Studierende online motivieren und begleiten – Gedanken zu einem Webinar

Nachdem ich gut in das kreative Sommersemester 2020 gestartet bin, wollte ich mich intensiver damit beschäftigen, wie im virtuellen Raum eine positive Lernatmosphäre gestaltet werden kann und wie Studierende auch in asynchronen Lehr- und Lernformaten aktiviert und begleitet werden können. Hierzu besuchte ich ein Webinar, das vom SUPPORT für die Lehre der Freien Universität angeboten wurde, zum Thema ‚Studierende online motivieren und begleiten‘.

Die Frage, die sich mir hier natürlich zunächst stellte, war, was überhaupt aus der On-Campus-Lehre in den virtuellen Raum übertragbar ist. Dabei stellte ich für mich fest, dass ich Live-Sitzungen zwar durchaus in ähnlicher Weise für Austausch und Diskussion nutzte, aber dass ich diesen Live-Sitzungen viel mehr ‚Sinn‘ geben wollte.

Ich wollte nicht einfach jede Woche eine synchrone Sitzung durchführen, in der ich Impulsvorträge gebe und wir dann in der Runde mit den Studierenden zum Austausch über Texte übergehen, die zuvor durchzuarbeiten waren. Überhaupt ist das eine Form des Lehrens, die mir selbst gar nicht so zusagt. Natürlich sehe ich den Nutzen im mündlichen Austausch über Primär- oder Sekundärtexte; und ich halte dies sogar für einen Kernaspekt des Studiums. Dies aber eins-zu-eins in den virtuellen Raum übertragen zu wollen, halte ich für eine Verschwendung des Potenzials, das Lehre und Lernen im virtuellen Raum bietet.

Das Potenzial des Lehrens und Lernens im virtuellen Raum sollte nicht verschwendet werden, indem man auf Biegen und Brechen versucht, das übliche oder ’normale‘ Präsenzstudium auf dem Campus einer Universität durch wöchentliche 90-minütige Live-Sitzungen zu übertragen.

Meine Meinung

Also versuchte ich, den synchronen Live-Sitzungen jeweils einen ‚Sinn‘ zu geben, und – zugegeben – bei manchen Lehrveranstaltungen empfand ich es als überhaupt nicht notwenig, eine Live-Session zu durchzuführen, wie ich es sonst in einem Unterrichtsraum tun würde. Dies war schlichtweg nicht der Ansatz, den ich in diesem Semester verfolgte – wie ich überhaupt meinen Unterricht selten so gestalte, dass ich wie ein Theaterschauspieler auf einer Bühne etwas präsentiere und die Studierenden nur zuschauen und konsumieren. Ich sehe Studierende nicht als bloße Konsumenten.

Studierende sind für mich nicht bloße Konsumierende, denen man Inhalte präsentiert als wäre man ein Schauspieler auf einer Theaterbühne.

Meine Meinung

Ich finde, Studierende sollten die Möglichkeit haben, ihr Studium mitzugestalten, das heißt in Lehrveranstaltungen nicht nur ‚aktiv‘ Arbeitsaufträge vollführen, um im Campus Management die aktive Teilnahme bestätigt zu bekommen und später die Modulprüfung erfolgreich zu absolvieren; nein, es bedeutet, die Lehrveranstaltung mit ihnen zu designen, sich auf die Studierenden einzulassen und mit der Erfahrung, die man als Lehrender hat, Kurse zu schaffen, die verschiedene Denkansätze eröffnen und kritisches Reflektieren ermöglichen, ohne auf eine bestimmte ‚Wahrheit‘ oder eine Reihe von Fakten hinzuarbeiten.

Aus diesem Grund tat ich mich mit den Methoden, die uns im Webinar ‚Studierende online motivieren und begleiten‘ geboten wurden, schwer, auch weil sie vor allem auf das Motivieren in synchronen Live-Sitzungen abzielten. Ich empfand meine eigenen Live-Sitzungen aber als purposeful genug, auch weil ich eher zu wenige als zu viele angesetzt hatte – jeweils mit konkreten Arbeitsaufträgen verbunden und eingebettet in den Ablauf der jeweiligen Lehrveranstaltung. Dies war vor allem in der sprachpraktischen Übung ‚Übersetzen aus dem Arabischen und ins Arabische‘ im Masterstudiengang Arabistik der Fall, wo die Live-Sessions jeweils dazu dienten, die Übersetzungen zu diskutieren. Die Frage der Motivation stellte sich aus meiner Perspektive hier gar nicht; Tools wie Mentimeter konnte ich hier nicht anwenden.

In andere Kursen, zum Beispiel im Seminar ‚Araber und Orient in Hollywood‘ im Bachelorstudiengang ‚Geschichte und Kultur des Vorderen Orients, Schwerpunkt Arabistik‘, waren eher sprechstundenartige Live-Sitzungen nötig; der Austausch fand intensiv und ausführlich in schriftlicher Form im Diskussionsforum in Blackboard statt. Auch hier stellte sich die Frage der Motivation nicht.

Dennoch denke ich, dass Tools wie Mentimeter oder Pingo eine gute Möglichkeit sein könne, überhaupt eine Session – egal ob on-campus oder online – abwechslungsreicher zu gestalten. Gerade bei Einführungskursen kann ich mir gut vorstellen, dass das Erstellen einer Word-Cloud mit hilfe von Mentimeter praktisch sein kann, um Vorwissen zu sammeln. Ich denke, dass ich dies einmal im nächsten Semester testen werde.

Sessions kleinteilig zu designen, hilft dabei, sich den Mehrwert von Formen der aktiven Teilnahme für die Studierenden zu vergegenwärtigen.

Meine Meinung

Abgesehen davon kann es durchaus sinnvoll sein, eine Session kleinteilig zu sezieren und zu designen – fast schon wie ein Drehbuch, wobei natürlich Spielraum für Spontaneität gelassen werden sollte. Sich mehr Gedanken über den Ablauf einer einzelnen Session zu machen, hilft aber auch, den Sitzungen und ihren Einzelteilen einen Sinn zu geben, etwa was das Erlangen von Kompetenzen oder das Vermitteln von Inhalten angeht.

Meiner Meinung nach muss es einem als Lehrender gelingen, den Studierenden den Mehrwert in Formen der aktiven Teilnahme, Aufgaben oder überhaupt in der Teilnahme an Live-Sitzungen zu vermitteln. Wenn einem dieser Mehrwert selbst nicht klar ist, sollte man überlegen, ob bestimmte Arten des Lehrens oder bestimmten Aufgaben überhaupt sinnvoll sind oder ob sie nur dazu dienen, dass man für sich selbst behaupten kann, man würde ‚lehren‘.

Ich für meinen Teil werde mich in Zukunft noch intensiver damit beschäftigen, wie ich Studierenden in meinen Kursen begreifbar machen kann, was ‚Studieren‘ überhaupt bedeutet und was aus den verschiedenen Aufgaben für sich mitnehmen. Das sind durchaus ’simple‘ Erkenntnisse wie dass es eine schier unschätzbare Kompetenz ist, ein Thema in einem eng abgesteckten Rahmen von 3000 oder 6000 Wörtern reflektiert zu betrachten und überzeugend zu argumentieren; ähnlich verhält es sich mit Wissens- oder Zeitmanagement.


Diskutieren in Studierendenrunde

Manche Ideen für die Online-Lehre im Kreativsemester erweisen sich dann doch nicht als so zündend wie gedacht – so zum Beispiel das schriftliche Diskutieren von Übersetzungsvarianten in der sprachpraktischen Übung Übersetzen aus dem Arabischen und ins Arabische im Masterstudiengang Arabistik.

Ursprünglich plante ich, die Argumentations- und Reflexionskompetenz hinsichtlich Übersetzungen, die für gewöhnlich in  in-class discussions stattfinden würde, ausschließlich in schriftlicher Form erproben zu lassen, nämlich im Diskussionsforum im Blackboard. Hinzu sollten monatliche Live-Sessions von ca. 60 Minuten kommen, in denen die Forenkommentare aufgegriffen und noch einmal mündlich reflektiert werden sollten.

Schriftliches Diskutieren in einem Forum funktioniert nicht in allen Lehrveranstaltungskontexten

Allerdings fällt es gar nicht so leicht, schriftlich über die eigene Übersetzung sowie die Vorschläge von Mitstudierenden zu diskutieren, sodass im Prinzip nur einmal jede/r Teilnehmende auf meine Initialfragen zu den Übersetzungsvorschlägen antwortete – und dann verstummten die Diskussionen. Das mag daran liegen, dass wir Übersetzungen – sowohl die eigenen als auch die von anderen – für gewöhnlich nicht ‚reviewen‘, und schon gar nicht in schriftlicher Form. Sich mündlich zu einem Übersetzungsvorschlag zu äußern, fällt vergleichsweise leicht; es zu verschriftlichen erfordert andere Kompetenzen. Möglicherweise hat man das Gefühl, logischer argumentieren zu müssen, einen reißfesten roten Faden im geschriebenen Übersetzungskommentar weben zu müssen. Zumindest hat die zurückhaltende Beteiligung im Diskussionsforum in dieser Lehrveranstaltung gezeigt, dass sich die sonst mündlich und synchron in face-to-face-Veranstaltungen doch rege Beteiligung nicht einfach in den schriftlichen und asynchronen Raum eines Diskussionsforums in Blackboard übertragen lässt.

Schriftlich Kollaborieren – eine Herausforderung

Auch das Kollaborieren an einer Übersetzung mit Hilfe eines Wikis in Blackboard ist eher ungewohnt. Was vielleicht in der Arbeitsgruppe im face-to-face-Unterricht noch gut funktioniert, stößt in schriftlicher Form schlicht an seine Grenzen:

Übersetzungsvarianten vorschlagen, kommentieren, redigieren, Vokabeln nachschlagen und deren Bedeutungen besprechen, das ‚richtige‘ Wort auswählen, andere Wörter ausschließen, Wortstellungen umformen, … das alles zu verschriftlichen ist ein hoch gestecktes Lernziel, das ohne nötige Vorbereitung eigentlich nicht zu erreichen ist.

Aus diesem Grund entschied ich mich, die mündliche Diskussion in anderer Form zu ermöglichen.

Live-Diskussionsrunden ja, aber zunächst ohne mich!

Ich wollte aber den ursprünglichen Gedanken, dass die Studierenden untereinander diskutieren und gemeinsam an einer Übersetzung arbeiten, beibehalten; und so hatte ich die Idee, dass sich die Studierenden zunächst eine Woche vor unserer gemeinsamen Live-Sessions in einer rein studentischen Sitzung – also ohne mich!* – zusammenfinden, um gemeinsam ihre Übersetzungen zu besprechen und sich auf eine Variante zu einigen, die wir dann in der gemeinsamen Sitzung diskutieren würden.

So hatte ich in Cisco WebEx einen Raum und eine Sitzung angelegt, in der jede Person mit Host-Rechten in Cisco WebEx Host dieser Sitzung sein konnte – und Studierende der Freien Universität haben diese Möglichkeit ja! Die Daten stellte ich entsprechend in Blackboard ein und hoffte schlichtweg, dass sich die Studierenden auch tatsächlich zu dem genannten Termin einfinden würden und zusammen arbeiten würden.

Meine Hoffnungen wurden nicht enttäuscht, wie sich in der gemeinsamen Live-Session diese Woche zeigte. Ich habe in der Arabistik selten so einen spannenden Austausch über Übersetzungsvarianten erlebt. Es war unglaublich bereichernd, die Gedanken der Studierenden zu Übersetzungsvarianten zu hören. Auch wenn die ursprüngliche Idee war, diese Reflexion zu verschriftlichen, so zeigte mir die Live-Session doch, dass Übersetzungskurse auch in Online-Form funktionieren können, wenn man einen entsprechenden asynchronen Rahmen schafft und ggf. auch Flexibilität hinsichtlich der Austauschmöglichkeiten von Studierenden.

Der neue Ablaufplan für diesen Kurs

Natürlich erforderte das Einschieben einer studentischen Diskussionsrunde ein Umbauen des Semesterplans, sodass dieser für die zweite und dritte Runde an Texten nun wie folgt aussieht:

  • bis 26.5.2020 – Texte zur Übersetzung im Wiki einstellen (oder an Dozentin übermitteln, die sie dann anonym einstellt) – II (Arabisch–Deutsch)
  • bis zum 1.6. – Texte zur Übersetzung im Wiki einstellen (oder an Dozentin übermitteln, die sie dann anonym einstellt) – II (Englisch/Deutsch–Arabisch)
  • 2.6.2020 – 2. Diskussion in Studierendenrunde (= 4. Live-Session)
  • bis 8.6.2020 – Einstellen der kollaborativ erarbeiteten Übersetzung im Wiki
  • 9.6.2020 – 5. Live-Session zur Besprechung der Übersetzungsvorschläge II; 2. Evaluation des Prozederes
  • bis 16.6.2020 – Texte zur Übersetzung im Wiki einstellen (oder an Dozentin übermitteln, die sie dann anonym einstellt) – III
  • bis 22.6.2020 – Einstellen der kollaborativ erarbeiteten Übersetzung im Wiki
  • 23.6.2020 – 3. Diskussion in Studierendenrunde (= 6. Live-Session)
  • bis 29.6.2020 – Einstellen der kollaborativ erarbeiteten Übersetzung im Wiki
  • 30.6.2020 – 7. Live-Session zur Besprechung der Übersetzungsvorschläge III; 2. Evaluation des Prozederes; Vorbereitung auf mündliche Prüfung
  • bis 14.7.2020 eigenständige Vorbereitung der Texte mit eigenständiger Diskussion im Forum und ggf. in studentischen Diskussionsrunden
  • 14.7.2020 mündliche Prüfung/Fachgespräch*: Übersetzen von 2 zufällig ausgewählten Texten (je einer pro Richtung), Gespräch über die Übersetzung, Gespräch über Methoden des Übersetzens allgemein

Insgesamt nehmen die Studierenden in dieser Lehrveranstaltung also an 7 synchronen Sessions teil; der Rest ist intensives, eigenständiges Arbeiten an den Übersetzungen.**


*Dem Gedanken, dass ‚weniger Dozent‘ dem Lern- und Erkenntniserfolg unter Umständen – wie solchen eines Online- und Kreativsemesters – ganz zuträglich ist, widme ich in den kommenden Tagen oder Wochen einen eigenen Beitrag.

**Warum mir dieses intensive und eigenständige Arbeiten – damit also die Erhöhung des Selbststudienanteils in dieser Lehrveranstaltung im Vergleich zur face-to-face-Variante desgleichen Kurses – sinnvoll erscheint unter den gegebenen Umständen und was das alles mit der Idee von ‚Gegenübersetzungen‘ zu tun hat, reflektiere ich in einem nächsten Beitrag.

Übersetzungskurs als sprachpraktische Übung – Kursplan

Im Folgenden stelle ich nur kurz meinen ersten Entwurf für die Planung der Live-Sessions und Aufgaben über das Semester vor; es ist letztlich aktuell nur einfacher Ablaufplan.

„Online“ ist keine Maske

Vorweg sei gesagt, dass ich der Meinung bin, dass es bei der Umsetzung von Lehre und Lernen in den virtuellen Raum momentan nicht darum gehen kann, online das zu imitieren, was sonst in einer Präsenzsitzung in Lehrräumen eines Hochschulgebäudes passiert. Ich verstehe „online“ nicht als Maske, die einfach auf das Gesicht eines Kurses gelegt wird und alles läuft sonst weiter wie gewohnt, also etwa in den üblichen 14 Sessions eines Sommersemesters. Von den Lernzielen der jeweiligen Kurse (und Module) ausgehend sind die Lehr- und Lernformen sowie die Formen der aktiven Teilnahme neu zu denken.

Kursmaterial und Aufgaben habe ich in meinen Kursen bisher immer über Blackboard zur Verfügung gestellt; auch die Kurskommunikation funktionierte stets darüber. Was jedoch eher im Präsenzunterricht stattfand, war das Präsentieren von Inhalten, Gruppenarbeit, Diskussionsrunden, Feedback zum Lernprozess, und so weiter. Eben für diese Aktivitäten galt es für mich zu reflektieren, welche Ziele ich damit überhaupt verfolge und wie sie im Verhältnis zu den Gesamtlernzielen stehen.

Wofür wird Unterrichtszeit überhaupt aufgewendet?

Ein Übersetzungskurs lief bei mir bisher so ab, dass die Studierenden zunächst bis zu einem Datum x Übersetzungen einzureichen hatten. Anschließend habe ich die Übersetzungen anonymisiert zusammengestellt oder interessante Varianten herausgegriffen, die dann in der folgenden Sitzung diskutiert wurden. Alternativ habe ich die anonymisierten Übersetzungen am Anfang einer Sitzung verteilt, sodass die Studierenden sich einmal eine andere Übersetzung anschauen konnte. Meiner Erfahrung nach fällt es Studierenden durchaus leichter, wenn sie nicht unbedingt von vornherein ihre eigene Übersetzung vortragen müssen. Oft genug kamen sie während des Vortragens der Fremdübersetzung schon zu Erkenntnissen hinsichtlich ihrer eigenen Übersetzung und brachten diese dann auch in die Diskussion ein.

(Das „Einschmuggeln“ von meinen eigenen Übersetzungen oder aber von bereits veröffentlichten Übersetzungen führte zu spannenden Beobachtungen; etwa einerseits, dass die Übersetzungen der Studierenden sprachlich so exzellent waren, dass sie solche von professionellen Übersetzern übertrafen; oder andererseits, dass das Diskutieren anonymisierter Übersetzungen generell die Hemmschwelle absenkt, sich konstruktiv-kritisch zu einer Übersetzung zu äußern, egal, wer der Urheber ist. Dazu an in einem späteren Beitrag mehr.)

Bei der Diskussion im Unterricht ging es vor allem um Fragen zu Übersetzungsvarianten, komplexe Phänomene der Grammatik, Beschreibungsmöglichkeiten für den Übersetzungsvergleich, Maßstäbe zur qualitativen Beurteilung von Übersetzungen sowie das kritische Hinterfragen solcher Beurteilungen. Dementsprechend diente diese Form der aktiven Teilnahme dazu, Argumentations- und Reflexionskompetenz zu entwickeln: Die Studierenden beschäftigen sich mit einer fremden Übersetzungen, vergleichen diese mit ihrer eigenen, äußern sich in mündlichen Redebeiträgen zu gezielten Fragen der Grammatik oder Varianz, und sie argumentieren mittels eines Begriffsrepertoires  der Translationswissenschaft und der Literaturkritik für oder wider bestimmte Übersetzungsentscheidungen.

Diskussionsforum und monatliche Live-Sessions

Für meinen Kurs Übersetzen aus dem Arabischen und ins Arabische gilt es nun,  diese Argumentations- und Reflexionskompetenz anders zu ermöglichen als über in-class discussions. Als virtuellen Raum nutze ich dafür eine Komponente in Blackboard, die es erlaubt, ein Diskussionsforum zu erstellen. In diesem sollen Studierende schriftlich die Übersetzungen kommentieren und diskutieren. In monatlichen Live-Sessions, für die ich zunächst 60 Minuten angesetzt habe, sollen die Kommentare aus dem Forum aufgegriffen und noch einmal mündlich reflektiert werden.

Mein Semesterplan für diesen Kurs gestaltet sich dementsprechend:

  • 21.4.2020 – 1. Live-Session: Einführung, 1. Textauswahl (je ein Text Arabisch-Deutsch/Englisch und Deutsch/Englisch-Arabisch)
  • bis 28.4.2020 – Deadline zur Einreichung der 1. Übersetzungsaufgabe
  • bis 5.5.2020 – Diskussion im Forum: bestenfalls kommentiert jeder jede Übersetzung!
  • 12.5.2020 – 2. Live-Session: Zusammenfassung der Forumsdiskussion, 2. Textauswahl, 1. Evaluation des Prozederes
  • bis 19.5.2020 – Deadline zur Einreichung der 2. Übersetzungsaufgabe
  • bis 26.5.2020 – Diskussion im Forum: bestenfalls kommentiert jeder jede Übersetzung!
  • 2.6.2020 – 3. Live-Session: Zusammenfassung der Forumsdiskussion, 3. Textauswahl
  • bis 9.6.2020 – Deadline zur Einreichung der 3. Übersetzungsaufgabe
  • bis 16.6.2020 – Diskussion im Forum: bestenfalls kommentiert jeder jede Übersetzung!
  • 23.6.2020 – 4. Live-session: Zusammenfassung der Forumsdiskussion, 2. Evaluation des Prozedere; Hinweise zur mündlichen Prüfung (6 Texte, je 3 pro Richtung)
  • bis 14.7.2020 eigenständige Übersetzung der Texte mit eigenständiger Diskussion im Forum
  • 14.7.2020 mündliche Prüfung/Fachgespräch*: Übersetzen von 2 zufällig ausgewählten Texten (je einer pro Richtung), Gespräch über die Übersetzung, Gespräch über Methoden des Übersetzens allgemein.

*Wie bereits im vorherigen Beitrag angedeutet, ist aktuell noch nicht klar, ob und – wenn ja – wie mündliche Prüfungen/Fachgespräche im Sommersemester 2020 absolviert werden können. Meines Erachtens nach ließe sich die Prüfung, wie ich sie fürs Erste erdacht habe, auch remote umsetzen; sobald Informationen zu diesem Thema vorliegen, werde ich die Prüfungsleistung entsprechend anpassen und die Vorbereitung dazu gezielt in die Live-Sessions einbauen.

Punktuelles synchrones Lernen

Wie der Semesterplan zeigt, streue ich regelmäßig Live-Sessions in die sonst ausschließlich asynchron stattfindende Lernsituation ein. Die Studierenden können innerhalb der Woche die Aufgabe (Übersetzung, Kommentar) in ihrem eigenen Tempo und zu einem selbstgewählten Zeitpunkt erledigen. Der Lernerfolg wird dadurch abgefragt, dass die Übersetzungen jeweils zu einem bestimmten Datum eingereicht sein müssen, denn sie bilden die Grundlage für die Aufgabe der jeweils nächsten Woche, das Kommentieren im Forum. Die Forumsaktivität wiederum bildet die Basis für die Diskussion in den Live-Sessions. In diesem Sinne sind asynchrones und synchrones Lernen in diesem Kurs verwobene Interaktionen.

So viel zunächst zur Planung meiner sprachpraktischen Übung Übersetzen aus dem Arabischen und ins Arabische.

Kommentare und Anmerkungen sind willkommen!

Übersetzungskurs als sprachpraktische Übung – erste Ideen

Bevor ich noch eine Ermunterung zum Austausch verfasse, wozu sich die Kommentarfunktion eines solchen Blogs natürlich wunderbar eignet, möchte ich einige erste Ideen für die Online-Umsetzung einer sprachpraktischen Übung vorstellen.

Es geht um folgenden Kurs:

  • Kurstitel: Übersetzen aus dem Arabischen und ins Arabische
  • Lehr- und Lernform: sprachpraktische Übung
  • zugehörig zum Modul: erweiterte und angewandte Sprachkompetenz Arabisch
  • Studiengang: MA Arabistik
  • Fachsemester: 2

Backward design

Es ist ganz wahr, was die Philosophie sagt, daß das Leben rückwärts verstanden werden muß. Aber darüber vergißt man den andern Satz, daß vorwärts gelebt werden muß.

∼ Søren Kierkegaard , aus den Tagebüchern

Fast in diesem Sinne versuche ich in der Entwurfsphase meine Kurse zuerst ‚von hinten‘ zu verstehen, das heißt von den Kurszielen her, bevor ich meinen Semesterplan gestalte. Dieser Ansatz ist natürlich weder neu noch stammt er von mir; 1998 haben Grant Wiggins und Jay McTighe in Understanding by Design skizziert, wie man „backward design“ einsetzen kann, um sicherzustellen, dass alle verschiedenen Elemente eines Kurses aufeinander abgestimmt sind. Man arbeitet sich also von hinten nach vorne durch, definiert zuerst messbare Ziele, entwickelt anschließend Aufgaben, anhand derer man beurteilt, ob die Studierenden die Ziele erfüllen, um schließlich die regelmäßigen Aktivitäten für den Unterricht zu planen, die Studierenden helfen, das Material zu verstehe und verschiedene Aufgaben erfolgreich zu absolvieren.

Qualifikationsziele und Kursinhalte

Dementsprechend habe ich für den Kurs Übersetzen aus dem Arabischen und ins Arabische bisher folgende Qualifikationsziele formuliert:

  • Die Studierenden haben ein Verständnis für unterschiedliche Textarten und ihre sprachlichen Charakteristika und wie sich diese auf den Übersetzungsprozess auswirken;
  • sie entwickeln Übersetzungskompetenzen durch aktive Teilnahme in Übersetzungsaufträgen und deren Kommentierung;
  • sie kennen deutsch- bzw. englischsprachige Terminologien zur Beschreibung von Übersetzungsphänomenen;
  • sie können Übersetzungen vergleichen und kritisch diskutieren;
  • sie verstehen den Aspekt der kulturellen Diversität beim Übersetzen und verfügen über Kategorien zur qualitativen Analyse von Übersetzungen;
  • sie haben ein Bewusstsein für die Etikette bei der Kommunikation in Diskussionsforen.

Aus diesen Stichpunkten ist ersichtlich, dass ich mich bereits vor der Formulierung der Qualifikationsziele für ein vorrangig asynchrones Lehrformat entschieden hatte, dass auf geringe Unmittelbarkeit setzt und keiner hohen Bandwidth bedarf. Hauptmedium der Interaktion zwischen Studierenden untereinander sowie zwischen den Studierenden und mir soll ein Diskussionsforum in Blackboard sein.

Meine Vorstellung ist, dass die Studierenden im Abstand von drei Wochen jeweils (mindestens) zwei Texte übersetzen, einen aus dem Arabischen und einen ins Arabische. Für das Einreichen der Übersetzungen erstelle ich Aufgaben in Blackboard; hier laden die Studierenden bis zu einem zuvor festgelegten Zeitpunkt ihre Übersetzungen hoch.

Anschließend übertrage ich diese Übersetzungen anonymisiert in das Diskussionsforum in Blackboard. Die Studierenden haben dann die Aufgabe, die eingereichten Übersetzungen in Beiträgen zu kommentieren und zu diskutieren. Dafür haben sie eine Woche Zeit.

Die nächste Woche dient dann Überarbeitung der eigenen Übersetzungen sowie der Vorbereitung auf eine Live-Session, also eine Videokonferenz, bei der die Studierenden und ich gleichzeitig – also synchron – zusammenkommen und in „Echtzeit“ interagieren. Hier soll noch einmal mündlich über die Übersetzungen diskutiert werden. Hierfür setze ich zunächst eine Stunde an. In der Videokonferenz werden auch die Texte für die nächste Übersetzungsaufgabe festgelegt, ggf. auf Vorschlag der Studierenden. In der ersten Live-Session soll diese Struktur auch schon ein erstes Mal evaluiert werden, wobei auch das Diskussionsforum Möglichkeit zur Zwischenevaluation bietet.

Sofern sich dieser Rhythmus aus erstens Übersetzungsaufgabe, zweitens schriftlichem Kommentieren, drittens mündlichem Diskutieren beim ersten Mal bewährt, wiederholt er sich bis zum Ende der Vorlesungszeit noch zweimal. Damit übersetzen die Studierenden insgesamt mindestens 6 Texte im Kursverlauf.

Da im Mittelpunkt dieses Kurse das Übersetzen steht, habe ich die Kursinhalte entsprechend knapp gehalten:

  • Die Studierenden üben das Übersetzen von Texten unterschiedlicher Art aus dem Arabischen und ins Arabische;
  • sie erarbeiten sich selbstständig einen Einblick in moderne Übersetzungstheorien und wenden entsprechende Analysekategorien der Translationswissenschaft für die Diskussion verschiedener Übersetzungsmöglichkeiten an;
  • die Diskussion der Übersetzungen findet vorrangig im Forum in Blackboard statt und wird in drei Live-Sessions zusammengefasst.

Was noch offen ist …

Welche Primärtexte?

Ich habe mich noch nicht entschieden, welche Texte ich mit den Studierenden übersetze, obwohl ich meist sofort zu Gedichten neige. Allerdings möchte ich in der ersten Live-Session mit den Studierenden über verschiedene Gattungen, Arten, Sorten von Texten sprechen, sodass wir uns vielleicht gemeinsam auf zwei Texte für die erste Übersetzungsaufgabe einigen.

Auch für die weiteren Übersetzungsaufgaben möchte ich eigentlich Input der Studierenden einholen. Es geht in dem Kurs nicht darum, Texte zu einem bestimmten Thema oder von einem bestimmten Autor oder aus einer bestimmten Zeit zu übersetzen, sondern sich eben genau vor Augen zu führen, inwiefern unterschiedliche Texte unterschiedliche Übersetzungsmethoden verlangen, vielleicht aber auch Gemeinsamkeiten in den Übersetzungsergebnissen aufweisen.

Welche Sekundärtexte?

Für die Diskussion der eingereichten Übersetzungen müssen sich die Studierenden eigenständig ein angemessenes Analysevokabular aus dem Bereich der Translationswissenschaften aneignen. Entsprechende Literaturhinweise stelle ich in Blackboard bereit, gebe jedoch nicht vor, welche Texte davon durchzuarbeiten sind. Selbst wenn ich alle diese Texte als sinnvoll und für die Diskussion zuträglich erachte, gehe ich davon aus, dass manche Studierende auch ohne die Bearbeitung theoretischer Texte konstruktive Kommentare zu Übersetzungsvarianten und Übersetzungsmöglichkeiten verfassen können. Vielleicht stoßen die Studierenden bei ihren Recherchen auch auf Sekundärtexte, die ihnen als noch besser geeignet oder verständlicher erscheinen als diejenigen, die ich vorausgewählt habe. Auch für die Diskussion um Sekundärtexte bietet sich das Forum an.

Etikette bei der Kommunikation in Online-Foren

Ich habe noch keine Ausschau nach Blogbeiträgen oder gar Sekundärliteratur zum Verhalten in Online-Foren gehalten, denke aber, dass es durchaus sinnvoll ist, eine Art Code of Conduct zu präsentieren. Vorschläge willkommen!

Prüfungsleistung

Das Modul sieht eine mündliche Prüfung bzw. ein Fachgespräch (ca. 20 Minuten) als Prüfungsleistung vor. Ob und – wenn ja – wie diese im Sommersemester 2020 kontaktlos umgesetzt werden kann, ist noch nicht klar.

Meine Vorstellung ist, dass die Studierenden nach der letzten Live-Session die im Kurs behandelten Texte intensiv vorbereiten. In der mündlichen Prüfungen wählen die Studierenden blind jeweils einen arabischen und einen nicht-arabischen Text. Aus diesen beiden Texten übersetzen sie dann jeweils einen angemessen Teil während der mündlichen Prüfung, bevor wir über verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten und Terminologien, mit deren Hilfe sich Übersetzungen beschreiben lassen, ins Gespräch kommen.

Abschließend …

Diese Ideen zur sprachpraktischen Übung Übersetzen aus dem Arabischen und ins Arabische sind noch nicht in Gänze ausgearbeitet; sehr wahrscheinlich habe ich noch nicht alles bedacht, was es zu bedenken gibt. Auch gibt es sicherlich andere Möglichkeiten, einen solchen Übersetzungskurs als distant learning course aufzuziehen. Über entsprechende Ideen und Vorschläge oder einfach Gedanken in den Kommentaren zu diesem Beitrag freue ich mich!

Selbst bei einem zu Anfang eines Semesters relativ feststehenden Lehrplan habe ich mir immer erlaubt, flexibel auf Rückmeldungen von Studierenden zu reagieren, den Arbeitsaufwand anzupassen oder Literatur- und Themenwünsche unterzubringen. Auch dieser Kurs wird da keine Ausnahme bilden; eher setze ich auf eine aktive Rückmeldung durch die Studierenden nach dem ersten Durchlauf der von mir konzipierten Struktur, sodass ich die Lernerfolgskontrollen der dann folgenden Wochen ggf. anpasse und entsprechend der Qualifikationsziele weiterentwickle.

Im nächsten Beitrag folgt wahrscheinlich ein zeitlicher Überblick zu diesem Kurs.

Bis auf Weiteres …