World-Café-artige Diskussionsrunden zur Einstimmung

In der zweiten Sitzung der EinS@FU-Lernwerkstatt „Araber und Orient in Hollywood“ wollte ich mich mit den Studierenden auf einige der Begrifflichkeiten und Fragestellungen, die uns in der Lehrveranstaltung immer wieder begegnen werden, einstimmen.

  • Was ist „der Orient“?
  • Wo ist „der Orient“?
  • Wer ist „Orientale“? 
  • Was ist „orientalisch“?
  • Wer ist „Araber“?
  • Wer ist „Muslim“?
  • Wo sind die Schnittmengen?
  • Und warum habe ich diese Begriffe in Anführungszeichen gesetzt?

Dazu hatte ich mir überlegt, die Studierenden per Breakout-Sessions in Cisco WebEx Meetings in zufällige Teilgruppen einzuteilen und sie ca. 20 Minuten lang über diese Fragen und Begriffe diskutieren zu lassen.

Im Prinzip entsprach das Diskussionsformat durchaus der Kommunikationsform eines „World-Cafés“ – nur ohne Tischgastgeber.

VM

Nach 20 Minuten sollten wir uns wieder im Hauptraum einfinden und würden die Fragen in großer Runde kurz besprechen. Ich überließ es den Studierenden, untereinander in den Gruppen jeweils auszumachen, wer wie die Diskussionspunkte mitnotiert und wie diese dann in der Hauptdiskussion vorgestellt werden (ob es etwa eine Person allein macht und sich mehrere abwechseln).

Präsentation erstellt mit Pitch

Dies funktionierte tatsächlich ausgesprochen gut. Die Beiträge waren schlüssig und reichhaltig, teilweise sogar schon mit Quellen fundiert.

Allerdings stellte ich fest, dass ich mein nächsten Mal definitiv mehr als 10 Minuten Zeit für die Diskussion in großer Runde lassen würde, da sich, wenn die Studierenden die Beiträge der anderen Gruppen hören, durchaus noch neue Ideen und Gedanken ergeben. Die Diskussion in Teilgruppen, in die ich mich als Gastgeber des Meetings nur geschaltet hätte, wenn die Studierenden die Hilferuf-Funktion genutzt hätten, schien mir gut als Katalysator für weiter ausschweifende oder tiefer gehende Diskussionen dann in der großen Gruppe zu funktionieren. Wir hatten gar nicht so viel Zeit, alle Begriffe und Punkte anzusprechen, die die Studierenden aufwarfen.

Präsentation erstellt mit Pitch

Die Idee war, die Studierenden für das Problematisieren von Begriffen wie „Orient“, „Naher Osten“, „Nordafrika“, „arabische Welt“, „arabischsprachige Welt“, „Middle East“, „Orientale“, „Araber“, „exotisch“, „orientalisch“, „islamisch“, und so weiter, zu sensibilisieren. Aus meiner Perspektive ist dies gelungen, auch wenn ich noch einen Weg finden muss, die Ergebnisse der Diskussion sichtbarer zu machen. Zwar habe ich mir reichlich Notizen gemacht und werde versuchen, die Diskussionspunkte aufzubereiten und in Blackboard zur Verfügung zu stellen; aber ich werde mir überlegen, ob ich die Studierenden nicht mit dem Whiteboard in Cisco WebEx Meetings experimentieren lasse oder ob es sinnvoll sein kann, ein Wiki oder einen Faden im Diskussionsforum zu eröffnen oder schlicht ein Dokument in Word online oder ein Etherpad eröffnen zu lassen.

Die Pause kurz nach 15 Uhr (wir hatten 14 Uhr begonnen) tat dann auch gut – sie könnte vermutlich sogar etwas länger gehen.

Erste Kurzclips

In der zweiten Diskussionsrunde sollten sich die Studierenden dann in Teilgruppen einen von drei Kurzclips anschauen und dazu wiederum diskutieren. Es handelte sich um:

  • eine Szene aus The Thief of Baghdad (1940), in der der böse Zauberer Jaffar (gespielt von Conrad Veidt) einen Zauber ausübt;
  • den Trailer zu Prince of Persia (2010);
  • Szenen aus The Big Bang Theory, Staffel 2, Episode 11, und Staffel 9, Episoden 3 und 14.
Conrad Veidt als Jaffar in The Thief of Baghdad (1940)
Filmplakat von Prince of Persia – The Sands of Time (2011)

What it is is a cacophonous assault of eucalyptus, bayberry, cinnamon and vanilla. It’s as if my head were trapped in the pajamas of a sultan.

Sheldon Cooper, The Big Bang Theory, Staffel 2, Episode 11

Aufgrund der Zeitknappheit überließ ich es wiederum den Studierenden, sich in den Teilgruppen jeweils zu entscheiden, welchen Clip sie sich anschauen und diskutieren.

(Ursprünglich hatte ich geplant, zu den Gruppen jeweils dazuzutreten und sie mit dem Schauen und Diskutieren des einen oder anderen Clips zu beauftragen. Eine Idee, die mir erst zu spät kam, war, dass ich über die Broadcast-Funktion in den Teilgruppen diese auch einzeln ansprechen kann und auch so die Clips hätte verteilen können. Nun ja, beim nächsten Mal!)

Präsentation erstellt mit Pitch

Folgende Leitfragen waren gegeben:

  • Was an diesen Szenen ist diskussionswürdig im Kontext unserer Lernwerkstatt?
  • Wie geht Ihr damit um?
  • Braucht Ihr weitere Informationen, um diese Szenen besser einordnen zu können?
  • Wenn ja, welche und wo könntet Ihr diese Informationen finden?

Auch wenn die Zeit knapp war, kamen in den 5 Minuten, die uns für ein gemeinsames Besprechen dieser Clips blieben, exzellente Gedanken zur Sprache, etwa hinsichtlich der Besetzung in diesen Filmen (Stichwort „whitewashing“) oder bezüglich der Adaption von Klischees für Humor in einer Sitcom wie The Big Bang Theory. Interessant war natürlich, dass Conrad Veidt, der in The Thief of Baghdad (1940) den bösen Zauberer Jaffar spielt, ja ein deutscher Schauspieler war, dessen „exotischer“ Akzent im Englischen zur Zeit der Veröffentlichung des Filmes zweifelsohne eine gewisse Wirkung erzielt haben muss. Und bei Prince of Persia (2011) stellte sich die Frage, wie viel „Freiheit“ man sich beim Casting für einen Film, der zwar eine gänzlich fiktive Geschichte erzählt, aber trotzdem auf kulturelle Codes zurückgreift, erlauben kann.

Zwar konnten wir an dieser Stelle die Diskussion nicht vertiefen; aber sie bildete dennoch eine gute Einstimmung auf die kommenden Sitzungen, in denen es eben um Fragen der Darstellung und Wahrnehmung von Arabern und „dem Orient“ in Filmen und Serien gehen wird.

Einander in Diskussionen kennenlernen

Die Diskussion in Teilgruppen hat sich in dieser zweiten Sitzung für mich als sinnvoll erwiesen, wobei ich für ein abschließendes Urteil noch die Rückmeldung der Studierenden in der kommenden Sitzung abwarte. Ich denke, solche World-Café-artigen Diskussionsrunden – wenn auch ohne Tischgastgeber – können auch eine gute Möglichkeit bieten, dass die Studierenden, die sich aktuell eben nicht leibhaftig auf dem Campus kennenlernen können, einander mindestens in vertrauteren, kleinen Kreisen im virtuellen Raum begegnen können – gerade auch ohne dass ich als Lehrende mich in die Teilgruppenräume „dazuschleiche“.

Ich werde es so handhaben, dass ich es explizit vorher ankündige, sollte eine Teilgruppenarbeit meine zeitweilige Anwesenheit erfordern. An sich finde ich aber, dass man den Studierenden gerade im virtuellen Raum auch die Gelegenheit geben sollte, „unter sich“ zu sein.