Studierende online motivieren und begleiten – Gedanken zu einem Webinar

Nachdem ich gut in das kreative Sommersemester 2020 gestartet bin, wollte ich mich intensiver damit beschäftigen, wie im virtuellen Raum eine positive Lernatmosphäre gestaltet werden kann und wie Studierende auch in asynchronen Lehr- und Lernformaten aktiviert und begleitet werden können. Hierzu besuchte ich ein Webinar, das vom SUPPORT für die Lehre der Freien Universität angeboten wurde, zum Thema ‚Studierende online motivieren und begleiten‘.

Die Frage, die sich mir hier natürlich zunächst stellte, war, was überhaupt aus der On-Campus-Lehre in den virtuellen Raum übertragbar ist. Dabei stellte ich für mich fest, dass ich Live-Sitzungen zwar durchaus in ähnlicher Weise für Austausch und Diskussion nutzte, aber dass ich diesen Live-Sitzungen viel mehr ‚Sinn‘ geben wollte.

Ich wollte nicht einfach jede Woche eine synchrone Sitzung durchführen, in der ich Impulsvorträge gebe und wir dann in der Runde mit den Studierenden zum Austausch über Texte übergehen, die zuvor durchzuarbeiten waren. Überhaupt ist das eine Form des Lehrens, die mir selbst gar nicht so zusagt. Natürlich sehe ich den Nutzen im mündlichen Austausch über Primär- oder Sekundärtexte; und ich halte dies sogar für einen Kernaspekt des Studiums. Dies aber eins-zu-eins in den virtuellen Raum übertragen zu wollen, halte ich für eine Verschwendung des Potenzials, das Lehre und Lernen im virtuellen Raum bietet.

Das Potenzial des Lehrens und Lernens im virtuellen Raum sollte nicht verschwendet werden, indem man auf Biegen und Brechen versucht, das übliche oder ’normale‘ Präsenzstudium auf dem Campus einer Universität durch wöchentliche 90-minütige Live-Sitzungen zu übertragen.

Meine Meinung

Also versuchte ich, den synchronen Live-Sitzungen jeweils einen ‚Sinn‘ zu geben, und – zugegeben – bei manchen Lehrveranstaltungen empfand ich es als überhaupt nicht notwenig, eine Live-Session zu durchzuführen, wie ich es sonst in einem Unterrichtsraum tun würde. Dies war schlichtweg nicht der Ansatz, den ich in diesem Semester verfolgte – wie ich überhaupt meinen Unterricht selten so gestalte, dass ich wie ein Theaterschauspieler auf einer Bühne etwas präsentiere und die Studierenden nur zuschauen und konsumieren. Ich sehe Studierende nicht als bloße Konsumenten.

Studierende sind für mich nicht bloße Konsumierende, denen man Inhalte präsentiert als wäre man ein Schauspieler auf einer Theaterbühne.

Meine Meinung

Ich finde, Studierende sollten die Möglichkeit haben, ihr Studium mitzugestalten, das heißt in Lehrveranstaltungen nicht nur ‚aktiv‘ Arbeitsaufträge vollführen, um im Campus Management die aktive Teilnahme bestätigt zu bekommen und später die Modulprüfung erfolgreich zu absolvieren; nein, es bedeutet, die Lehrveranstaltung mit ihnen zu designen, sich auf die Studierenden einzulassen und mit der Erfahrung, die man als Lehrender hat, Kurse zu schaffen, die verschiedene Denkansätze eröffnen und kritisches Reflektieren ermöglichen, ohne auf eine bestimmte ‚Wahrheit‘ oder eine Reihe von Fakten hinzuarbeiten.

Aus diesem Grund tat ich mich mit den Methoden, die uns im Webinar ‚Studierende online motivieren und begleiten‘ geboten wurden, schwer, auch weil sie vor allem auf das Motivieren in synchronen Live-Sitzungen abzielten. Ich empfand meine eigenen Live-Sitzungen aber als purposeful genug, auch weil ich eher zu wenige als zu viele angesetzt hatte – jeweils mit konkreten Arbeitsaufträgen verbunden und eingebettet in den Ablauf der jeweiligen Lehrveranstaltung. Dies war vor allem in der sprachpraktischen Übung ‚Übersetzen aus dem Arabischen und ins Arabische‘ im Masterstudiengang Arabistik der Fall, wo die Live-Sessions jeweils dazu dienten, die Übersetzungen zu diskutieren. Die Frage der Motivation stellte sich aus meiner Perspektive hier gar nicht; Tools wie Mentimeter konnte ich hier nicht anwenden.

In andere Kursen, zum Beispiel im Seminar ‚Araber und Orient in Hollywood‘ im Bachelorstudiengang ‚Geschichte und Kultur des Vorderen Orients, Schwerpunkt Arabistik‘, waren eher sprechstundenartige Live-Sitzungen nötig; der Austausch fand intensiv und ausführlich in schriftlicher Form im Diskussionsforum in Blackboard statt. Auch hier stellte sich die Frage der Motivation nicht.

Dennoch denke ich, dass Tools wie Mentimeter oder Pingo eine gute Möglichkeit sein könne, überhaupt eine Session – egal ob on-campus oder online – abwechslungsreicher zu gestalten. Gerade bei Einführungskursen kann ich mir gut vorstellen, dass das Erstellen einer Word-Cloud mit hilfe von Mentimeter praktisch sein kann, um Vorwissen zu sammeln. Ich denke, dass ich dies einmal im nächsten Semester testen werde.

Sessions kleinteilig zu designen, hilft dabei, sich den Mehrwert von Formen der aktiven Teilnahme für die Studierenden zu vergegenwärtigen.

Meine Meinung

Abgesehen davon kann es durchaus sinnvoll sein, eine Session kleinteilig zu sezieren und zu designen – fast schon wie ein Drehbuch, wobei natürlich Spielraum für Spontaneität gelassen werden sollte. Sich mehr Gedanken über den Ablauf einer einzelnen Session zu machen, hilft aber auch, den Sitzungen und ihren Einzelteilen einen Sinn zu geben, etwa was das Erlangen von Kompetenzen oder das Vermitteln von Inhalten angeht.

Meiner Meinung nach muss es einem als Lehrender gelingen, den Studierenden den Mehrwert in Formen der aktiven Teilnahme, Aufgaben oder überhaupt in der Teilnahme an Live-Sitzungen zu vermitteln. Wenn einem dieser Mehrwert selbst nicht klar ist, sollte man überlegen, ob bestimmte Arten des Lehrens oder bestimmten Aufgaben überhaupt sinnvoll sind oder ob sie nur dazu dienen, dass man für sich selbst behaupten kann, man würde ‚lehren‘.

Ich für meinen Teil werde mich in Zukunft noch intensiver damit beschäftigen, wie ich Studierenden in meinen Kursen begreifbar machen kann, was ‚Studieren‘ überhaupt bedeutet und was aus den verschiedenen Aufgaben für sich mitnehmen. Das sind durchaus ’simple‘ Erkenntnisse wie dass es eine schier unschätzbare Kompetenz ist, ein Thema in einem eng abgesteckten Rahmen von 3000 oder 6000 Wörtern reflektiert zu betrachten und überzeugend zu argumentieren; ähnlich verhält es sich mit Wissens- oder Zeitmanagement.


I-Search-Paper – eine Schreibaufgabe ‚mit Biss‘?

Inspiriert vom Online-Workshop „Digitale Schreibaufgaben ‚mit Biss‘ zur Strukturierung meiner Online-Lehre“ von SUPPORT für die Lehre habe ich mir Gedanken darüber gemacht, ob es nicht gut wäre, wenn Studierende im Bachelorstudium einmal schriftlich ihre Recherchepraktiken zu einem Thema reflektieren würden und dabei gleichzeitig auch Formen des wissenschaftlichen Schreibens üben könnten.

Meine Überlegungen rühren daher, dass ich immer wieder merke, dass für Studierende vor allem das Recherchieren und Lesen von Quellen und Herausarbeiten von Informationen und Strukturieren dieser Informationen für die eigene Argumentation eine Herausforderung bildet. Aber ohne angemessene Recherche lässt sich keine schriftliche Prüfungsleistung à la Hausarbeit erfolgreich bewerkstelligen. Lesen und das Verarbeiten des Gelesenen bilden die Grundlage jeglicher schriftlichen Auseinandersetzung in wissenschaftlicher Form. Dabei geht es gleichermaßen um das Lesen von Primär- wie Sekundärquellen – und im Falle meines Seminars Araber und der Orient in Hollywood geht es sogar nicht nur um blanke Literatur, die gelesen wird, sondern auch um Filme, die gesehen werden. Dennoch gelten für Filme als zu bearbeitendes oder zu Rate zu ziehendes Material für eine schriftliche Studienarbeit dieselben Regeln: Ich komme nicht umher, tatsächlich Filme zu schauen, tatsächlich Texte zu lesen, um eine Hausarbeit in diesem Seminar erfolgreich schreiben zu können.

Recherchieren bedeutet Selektieren

Recherchieren bedeutet nicht nur, genau die Texte zu lesen, die ich dann tatsächlich für eine Hausarbeit brauche. Wenn ich für eine 10-seitige Hausarbeit am Ende vielleicht 10 Quellen verwertet habe, so habe ich weit mehr als nur diese 10 Quellen gelesen. Ich habe selektiert, vielleicht aus doppelt oder dreifach so vielen Quellen wie ich letztlich in der Arbeit verwende. Nicht alles erweist sich als zuträglich zu dem Thema, das ich in dem jeweiligen Moment bearbeiten will. Trotzdem ist das ‚Scannen‘ solcher dann ‚Ausschussware‘ ein Prozess, der das Reflektieren und Evaluieren von Quellen trainiert; er gehört zum wissenschaftlichen Arbeiten dazu.

Meines Erachtens kann dieser Prozess des Recherchieren noch mehr in den Mittelpunkt gerückt werden, wenn es darum geht, Studierende in das wissenschaftliche Arbeiten einzuführen. Denn das Schreiben steht eigentlich nicht am Anfang einer Hausarbeit. Oftmals nimmt die Recherche sogar mehr Zeit in Anspruch als das tatsächliche Schreiben – auch deswegen, weil Recherchieren ja selbst auch Formen des Schreibens beinhaltet, nämlich das Exzerpieren und gegebenenfalls das Zusammenfassen sowie das Herausarbeiten von Zitaten.

Die folgende Flow-Chart verdeutlicht diesen Prozess:

Aber wie kann dieser Prozess des Recherchierens auch schriftlich fassbar gemacht werden?

Meine Idee ist, Studierende ein I-Search-Paper schreiben zu lassen.

Die Geschichte der eigenen Recherche erzählen

Die Idee eines I-Search-Papers (Macrorie, 1998) ist es, die Neugier an einem Thema in den Vordergrund zu stellen und Studierende die Geschichte ihrer eigenen Recherche erzählen und damit reflektieren zu lassen.

Als Genre macht sich ein I-Search-Paper Formen von Metakognition zu Nutze: Studierende schenken den verschiedenen Schritten des Rechercheprozesses Aufmerksamkeit und formulieren diese schriftlich aus und reflektieren so über die Wichtigkeit dieser verschiedenen Schritte von der Themenfindung bis hin zum Entdecken und Verwerfen von Quellen.

Bestenfalls erfüllt ein I-Search-Paper damit einen doppelten Zweck:

  1. Es schafft ein Bewusstsein über den Rechercheprozess und
  2. es gibt Möglichkeit, Schreiben in einem weniger formellen Rahmen als den einer Hausarbeit zu üben.

Ein Charakteristikum eines I-Search-Papers ist es, das Interesse des Lesers für das eigene Thema zu wecken. Dabei wird die Ich-Perspektive akzentuiert – etwas, was sonst im wissenschaftlichen Schreiben kaum einen Platz hat. Dabei kann autorenzentriertes Schreiben durchaus bestimmte Blockaden lösen.

Schreiben, um Wissen zu schaffen

Manchmal berichten Studierende davon, dass sie das Gefühl haben, Hausarbeiten so schreiben zu müssen, dass es den Dozierenden ‚gefällt‘, damit sie die besten Noten bekommen. Dies führt zu allerhand Blockaden im Schreiben: Man übersieht interessante Ansätze, weil man nur darauf fokussiert ist, genau diejenigen Argumente zu finden, die Dozierende selbst verwendet haben oder aber die sie überzeugen werden.

Ich persönlich will aber gar keine Hausarbeiten lesen, in denen meine eigenen Meinungen über Themenstellungen und meine eigenen Antworten auf Fragestellungen nacherzählt werden. Ich muss nicht mit meinen Studierenden einer Meinung zu einem Hausarbeitsthema sein; mir muss nicht mal das Thema gefallen, geschweige denn die Antwort auf die Fragestellung. Was stimmig sein muss, ist die Argumentation – und nur daran messe ich erfolgreiche Hausarbeiten:

Ist die Fragestellung klar abgesteckt und ist der Weg zur Beantwortung dieser Fragestellung schlüssig argumentiert.

Und sollte es keine Antwort auf eine Fragstellung geben können: Wird deutlich gemacht, warum es im Rahmen dieser oder jener Hausarbeit keine abschließende Antwort auf eine Frage geben kann.

Nicht mehr und nicht weniger.

Ich bin der Meinung, dass ich gegenüber den Studierenden noch deutlicher machen kann, dass es beim wissenschaftlichen Schreiben tatsächlich darum geht Wissen zu schaffen. Und Wissen wird eben erst zu Wissen, wenn es kommuniziert wird und sich an anderem Wissen spiegelt – quasi in einen Diskurs tritt.

Ein I-Search-Paper verfolgt hier eher die Strategie der Selbsterkenntnis: Bestenfalls profitieren Studierende davon, sich ihre eigenen Rechercheprozesse bewusst zu machen und diese vielleicht auch zu evaluieren und für die nächste Hausarbeit oder gar die Abschlussarbeit gegebenenfalls anzupassen. Aber auch für mich als Dozierende kann das Lesen von studentischen I-Search-Papers erhellend sein: Bestenfalls erfahre ich etwas über die Recherchefähigkeiten der Studierenden und kann den Unterricht entsprechend gestalten. Insgesamt stelle ich mir den Prozess eines I-Search-Papers wie folgt vor:

Die Flow-Chart ist nicht wirklich ausgereift.

Konkrete Schreibaufgabe: Themenfindung

Im Rahmen des Online-Workshop „Digitale Schreibaufgaben ‚mit Biss‘ zur Strukturierung meiner Online-Lehre“ von SUPPORT für die Lehre entwarf ich die folgende, eher einfache Schreibaufgabe, die lediglich der Themenfindung dient:

Formulieren Sie drei potenzielle Themen für ein I-Search-Paper. Ein Thema kann eine Aussage oder eine Frage sein, sollte aber nicht länger als ein Satz sein.

Wichtig ist, dass ein Thema Sie interessiert. Sollten Sie aktuell damit nicht weiterkommen, können Sie ein paar Strategien anwenden, um Themen zu generieren; zum Beispiel können Sie (a) Triggerphrasen nutzen wie: Ich wollte schon immer etwas zu diesem Film/dieser Serie herausfinden … ODER Ich wollte schon immer wissen, wie … ODER Ich bin auf diesen Film/diese Serie/diese Szene gestoßen und frage mich … (b) Sie können eine Bestandsaufnahme der Bücher machen, die Sie schon immer mal gern lesen wollten oder von Artikeln, die Sie in den vergangenen Wochen gelesen haben und die Sie interessieren. (c) Sie können eine Prioritätenliste anfertigen von Themen/Fragen/Gegenständen, die Ihnen besonders wichtig sind oder für die Sie sich interessieren und können diese Prioritäten dann mit den Seminarthemen vergleichen.

Machen Sie ein Brainstorming über so viele mögliche Themen, die Sie interessieren, bevor Sie sich entscheiden.

Ob dies eine Schreibaufgabe ‚mit Biss‘ ist, weiß ich allerdings nicht 🙂

Ich bin mir noch unschlüssig, ob ich den Studierenden im Seminar Araber und der Orient in Hollywood die Option geben werde, ein I-Search-Paper als Prüfungsleistung zu verfassen, denn eigentlich habe ich bisher nicht konsequent auf dieses Genre hingearbeitet. Nichtsdestotrotz halte ich die Form des I-Search-Papers für eine gute Möglichkeit, Studierende früh in das reflektierte Schreiben einzuführen, ohne Sie gleich mit den Formalia und Argumentationsstrategien einer wissenschaftlichen Hausarbeit zu konfrontieren. Ein I-Search-Paper kann einen Übergang zur zum wissenschaftlichen Schreiben bilden, da es einen seiner Hauptprozesse – nämlich das Recherchieren – explizit zum Thema macht und gleichzeitig ähnliche Strukturierungs- und Organisationsformen von Wissen und Erkenntnissen gebraucht.


Macrorie, K. (1998).  The I-Search Paper: Revised Edition of Searching Writing.  Portsmouth, NH: Heinemann-Boynton/Cook.

Weniger Dozent, mehr Student

Interaktion ist ein Schlüsselelement für die Qualität des Online-Lernens. Austauschmöglichkeiten können beispielsweise durch ein asynchrones Online-Diskussionsforum geschaffen werden.

Ein solches richtet ich für mein Bachelorseminar Araber und der Orient in Hollywood in der Online-Lernumgebung Blackboard ein. Mein Ansatzpunkt war, dass sich durch Online-Diskussionsforum vielleicht Lernaktivitäten verstehen und durch die Transparenz des Schriftlichen durchlässiger gestalten lassen.

Nutzen von Online-Diskussionsforen – für Studierende

Die Vorteile schriftlicher Diskussion in einem Online-Forum bestehen meines Erachtens nach in zwei Dingen:

  1. Die Studierenden haben Zeit, ihre Antworten auszuarbeiten und darüber nachzudenken, was für einen Beitrag sie in welcher Forum leisten wollen. Meiner Wahrnehmung nach neigen die Gespräche dazu, tiefer zu sein, was sicherlich damit zusammenhängt, dass schriftliche Beiträge als weniger flüchtig empfunden werden als Redebeiträge und die Studierenden ihren Antworten im Forum durch Recherche mehr Gewicht verleihen.
  2. Der Aufbau von Wissen erfolgt im Austausch und wird direkt an den Gedankengängen der Mitstudierenden gespiegelt.  So fungiert ein Forum auch als verbindendes Element.

Vorteile von Online-Diskussionsforen – für mich als Dozentin

Unabhängig vom Nutzen asynchronen Diskutierens für Lernerfolge, birgt der Einsatz eines Online-Diskussionsforums für mich als Dozentin mindestens zwei Vorteile:

  1. Wissen wird schriftlich festgehalten. Alles bleibt auf der Plattform und ist über das gesamte Semester hinweg nachlesbar. Diskussionen in einem Online-Forum sind weniger flüchtig als face-to-face-Diskussionen im Unterrichtsraum, die ja auch meist in keiner Weise schriftlich festgehalten werden. In einem Online-Forum ist der gesamter Ablauf einer Diskussion transparent: wer mit wem interagiert, welche Personen nicht teilnehmen, welche Personen was für Wissen einbringen, und so weiter. Dies hat natürlich wiederum Vorteile für Studierende: Während eine mündliche Unterrichtsdiskussion für Personen, die an einer Sitzung nicht teilnehmen konnten, nicht nachvollzogen werden kann, schafft ein Online-Forum genau das: Gedankenaustausch unabhängig von Präsenzstunden nachvollziehbar zu machen, sodass alle Teilnehmenden einer Lehrveranstaltung davon profitieren können. Unter Umständen kann die Implementierung eines Online-Diskussionsforums also für mehr Flexibilität in der Teilnahme am Wissensaustausch zwischen den Studierenden sowie zwischen Studierenden und der Dozentin sorgen.*
  2. Gedankengänge und Diskussionspunkte können visualisiert werden – und hiermit meine ich keine Darstellung in Graphen. Dadurch, dass die Interaktion zwischen den Studierenden schriftlich stattfindet, lässt sich für mich als Dozentin überblicken, welche Diskussionspunkte besonders häufig aufgegriffen werden, welche Terminologien dafür verwendet werden, auf welche Quellen besondern häufig zurückgegriffen wird, und so weiter. Solche Diskussionspunkte kann ich aufgreifen, in zusammenfassenden Beiträgen verdichten und kommentieren und so die Diskussion mit Blick auf Lernziele moderieren.

Zwischen Inaktivität und Nachrichtenflut – Schwierigkeiten der Betreuung

Vermutlich verfällt jede Lehrveranstaltung, die zum ersten Mal ein Online-Diskussionsforum als Teil der Lernaktivität implementiert in das ein oder andere Extrem: Es herrscht Austauschflaute oder es findet ein Über-Austausch statt. Beides kann durch dieselben Faktoren hervorgerufen sein, so kann zum Beispiel fehlendes adäquates Feedback der Dozentin dazu führen, dass nur ein geringes Maß an kognitivem Engagement vorherrscht und sich die Studierenden isoliert fühlen, was wiederum zu einem Mangel an Tiefe in der Diskussion führen kann, oder dass die Diskussion durch Eigendynamiken im Austausch unter den Studierenden übersteuert wird und weg vom Lernzielepfad führt.

Für mich als Dozentin ergibt sich vor allem bei einem Kurs mit vielen Teilnehmenden (aktuell knapp 40 in der Lehrveranstaltung Araber und der Orient in Hollywood) aus der Nachrichtenflut die Schwierigkeit der Begleitung und Betreuung. Es fällt schwer, mit allen Aktivitäten Schritt zu halten und zeitnah Feedback zu geben. Allerdings sehe ich es auch so, dass der Fortschritt einer Forumsdiskussion stark vom Beitrag der Dozentin abhängt – ebenso ist die Motivation der Studierenden, überhaupt am Forum teilzunehmen, an eine gewisse Präsenz der Dozentin geknüpft.

Präsenz der Dozentin ja, aber in Maßen

Wenn ich diesen Beitrag etwas überspitzt „Weniger Dozent, mehr Student“ betitele, so meine ich damit nicht, dass sich Dozierende in Online-Lehrveranstaltungen, in denen ein Diskussionsforum im Mittelpunkt steht, gänzlich aus der Wahrnehmung der Studierenden zurückziehen sollen. In Zeiten, in denen Distanz das bestimmende Element von Interaktion zwischen Studierenden und Dozierenden ist, gilt es, präsent zu sein.

Bevor ich dazu komme, was ich mit dieser Präsenz (in einem asynchronen Lehrformat) meine, möchte ich in Stichpunkten anführen, was sie für mich nicht bedeutet.

Präsenz in Online-Lehre bedeutet nicht
  • dass jede Sitzung eine synchrone Online-Sitzung sein muss, wenn eigentlich ein asynchrones Format für eine Lehrveranstaltung konzipiert wurde;
  • dass Dozierende mit Studierenden Einzelunterricht in one-on-one-Online-Meetings durchführen sollen;
  • dass den Studierenden im Online-Semester mehr Aufgaben gestellt werden, als sie im Rahmen eines Nicht-Online-Semesters bewältigen könnten;
  • dass Dozierende auf jeden Beitrag in einem Forum antworten;
  • dass Dozierende eine Forumsdiskussion mit eigenen Beiträgen dominieren sollen;
Qualität schlägt Quantität

Für mich geht es beim Präsent-Sein in Online-Lehre darum, die Präsenz bedeutungsvoll zu gestalten. Bedeutungsvolle Präsenz lässt sich kreieren, wenn man sich selbst eine Art ‚Skript‘ anlegt, nach dem das eigene Engagement abläuft; dies kann verschiedene Punkte beinhalten:

  • eine wöchentliche Ankündigung in Blackboard mit einer Übersicht über die Themen und Ziele der kommenden Woche und ein Recap der vergangenen Woche – ein Recap kann unter Umständen auch eine Form der aktiven Teilnahme durch Studierende sein;
  • eine Frage-Antwort-Sektion im Forum, in der Studierende explizite Fragen (auch technischer oder organisatorischer Natur) stellen können, die dann zeitnah von Dozierenden beantwortet werden können;
  • Online-Sprechstunden mit festen Zeiten;
  • quick and dirty Videobotschaften, in denen Missverständnis aus einer Forumsdiskussion geklärt werden können oder wichtige Punkte mündliche zusammengefasst werden können;
  • zeitnahe Rückmeldung zu Hausaufgaben;
  • in Online-Diskussionsrunden den Austausch mit den Studierenden suchen;

Konkret bedeutet dies für die Forumsdiskussion in meinem Seminar Araber und der Orient in Hollywood:

  • dass ich als Dozentin Diskussionsanreize schaffe (zum Beispiel durch Initialbeiträge) aber der Diskussion ansonsten ihren Lauf lasse und nicht auf jeden Beitrag antworte; Oberthemen für die kommenden Wochen sind festgelegt und Expertengruppen arbeiten sich jeweils in Oberthemen ein, sodass sie in der jeweiligen Woche qualitativ mehr Beitrag leisten können und die Diskussion mit ihren Beiträgen beleben können;
  • dass ich als Dozentin die Diskussionspunkte einer Woche zusammenfasse und sie innerhalb der Kurzziele verorte;
  • dass ich Möglichkeit zum Austausch mit den Expertengruppen biete, zum Beispiel durch eigens angesetzte Expertensprechstunden;
  • dass ich die Forumsdiskussion und die sich dort generierenden Informationen eng mit den Anforderungen der zu absolvierenden Prüfungsleistung (einer differenziert bewerteten Hausarbeit) verzahne;

Nicht Antworten, WIRKLICH NICHT

So lautete der Tipp aus einer Facebook-Gruppe namens Pandemic Pedagogy, als ich nachfragte, wie ich den Fokus einer Forumsdiskussion von meiner Person weg hin zu den Studierenden und ihrem Wissen und ihren Gedankengängen bewegen könne.

Dieser Tipp war wirklich wertvoll.

Denn ja, Dozierende mögen dazu neigen, alles ‚kontrollieren‘ zu wollen, um ja einen Kurs in die richtigen Bahnen zu lenken und sicherzustellen, dass Studierende Information X, Y, und Z wirklich verstanden und reflektiert haben. Daraus ergibt sich in einem schriftlichen Diskussionsforum nicht selten eine Dominanz der Dozierenden, die hemmend für den Fortschritt der Diskussion sein kann, weil die Aktivität der Studierenden dann immer vom Beitrag der Dozierenden abhängt.

Diese Abhängigkeit muss aber nicht sein; denn selbst, wenn ich als Dozentin mehr zu einem Thema weiß, geht es für mich nicht darum, mein Wissen als einzig richtige Wahrheit zu präsentieren und nur darauf hinzuarbeiten, dass Studierende reine Fakten meines Wissens rezitieren können. Mir geht es um Reflexionsvermögen und Recherchefähigkeit, auch um die Erkenntnis der Studierenden, dass sie selbst über Wissen verfügen oder sich solches aneignen können, das nicht weniger wert ist als das Wissen von mir als Dozentin.

Studere bedeutet ja ’sich eifrig bemühen‘ – und so sehe ich meine Aufgabe als Dozentin in der Begleitung und Betreuung eines Online-Diskussionsforums als Hauptaustauschplattform einer Online-Lehrveranstaltung darin, dieses Bemühen anzuerkennen, mit Anreizen zu füttern, Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen, es schlichtweg zu ermöglichen und zu unterstützen.


*Wie es sich verhält, wenn ein Online-Forum nicht alleiniger Raum für Diskussionen in einer Lehrveranstaltung ist, sondern mit face-to-face-Diskussion im Unterrichtsraum kombiniert wird, wäre zu prüfen. Meine Gedanken entstehen aktuell aus der Situation heraus, dass das Online-Diskussionsforum im Kurs Araber und der Orient in Hollywood die Hauptaustauschmöglichkeit bildet, an die auch die Lernziele angegliedert sind.

Expertengruppen und Oberthemen für Forendiskussion

Eine Forendiskussion in Blackboard mit mehr als 10 Teilnehmenden wird schnell unübersichtlich und es fällt schwer, Denkansätze, Termini, Diskussionspunkte so herauszuarbeiten, dass man noch halbwegs auf einem dann schon sehr breiten Pfad der Lernziele bleibt.

In meinem Kurs Araber und Orient in Hollywood sind aktuell knapp 40 Teilnehmende – an Live-Diskussionsrunden mit allen ist da nicht zu denken! Im Forum zeigt sich, dass die Teilnehmenden sehr viele spannende Ideen zu einzelnen, in den ersten Wochen eher brainstorming-artig herausgegriffenen Ideen haben und diese auch gern schriftlich diskutieren. Aktuell ist knapp die Hälfte der Teilnehmenden im Forum in der Diskussion aktiv. Aber schon nur mit diesen 20 Teilnehmenden entstand im Forum ein komplexes Netz an diskussionswürdigen Statements, das kaum zu rezipieren ist.

Die Rechnung ist da ganz einfach:

Nehmen wir an, ich lege als Dozentin 5 Themen im Diskussionsforum an – die selbstverständlich nicht sonderlich fern voneinander stehen, etwa ein Thema zu filmischen Adaptionen von 1001 Nacht und ein Thema zu Darstellungen von Dschinn – und schreibe je einen Intialbeitrag – also 5 Intialbeiträge insgesamt.

Selbst wenn nur 5 Teilnehmende lediglich auf meine Initialbeiträge antworten, so entstehen schon 25 Beiträge, die zu lesen und zu rezipieren wären. Wenn die Teilnehmenden dann auch noch untereinander antworten, potenziert sich das ganze weiter. Es wird schnell unübersichtlich; weder die Studierenden noch ich als Dozentin können auf Beiträge wirklich eingehen. Studierende berichteten in den ersten Experten-Live-Sessions, dass sie teilweise auch einfach nur gern mehr recherchieren, bevor Sie auf Beiträge im Forum antworten, dass während solche Recherchephasen aber schon so viele Beiträge mehr im Forum entstehen, dass man mit dem Sichten und Antworten einfach nicht hinterherkommt.

Wöchentliche Oberthemen

Meine Idee ist daher, die kommenden Wochen jeweils unter ein Oberthema zu stellen, um die Diskussion in gewissen Bahnen zu halten, trotzdem aber die Verbindungspunkte zum eigentlichen Seminarthema (Darstellung von ‚Arabern‘ und ‚dem Orient‘ in Filmen) präsent zu machen und übergreifende Begriffe (z. B. ‚Stereotyp‘, ‚racebending‘, ‚immersionsstiftend‘) herauszuarbeiten.

Im Folgenden die Oberthemen:

Woche vom 18.5. bis zum 24.5. Der Orient und Tricktechnik im Film
Woche vom 25.5. bis zum 31.5. Adaptionen literarischer Quellen
Woche vom 1.6. bis zum 7.6. historische Araber
Woche vom 8.6. bis zum 14.6. Araber als Bösewichte
Woche vom 15.6. bis zum 21.6. orientalisierende/arabisierende Architektur und Landschaft
Woche vom 22.6. bis zum 28.6. orientalisierendes/arabisierendes Kostüm- und Make-up-Design
Woche vom 29.6. bis zum 5.7. arabische Sprache

Expertengruppen

Den Oberthemen sind jeweils Gruppen von fünf bis sechs Studierenden zugeordnet, die sich zusammen (oder einzeln) eigenständig Expertise zu dem jeweiligen Thema erarbeiten. Die Idee hier ist schlicht, dass die jeweiligen Studierenden, z. B. der Expertengruppe ‚historische Araber‘, mehr gesehen und gelesen haben als die anderen Teilnehmenden; dementsprechend können Sie in der Diskussion der jeweiligen Oberthemenwochen Input geben, zu Diskussion anregen, Ideen eröffnen und so weiter.

 

 

 

 

 

 

Wiki oder Blog statt Diskussionsforum?

Ich erhoffe mir, dass die Diskussion mit so vielen Teilnehmern mit Hilfe der Oberthemen und Diskussionsgruppen (a) übersichtlicher und (b) gerichteter wird. Zwar erweist sich das brainstorming-artige Diskutieren zumindest fürs erste Sondieren von Ideen, Gedankengängen und Ansatzpunkten als dienlich; eine Dauerlösung ist es für mich aber nicht, zumindest nicht mit mehr als 10 Teilnehmenden.

Ich überlege noch, die Oberthemen eher in Blogform verhandeln zu lassen, einfach weil Blogs ggf. übersichtlicher sind und das Abonnieren besser funktioniert als im Blackboard-Diskussionsforen, wo ich die Möglichkeit des Abonnierens von Einzelfäden noch nicht gefunden habe. Oder vielleicht ist doch ein Wiki besser?

Hier mache ich mir noch Gedanken …


Notiz: Bestennfalls sollte in der Forenbeschreibung auch klargestellt werden, welches Features des Blackboard-Diskussionsforums nutzbar sind über das Semester; z. B. habe ich die Möglichkeit zum Löschen von Beiträgen ausgestellt – schlichtweg weil die Forenbeteiligung zur aktiven Teilnahme gehört und wenn User Beiträge löschen, einfach nicht mehr nachzuvollziehen ist, wer was wie viel schrieb. Änderungen sind aber möglich.

Schriftliche Diskussion im Forum als Weg zum Lernziel

Hier nur eine kurze Mitteilung zu einem ‚Rahmen‘, den ich entwickelt habe, um schriftliche Diskussion im Forum in der virtuellen Lernumgebung Blackboard in Bahnen zu lenken.

Mir ist in den ersten Wochen in der Lehrveranstaltung Araber und Orient in Hollywood im Modul Literatur und Quellen II B mit ca. 40 Teilnehmenden aufgefallen, dass Studierende vor allem auf meine Initialbeiträge antworten, aber nicht wirklich untereinander diskutieren, sodass eigentlich keine Diskussionsfäden entstehen. Ziel ist ja, dass die Studierenden auch untereinander von ihrem Wissen profitieren.

Ein Kollege empfahl mir die Facebook-Gruppe Pandemic Pedagogies (die ich unbedingt weiterempfehle), wo ich mit anderen Lehrenden aus ganz verschiedenen Bereichen – sowohl universitärer und nicht-universitäre Lehre – in Austausch hinsichtlich der Moderation und des Streamlinens von schriftlichen Diskussionen trat.

Herausgekommen ist der folgende ‚Leitfaden‘ für die Diskussionsbeteiligung im Forum als Form der aktiven Teilnahme in der Lehrveranstaltung Araber und Orient in Hollywood im Modul Literatur und Quellen II B.

Auszug aus einer Blackboard-Ankündigung an Studierende

In den kommenden (ca. 10) Wochen wird es jeweils Oberthemen für die Diskussion geben. Dazu wird es von mir jede Woche zwei bis drei Initialbeiträge geben.

Ihre Aufgabe besteht darin, jeweils mindestens in einem ersten Beitrag auf mindestens einen meiner Initialbeiträge zu antworten sowie mindestens zwei Antworten auf Beiträge Ihrer Mitstudierenden zu geben, sodass Diskussionsfäden entstehen.

Für Ihre Initialbeiträge (=Antworten auf meine Initialbeiträge) und Kommentare/Antworten auf Initialbeiträge Ihrer Mitstudierenden gilt Folgendes:

  • Sie stellen mindestens eine kritische Frage;
  • Sie bringen mindestens eine (weitere) Quelle in die Diskussion ein (einen Film oder eine Szene zum Vergleich, wissenschaftliche Sekundärliteratur, einen populärwissenschaftlichen Artikel, etwas Journalistisches, etc.);
  • Sie ergänzen mindestens eine weitere/neue Idee.

Es gibt keine vorgegebene Wortzahl für diese Beiträge und Antworten, aber ich möchte Sie dazu ermutigen, die Möglichkeit zur Reflexion und Diskussion mit Ihren Mitstudierenden ausgiebig zu nutzen.

Ich selbst werde mich aus der Diskussion zurückhalten, sodass ich lediglich zum Ende der jeweiligen Themenwoche, Ansätze/Fragen/Termini synthetisiere und zusammenfassen und entsprechend aufbereite. Bitte diskutieren Sie Ihre Gedanken/Ideen nicht per E-Mail mit mir 😉 Wir wollen die Themen gemeinsam erarbeiten.

Für die aktive Teilnahme beteiligen Sie sich bitte mindestens an 5 der 10 Oberthemen.

Film als Form kulturellen Diskurses online unterrichten – erste Ideen

Man könnte meinen, ein Filmseminar in den virtuellen Raum zu übertragen wäre ein Leichtes – immerhin handele es sich bei ‚Film‘ ja um ein Medium, dessen digitale Existenz in Hochzeiten des Streamings bereits etabliert scheint. Tatsächlich aber tue ich mich schwer damit, ein Seminar, das die Darstellung und Verhandlung von ‚Arabern‘ und ‚Orient‘ in Hollywood-Filmen in den Mittelpunkt rücken sollte, gänzlich ‚online‘ zu denken.

Meine Komplexe rühren sicher auch daher, dass es sich bei der Lehrveranstaltung um ein Kernseminar des Bachelorstudienganges Geschichte und Kultur des Vorderen Orients, Schwerpunkt Arabistik handelt; die Studierenden schreiben hier die erste differenziert benotete Hausarbeit des Kernfachs. Demnach hätten Übungen zum wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben einen großen Teil der Präsenzstunden ausgemacht. (Von meiner Idee für die Prüfungsleistung in diesem Modul berichte ich in einem der folgenden Beiträge.)

Es geht um folgenden Kurs:

  • Kurstitel: Araber und Orient in Hollywood
  • Lehr- und Lernform: Seminar
  • zugehörig zum Modul: Literatur und Quellen II B
  • Studiengang: BA Geschichte und Kultur des Vorderen Orients, Schwerpunkt Arabistik
  • Fachsemester: 4

Qualifikationsziele und Kursinhalte

Seit mehr als einem Jahrhundert bedient sich die US-amerikanische und europäische Filmindustrie eines bestimmten ‚Anderen‘ (engl. other), um im Film ein seltsames oder gefährliches Gegenüber für die Protagonisten zu konstruieren. ‚Araber‘ bilden da keine Ausnahme – und ihre Darstellung ist teilweise ähnlich karikiert wie die des ‚Juden‘ in anderen Kontexten: gekleidet in Haremshosen und Turbanen, mit unheimlichem Blick, unzivilisiert und wild, politisch radikalisiert oder religiös fanatisch. Oft genug, ist der ‚Araber‘ der Bösewicht – das kulturelle ‚Andere‘ par excellence.

In dem Seminar möchte ich mich mit den Studierenden zusammen Spur solcher ‚Stereotypen‘ begeben. Dabei werfen wir nicht nur einen Blick auf Filme, sondern schauen uns auch Serien und Dokumentationen an. Beispielhaft genannt seien: The Thief of Baghdad, Aladdin, Body of Lies, The Night Manager, Terra-X-Dokumentationen.

Als Qualifikationsziele habe ich mir überlegt, dass die Studierenden:

  • ‚Film‘ als Form kulturellen Diskurses erkennen;
  • Analysekategorien kennen, um die Repräsentation von Arabern und dem Orient in Filmen zu beschreiben und zu diskutieren;
  • bewerten können, was in Filmen repräsentiert wird und was abwesend bleibt;
  • in der Lage sind, Filme als Dokumente mit anderen Formen kultureller Produktion zu vergleichen;
  • Filme als Medium für die Kommunikation von Ideologien, Traditionen, Mythologien, politischer Agenda, usw. analysieren können;
  • ein Verständnis dafür haben, wie Filme auf Emotionen wirken, Interesse hervorrufen, belehren, Vorstellungen in Frage stellen usw.

Die Kursinhalte fasse ich zunächst kurz:

  • Die Studierenden erforschen anhand von primärem und sekundärem Material die filmische Darstellung von ‚Arabern‘ und dem ‚Orient‘ mit Blick auf Themen wie Diversität, Ethnizität, Sexualität, Tradition sowie die komplexen und oft widersprüchlichen Erzählungen Hollywoods über nationale Identität, historische Handlungsfähigkeit und Macht.

Alternative zum ‚Text‘

An oberste Stelle steht für mich, die Studierenden mit einem anderen Medium als ‚Text‘ zu konfrontieren. Als Philologie ist die Arabistik natürlich eine textlastige Disziplin und in den ersten Semestern des Bachelorstudienganges haben die Studierenden neben dem Sprachstudium eigentlich vorrangig mit ‚Literatur‘ im weitesten Sinne zu tun – sei sie nun vorislamische Dichtung, Tausendundeine Nacht oder der Koran.

Nun studieren sie ja aber gerade keine reine Literaturwissenschaft – immerhin heißt der Studiengang Geschichte und Kultur des Vorderen Orients und ist am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften angesiedelt. Literatur ist zweifelsohne ein Teil von Kultur; aber diese ‚Kultur‘ des Vorderen Orients lässt sich meiner Meinung nach nicht nur durch Literatur erfassen; schließlich sind auch Musik, Kleidung, Architektur oder eben Film Zeugnisse kultureller Produktion.

Mehr noch: Das Erfassen dieser ‚Kultur‘ muss sich auch aus der Perspektive Arabistik, wie sie der Studiengangstitel auf den Punkt bringt, nicht nur auf arabische Primärquellen beschränken; schließlich besteht ‚Kultur‘ nicht nur in der Eigenwahrnehmung sondern auch in der Fremdwahrnehmung.

An diesem Punkt setze ich mit meinem Seminar an, da ich es wichtig finde, nicht nur die innerarabischen Quellen quasi als ‚Artefakte‘ einer Kultur zu präsentieren, sondern dass sich Studierende auch konkret mit zeitgenössischen Ausformungen von Kulturwahrnehmung und Kulturschaffung beschäftigen und in Diskussion darüber treten können.

‚Film‘ als nahbares Medium

Ich verstehe, dass den Studierenden die Textlastigkeit des Schwerpunktbereichs Arabistik bisweilen dröge und unnütz vorkommt. Und natürlich: Über die Berufsrelevanz von reinen Fakten zur klassischen arabischen Literatur, zur nahḍa oder zur arabischen Stämmegesellschaft im 7. Jahrhundert lässt sich sehr wohl diskutieren.

Bestenfalls geht es in den Modulen darum, Kompetenzen zu entwickeln, die auch in andere wissenschaftliche Disziplinen transferiert werden können und sich in nichtwissenschaftlichen Bereichen anwenden lassen können  – Recherchekenntnisse etwa, Kompetenzen im stringenten, stilsicheren und zielgruppengerechten Schreiben, Fähigkeiten zur logischen und verständlichen Präsentation eines Themas, Reflexionsvermögen, und so weiter.

In diesem Zusammenhang bildet das Medium ‚Film‘ für mich einen vielversprechenden Ansatzpunkt:

Zum einen handelt es sich bei den Filmen, die ich so ins Auge fassen,  um kulturelle Zeugnisse, denen die Studierenden im außeruniversitären Kontext sicher schon das ein oder andere Mal über den Weg gelaufen sind. Die Live-Action-Verfilmung von Disney’s Aladdin ist vermutlich kaum jemandem entgangen, auch wenn sie vielleicht nicht jeder tatsächlich gesehen hat. Dementsprechend besteht gegenüber diesen Untersuchungsobjekten vielleicht eine verminderte Distanz (als etwa im Vergleich zu einer maqāma oder einem nabaṭī-Gedicht) – oder positiv gesprochen: eine gewisse Vertrautheit. Diese Vertrautheit selbst bildet natürlich auch einen Diskussionsgegenstand.

Zum anderen bringt das Medium ‚Film‘ natürlich auch bestimmte Formen des Schreibens mit sich, und zwar solche, die in einer Philologie sonst eher marginal behandelt, zumindest aber kaum geübt werden: Reviews und Kommentare. Zwar möchte ich mit den Studierenden nicht explizit das Schreiben von Rezensionen üben (obwohl dies eine Option sein könnte); dennoch bilden Reviews durchaus eine Quelle im Kontext von ‚Film‘, die wiederum selbst Untersuchungsgegenstand sein kann. In jedem Fall aber zeigen sie, wie Schreiben über Filme funktionieren kann. Somit entfernt sich das Seminar trotz seines Fokus auf Filme nicht ganz vom ‚Text‘, denn schließlich gilt mein Hauptaugenmerk immer noch, dass sich die Studierenden in wissenschaftlich fundierter sowie reflektierter Art und Weise mit einem ‚Gegenstand‘ auseinandersetzen können – und in diesem Fall sind die zu untersuchenden Gegenstände eben Filme (oder Filmausschnitte); sie bilden – im Sinne des Modultitels – eine Quelle.

Was noch offen ist …

Bezug zur Vorlesung

Mein Seminar ergänzt eine allgemeine Vorlesung zu Literaturen und Quellen der Arabistik und Semitistik. Mit dem Schwerpunkt auf Filme – und dazu noch auf nicht-arabische Filme – greife ich radikal keine Quellen und Themen aus der Vorlesung auf.

Ich weiß, dass den Kernfachstudierenden der Zusammenhang zwischen Vorlesung und Seminar in den Modulen des Bachelorstudienganges Geschichte und Kultur des Vorderen Orients oftmals nicht klar ist – aus meiner Sicht als Lehrende und Lehrplanerin ehrlich gesagt: Es besteht oft auch gar kein Zusammenhang, und: Es muss meiner Meinung nach auch kein direkter Zusammenhang im Sinne einer Abhängigkeit bestehen; die Lehrveranstaltungen bilden meist ‚Phänomene‘ innerhalb des Modulzusammenhangs, aber sie verweisen selten direkt aufeinander, insbesondere dann nicht, wenn zwei Lehrveranstaltungen eines Moduls von unterschiedlichen Lehrkräften abgehalten werden.

Im Fall meines Seminars Araber und Orient in Hollywood bin ich auch den Nachfragen von Studierenden (nicht nur der Arabistik) nachgekommen, die seit mehreren Semester immer wieder artikulieren, dass sie gern einmal was zur „Darstellung von Arabern“ oder der „Arabischen Welt“ in anderen Medien machen würden. Ob dieses Seminar auch im virtuellen Raum gelingt, das wird sich zeigen; denn eigentlich hatte ich mir eine sehr diskussionslastige Lehrveranstaltung vorstellt, die sich in der Form natürlich nicht asynchron in Blackboard oder synchron in Cisco WebEx abhalten lässt. Dazu mehr im nächsten Beitrag.

Zugang zu Filmen

Ich weiß, dass Studierende nicht generell auf sämtliche Streaming-Dienste Zugriff haben; insofern werde ich das Schauen von Filmen, die nur über bestimmte Plattformen zugänglich sind, nicht zur Bedingung für das erfolgreiche Absolvieren dieser Lehrveranstaltung machen.

Ich werde versuchen, bei den Studierenden zunächst abzufragen, welche Filme sie vielleicht selbst gesehen haben oder sich demnächst anschauen können; möglicherweise reichen auch Ausschnitte, die bisweilen auf YouTube kursieren – eine schöne Gelegenheit auch, um Copyright-Themen anzusprechen.