnen mir nun in anderem und teilweise neuem Gewand.
Neben einem Lektürekurs zu Dichtung aus Syrien um 2011 im dritten Studienjahr des Bachelorstudienganges Geschichte und Kultur des Vorderen Orients, Schwerpunkt Arabistik, unterrichte ich in diesem Wintersemester 2020/21 auch eine Lernwerkstatt mit dem Titel „Araber und der Orient in Hollywood“ im Rahmen des Einführungs- und Orientierungsstudiums EinS@FU.
In diesem Beitrag schaue ich zunächst nur kurz zurück auf die erste Sitzung, die wiederum im virtuellen Raum stattfand, und auf eine erhellende Erfahrung in Sachen Pausen und das Arbeiten mit Teilgruppen in Online-Sessions.
In den kommenden Beiträgen werde ich vor allem über die Idee des problembasierten Lernens (pbL), an der ich mich in dieser Lernwerkstatt zusammen mit den Studierenden versuche, sinnieren – laut Studien- und Prüfungsordnung soll bei der Lehrveranstaltungsform „Lernwerkstatt“ zunächst ein Problem im Vordergrund, für das die Studierenden weitgehend selbstständig eine Lösung finden sollen. Hier lernen sie, ein Thema oder eine Frage zu analysieren, geeignete Informationsquellen zu finden und zu nutzen und schließlich Lösungen zu vergleichen, auszuwählen und umzusetzen.
Die Lehrveranstaltungsform „Lernwerkstatt“ schreit fast schon nach problembasiertem Lernen (pbL).
VM
Aber hierzu in einem anderen Beitrag mehr.
EinS@FU – was ist das?
Zunächst kurz zu diesem Einführungs- und Orientierungsstudium, wofür ich gern von der Website des Studienganges zitiere:
Das Einführungs- und Orientierungsstudium EinS@FU richtet sich an Studienanfänger*innen, die einen Überblick über mögliche Studienfächer gewinnen wollen, sich für mehr als nur ein Studienfach interessieren oder herausfinden möchten, ob ein bestimmtes Studienfach zu ihnen passt.
Im Rahmen von EinS@FU ist es möglich, Seminare aus mehr als 40 Studiengängen der Freien Universität Berlin zu besuchen. Zusätzlich werden die Studierenden bei EinS@FU mit einem speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Lehrangebot und einem umfangreichen Mentoringprogrammbegleitet. Im Lauf des einjährigen Studiums setzen sich die Studierenden von EinS@FU mit ihren eigenen Vorstellungen, Fähigkeiten und Zielen auseinander, um am Ende eine informierte und motivierte Entscheidung für ein Studienfach zu treffen.
Website von EinS@FU
Anders als bei den Lehrveranstaltungen, die ich sonst in den Bachelor- und Masterstudiengängen der Arabistik unterrichte, treffe ich in der Lernwerkstatt also auf Studierende, die parallel zu meiner Veranstaltung noch in zahlreiche andere Fächer und Fachkulturen reinschnuppern. Es geht für mich also nicht darum, die Grundlagen der Arabistik zu vermitteln oder eine Einführung in die arabische Literatur zu geben; die Lernwerkstatt gehört zusammen mit einer Ringvorlesung zum Modul „Fachliche Orientierung Geistes- und Kulturwissenschaften“, das Kernthemen der an EinS@FU beteiligten geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächer, z. B. unter Überschriften wie „Identität“, „Text“, „Schrift“, „Sprache“, „Materialität“, „Welt“ behandelt. Nach Absolvierung des Modul sind sich die Studierenden die Relevanz der Fragestellungen und Methoden geistes- und kulturwissenschaftlicher Fächer bewusst und sie können mit einer Aufgabenstellung aus einem der beteiligten Fächer umgehen und dazu Informationen zur Lösung ermitteln und diese Lösung auch methodisch umsetzen – sowohl allein als auch im Team.
Soweit die Theorie 😉
„Araber und Orient in Hollywood“ als Lernwerkstatt
Mitlesende werden sich vielleicht erinnern, dass ich bereits im Sommersemester 2020 ein Seminar mit dem Titel „Araber und Orient in Hollywood“ unterrichtete. Die Erfahrungen aus diesem fast gänzlich asynchron verwirklichten Seminar haben zur Weiterentwicklung des Themenkomplexes und dessen Adaption für eine Lernwerkstatt beigetragen. Der Kommentar zur Lernwerkstatt „Araber und Orient in Hollywood“ lautet wie folgt:
Araber und der Orient kommen seit Anbeginn der Filmgeschichte in diversen Formen in US-amerikanischen und europäischen Filmen und Serien vor, seien es der Dschinn aus Tausendundeiner Nacht in Disney’s „Aladdin“ (1992, 2019), die historische Figur Faisal I. in „Lawrence von Arabien“ (1962), die ‚Libyer‘ in „Zurück in die Zukunft“ (1985), Abu Dhabi in „Sex and the City 2“ (2010), das Kairo der ägyptischen Revolution in der Serie „The Night Manager“ (2016) oder der Fall des Bethnal-Green-Trios in „Kalifat“ (2020). Was und wer wird in Filmen und Serien als ‚arabisch‘ oder ‚orientalisch‘ wahrgenommen und mittels welcher visuellen oder auditiven Elemente wird diese Wahrnehmung erzeugt? Schwarzumrandete Augen, Turbane, Bärte, Schleier, Haremshosen, exotische Akzente, fliegende Teppiche, Gebetsrufe, Wüsten, Oasen, Minarette, Kamele, Pferde, Bombengürtel? Was ist überhaupt ‚arabisch‘ oder ‚orientalisch‘? Wo ist ‚der Orient‘ und was dieser mit ‚dem Islam‘ zu tun? Diesen und anderen Fragen gehen wir in der Lernwerkstatt nach. Wir lernen das Medium ‚Film‘ nicht nur als Quelle der Geschichts- und Kulturwissenschaften sondern allgemein als Form des kulturellen Diskurses kennen; dabei erarbeiten wir uns Begriffe, um Repräsentationen (und Nicht-Repräsentation) von ‚Arabern‘, ‚Arabisch‘ und ‚Orient‘ zu beschreiben und zu hinterfragen; wir diskutieren Filme und Serien, wie wir sie geradezu alltäglich konsumieren, als Medium für die Kommunikation von Identitäten, Ideologien, Traditionen, Mythologien, politischer Agenda, Emotionen, und Interessen.
Kommentar im Vorlesungsverzeichnis.
Die Themen sind also ähnlich wie im Semester zuvor; die Arten des Lehrens und Lernens aber sind andere.
Vorstellungsrunde im virtuellen Raum – alternative Fragen
Natürlich wollte ich in der ersten Sitzung meine Studierende zunächst kennenlernen. Meiner Erfahrung nach können Vorstellungsrunden aber ziemlich dröge sein, wenn man einfach nur nach dem Namen fragt, warum sich die Studierenden nun für ein Fach oder einen Kurs entschieden haben. Ich entschied mich also, den üblichen Fragenkanon etwas aufzufrischen und bat die Studierenden, sich nicht nur mit ihren Namen vorzustellen, sondern fragte sie auch, wie ich sie anreden darf, welchen Film oder welche Serie sie zuletzt gesehen haben und was sie gerade nervt.
Meiner Wahrnehmung nach erzielten diese Fragen durchaus Wirkung, denn so stellten wir alle miteinander fest, dass uns das Blackboard gerade ziemlich nervt (es wurde anscheinend just am ersten Tag der Vorlesungszeit auf ein neues responsives Design umgestellt …)
Selbst bei einer vergleichsweise kleinen Teilnehmendenzahl von 15 dauert so eine Vorstellungsrunde natürlich ihre Zeit und nachdem ich eine eigentlich kurze aber meinem Gefühl nach doch zu lange Einführung in die Struktur der Lernwerkstatt und den Aufbau des Blackboardkurses gab, schien mir eine Pause angemessen.
Breakoutsessions für Pausen
Eine gute Gelegenheit, in Cisco WebEx Meetings die neue Funktion der Breakout-Sessions zu testen. Und so teilte ich die Studierenden flott in mehrere kleine Gruppen ein, erklärte, was wie in diesen Breakout-Sessions von technischer Seite her passiert und dass wir uns in ein paar Minuten wieder im Hauptraum sehen.
Nach fast 45 Minuten Vorstellunsrunde und Einführung in den Blackboardkurs empfand ich selbst diese Pause als wohltuend, aber ich werde in der kommenden Sitzung bei den Studierenden erfragen, wie sie diese Pause empfanden. Als Lehrperson bin ich bei Live-Sessions meist angespannt – durchaus im konstruktiven Sinne. Aber diese Anspannung über mehr als 45 Minuten oder eine Stunde zu halten führt meiner Erfahrung nach zu Ermüdung – nicht nur bei mir, sondern auch bei den Teilnehmenden. Lehre und Lernen im virtuellen Raum sollte meiner Meinung nach ebensowenig monoton sein wie Lehre und Lernen auf dem Campus. Warum also nicht zwischendurch eine Pause einlegen und diese bewusst als Zäsur nutzen, um zu einem neuen Thema überzugehen?
Im Falle der ersten Sitzung dieser Lernwerkstatt ging es um den Übergang zwischen Organisatorischem und Inhaltlichem. Ich hatte mir überlegt, nicht mit einem Frontalvortrag in diese Lernwerkstatt einzusteigen, sondern erst einmal zu erfragen, was den Studierenden so bei Stichwörtern wie „Orient“ und „Araber“ einfällt und welche Filme oder Serien sie kennen, die im Orient spielen oder in denen Araber vorkommen.
Hierzu fiel mir ein Tool ein, dass ich im vergangenen Sommersemester im Kurs „Studierende online motivieren und begleiten“ des SUPPORT für die Lehre kennenlernte: Mentimeter – eine Möglichkeit, interaktive Präsentationen zum Beispiel mit Wortwolken oder Polls.
Aktivierung von Teilnehmenden durch interaktive Präsentationen mit Mentimeter
Ich werde auf die Arbeit mit Mentimeter noch eingehen, nachdem ich mir in der kommenden Sitzung Rückmeldung von Studierenden geholt habe. Mir schien es aber eine gute Gelegenheit, nach der Vorstellungsrunde und Besprechung von Organisatorischem ein wenig in die Inhalte der Lernwerkstatt einzuführen. Im Folgenden schlicht die Ergebnisse der drei Fragen:
Besonders die interkativen Wortwolken finde ich ziemlich spannend und denke, dass dieser auch zur weiteren Anregung von Diskussionen genutzt werden können.
Die nächste Sitzung
Die kommende Sitzung wird zunächst eine Überleitung zum Thema „Orient und Araber – wo, was und wer?“ bilden, bevor wir Ende November in die Gruppenarbeit im Sinne des problembasierten Lernens einsteigen. Ich habe mir überlegt, die Sitzung diskussionslastig aufzubauen – und zwar in Teilgruppen. Ich erhoffe mir von der Arbeit in Breakoutsessions, dass sich die Studierenden im virtuellen Raum kennenlernen und miteinander kollaborieren lernen – etwas, was in Präsenz auf dem Campus in einem Lehrraum möglicherweise einfacher (vielleicht weil einfach „gewöhnlich“?) zu bewerkstelligen wäre. In kommunikationswissenschaftlicher Terminologie könnte die Form dieser Diskussionsgruppen als „World-Café“ bezeichnet werden (allerdings abgewandelt in der Hinsicht, dass es keine Tischgastgeber geben wird). Folgende Fragen sollen in der ersten Runde diskutiert werden:
- Was ist „der Orient“?
- Wo ist „der Orient“?
- Wer ist „Orientale“?
- Was ist „orientalisch“?
- Wer ist „Araber“?
- Wer ist „Muslim“?
- Wo sind die Schnittmengen?
- Und warum habe ich diese Begriffe in Anführungszeichen gesetzt?
Anschließend werden wir die Diskussionspunkte in großer Runde kurz umreißen.
Nach einer Pause von 5 bis 10 Minuten – sofern die Studierenden damit einverstanden sind – schauen sich die Studierenden wiederum in Teilgruppen (in anderer Konstellation) jeweils drei kurze Clips aus Filmen und Serien an und sollen überlegen, was diese mit dem Thema der Lernwerkstatt zu tun haben könnten: Kommen hier „Orientalen“ vor? Wird etwas über „den Orient“ gesagt? Wie wird „der Orient“ dargestellt? Und so weiter. Es handelt sich um
- eine Szene aus The Thief of Baghdad (1940), in der der böse Zauberer Jaffar (gespielt von Conrad Veidt) einen Zauber ausübt;
- den Trailer zu Prince of Persia (2010);
- Szenen aus The Big Bang Theory, Staffel 2, Episode 11, und Staffel 9, Episoden 3 und 14.
What it is is a cacophonous assault of eucalyptus, bayberry, cinnamon and vanilla. It’s as if my head were trapped in the pajamas of a sultan.
Sheldon Cooper, The Big Bang Theory, Staffel 2, Episode 11
Was an diesen Szenen ist diskussionswürdig im Kontext unserer Lernwerkstatt? Wie gehen die Studierenden damit um? Brauchen sie weitere Informationen, um diese Szenen besser einordnen zu können? Wenn ja, welche und wo könnten sie diese Informationen finden?
Wir diskutieren diese Punkte dann erneut kurz in der ganzen Gruppe.
Diese Sitzung bietet insgesamt einen Vorgeschmack auf die kommenden Sitzungen, in denen wir uns auf Grundlage des problembasierten Lernens Darstellungen aus Filmen und Serien nähern werden, die auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so viel mit unserem Lernwerkstattsthema zu tun haben 😉