Studierende online motivieren und begleiten – Gedanken zu einem Webinar

Nachdem ich gut in das kreative Sommersemester 2020 gestartet bin, wollte ich mich intensiver damit beschäftigen, wie im virtuellen Raum eine positive Lernatmosphäre gestaltet werden kann und wie Studierende auch in asynchronen Lehr- und Lernformaten aktiviert und begleitet werden können. Hierzu besuchte ich ein Webinar, das vom SUPPORT für die Lehre der Freien Universität angeboten wurde, zum Thema ‚Studierende online motivieren und begleiten‘.

Die Frage, die sich mir hier natürlich zunächst stellte, war, was überhaupt aus der On-Campus-Lehre in den virtuellen Raum übertragbar ist. Dabei stellte ich für mich fest, dass ich Live-Sitzungen zwar durchaus in ähnlicher Weise für Austausch und Diskussion nutzte, aber dass ich diesen Live-Sitzungen viel mehr ‚Sinn‘ geben wollte.

Ich wollte nicht einfach jede Woche eine synchrone Sitzung durchführen, in der ich Impulsvorträge gebe und wir dann in der Runde mit den Studierenden zum Austausch über Texte übergehen, die zuvor durchzuarbeiten waren. Überhaupt ist das eine Form des Lehrens, die mir selbst gar nicht so zusagt. Natürlich sehe ich den Nutzen im mündlichen Austausch über Primär- oder Sekundärtexte; und ich halte dies sogar für einen Kernaspekt des Studiums. Dies aber eins-zu-eins in den virtuellen Raum übertragen zu wollen, halte ich für eine Verschwendung des Potenzials, das Lehre und Lernen im virtuellen Raum bietet.

Das Potenzial des Lehrens und Lernens im virtuellen Raum sollte nicht verschwendet werden, indem man auf Biegen und Brechen versucht, das übliche oder ’normale‘ Präsenzstudium auf dem Campus einer Universität durch wöchentliche 90-minütige Live-Sitzungen zu übertragen.

Meine Meinung

Also versuchte ich, den synchronen Live-Sitzungen jeweils einen ‚Sinn‘ zu geben, und – zugegeben – bei manchen Lehrveranstaltungen empfand ich es als überhaupt nicht notwenig, eine Live-Session zu durchzuführen, wie ich es sonst in einem Unterrichtsraum tun würde. Dies war schlichtweg nicht der Ansatz, den ich in diesem Semester verfolgte – wie ich überhaupt meinen Unterricht selten so gestalte, dass ich wie ein Theaterschauspieler auf einer Bühne etwas präsentiere und die Studierenden nur zuschauen und konsumieren. Ich sehe Studierende nicht als bloße Konsumenten.

Studierende sind für mich nicht bloße Konsumierende, denen man Inhalte präsentiert als wäre man ein Schauspieler auf einer Theaterbühne.

Meine Meinung

Ich finde, Studierende sollten die Möglichkeit haben, ihr Studium mitzugestalten, das heißt in Lehrveranstaltungen nicht nur ‚aktiv‘ Arbeitsaufträge vollführen, um im Campus Management die aktive Teilnahme bestätigt zu bekommen und später die Modulprüfung erfolgreich zu absolvieren; nein, es bedeutet, die Lehrveranstaltung mit ihnen zu designen, sich auf die Studierenden einzulassen und mit der Erfahrung, die man als Lehrender hat, Kurse zu schaffen, die verschiedene Denkansätze eröffnen und kritisches Reflektieren ermöglichen, ohne auf eine bestimmte ‚Wahrheit‘ oder eine Reihe von Fakten hinzuarbeiten.

Aus diesem Grund tat ich mich mit den Methoden, die uns im Webinar ‚Studierende online motivieren und begleiten‘ geboten wurden, schwer, auch weil sie vor allem auf das Motivieren in synchronen Live-Sitzungen abzielten. Ich empfand meine eigenen Live-Sitzungen aber als purposeful genug, auch weil ich eher zu wenige als zu viele angesetzt hatte – jeweils mit konkreten Arbeitsaufträgen verbunden und eingebettet in den Ablauf der jeweiligen Lehrveranstaltung. Dies war vor allem in der sprachpraktischen Übung ‚Übersetzen aus dem Arabischen und ins Arabische‘ im Masterstudiengang Arabistik der Fall, wo die Live-Sessions jeweils dazu dienten, die Übersetzungen zu diskutieren. Die Frage der Motivation stellte sich aus meiner Perspektive hier gar nicht; Tools wie Mentimeter konnte ich hier nicht anwenden.

In andere Kursen, zum Beispiel im Seminar ‚Araber und Orient in Hollywood‘ im Bachelorstudiengang ‚Geschichte und Kultur des Vorderen Orients, Schwerpunkt Arabistik‘, waren eher sprechstundenartige Live-Sitzungen nötig; der Austausch fand intensiv und ausführlich in schriftlicher Form im Diskussionsforum in Blackboard statt. Auch hier stellte sich die Frage der Motivation nicht.

Dennoch denke ich, dass Tools wie Mentimeter oder Pingo eine gute Möglichkeit sein könne, überhaupt eine Session – egal ob on-campus oder online – abwechslungsreicher zu gestalten. Gerade bei Einführungskursen kann ich mir gut vorstellen, dass das Erstellen einer Word-Cloud mit hilfe von Mentimeter praktisch sein kann, um Vorwissen zu sammeln. Ich denke, dass ich dies einmal im nächsten Semester testen werde.

Sessions kleinteilig zu designen, hilft dabei, sich den Mehrwert von Formen der aktiven Teilnahme für die Studierenden zu vergegenwärtigen.

Meine Meinung

Abgesehen davon kann es durchaus sinnvoll sein, eine Session kleinteilig zu sezieren und zu designen – fast schon wie ein Drehbuch, wobei natürlich Spielraum für Spontaneität gelassen werden sollte. Sich mehr Gedanken über den Ablauf einer einzelnen Session zu machen, hilft aber auch, den Sitzungen und ihren Einzelteilen einen Sinn zu geben, etwa was das Erlangen von Kompetenzen oder das Vermitteln von Inhalten angeht.

Meiner Meinung nach muss es einem als Lehrender gelingen, den Studierenden den Mehrwert in Formen der aktiven Teilnahme, Aufgaben oder überhaupt in der Teilnahme an Live-Sitzungen zu vermitteln. Wenn einem dieser Mehrwert selbst nicht klar ist, sollte man überlegen, ob bestimmte Arten des Lehrens oder bestimmten Aufgaben überhaupt sinnvoll sind oder ob sie nur dazu dienen, dass man für sich selbst behaupten kann, man würde ‚lehren‘.

Ich für meinen Teil werde mich in Zukunft noch intensiver damit beschäftigen, wie ich Studierenden in meinen Kursen begreifbar machen kann, was ‚Studieren‘ überhaupt bedeutet und was aus den verschiedenen Aufgaben für sich mitnehmen. Das sind durchaus ’simple‘ Erkenntnisse wie dass es eine schier unschätzbare Kompetenz ist, ein Thema in einem eng abgesteckten Rahmen von 3000 oder 6000 Wörtern reflektiert zu betrachten und überzeugend zu argumentieren; ähnlich verhält es sich mit Wissens- oder Zeitmanagement.


Das virtuelle Semester zum Thema machen

Heute möchte ich nur kurz ansprechen, warum ich mich dazu entschieden habe, nicht alle meine für den Präsenzunterricht im Sommersemester geplanten Themen in den virtuellen Raum zu übertragen, sondern die aktuelle Situation rund um online lernen und lehren tatsächlich auch zum Thema einer Lehrveranstaltung zu machen.

Eigentlich wollte ich in einer sprachpraktischen Übung im Masterstudiengang Arabistik einen Kurs zu literaturwissenschaftlichen Fachsprache im Arabischen geben – einen Kurs, den ich schon seit längerer Zeit unterrichten wollte. Allerdings habe ich diesen Kurs zugunsten eines Hauptseminars im Modul Forschungsperspektiven der Arabistik aufgegeben. Die Gründe dafür waren (mindestens) dreierlei:

  1. Die aktuelle Situation thematisieren: Nachdem spätestens am 24. März das „digitale“ Sommersemester ausgerufen wurde, war mir klar, dass ich diese besondere Situation in irgendeiner Weise mit den Studierenden thematisieren und diskutieren wollte. Im Modul Erweiterte und angewandte Sprachkompetenz Arabisch, in dem ich meinen Kurs zur literaturwissenschaftlichen Fachsprache im Arabischen eigentlich anbieten wollte und in dem ich im Sommersemester 2020 einen weiteren Kurs (Übersetzen aus dem Arabischen und ins Arabische) unterrichten werde, schien mir das nicht möglich. Also strich ich diesen Kurs gänzlich aus dem Curriculum und überlegte mir, ob es nicht spannend und erhellend – sowohl für die Studierenden als auch für mich – sein könnte, gemeinsam darüber nachzudenken, wie Arabistik online oder digital eigentlich funktionieren kann. So entstand das Hauptseminar Arabistik online – Wie geht das?, das diesem Blog auch seinen Titel gab – oder war es andersherum? Ich weiß es nicht mehr.
  2. Unterschiedliche Prüfer in einem Modul ermöglichen: Das Modul Erweiterte und angewandte Sprachkompetenz Arabisch besteht aus zwei von einander unabhängigen sprachpraktischen Übungen, die ich im Sommersemester 2020 beide unterrichtet hätte. Während ich bei Modulen mit Lehrveranstaltungskombinationen wie „Seminar“ plus „Lektürekurs“ oder „Grundkurs“ plus „Übung“ sehr wohl didaktisch Sinn darin sehe, dass sich die beiden Kurse im Sinne der Inhalte und Qualifikationsziele der Module aufeinander beziehen und dass es dementsprechend zuträglich sein kann, wenn beide Modulteile von ein und derselben Lehrkraft angeboten werden, liegt der Fall beim Modul Erweiterte und angewandte Sprachkompetenz Arabisch für mich anders: Meines Erachtens nach gebietet das Modul eine inhaltliche Diversität in den beiden Lehrveranstaltungen, die sich sehr gut verwirklichen lässt, wenn die beiden sprachpraktischen Übungen von unterschiedlichen Lehrkräften angeboten werden. Damit erhalten die Studierenden dann auch die Möglichkeit, sich für die mündliche Prüfung, mit der das Modul abgeschlossen wird, zwischen zwei Prüfern zu entscheiden – eine Wahlmöglichkeit, die ich als Mehrwert erachte.
  3. Ein Modul in Gänze anbietenMit dem Kurs Arabistik online – Wie geht das? vervollständige ich das Modul Forschungsperspektiven der Arabistik, wozu noch ein Kolloquium gehört. Zwar ist dieses Modul eigentlich für das dritte Fachsemester vorgesehen und müsste im Sommersemester gar nicht angeboten werden; da seit der Novellierung der Studien- und Prüfungsordnung des Masterstudienganges Arabistik im Jahr 2016 dieses Modul nur ein einziges Mal vollständig von der Arabistik angeboten wurde und Studierende des Masterstudienganges nachdrücklich Interesse an diesem Modul (inkl. des zugehörigen Kolloquiums) bekundet haben, sehe ich das kommende Sommersemester als eine gute Gelegenheit, dieser Nachfrage nachzukommen.

In einem Beitrag in den nächsten Tagen werde ich davon berichten, wie genau ich mir vorstelle, das „Digitale“ im Zusammenhang mit dem Studium der Arabistik in einem Kurs zu thematisieren, was die Lernziele dabei, und warum das Thema Arabistik online – Wie geht das? in ein Modul namens Forschungsperspektiven der Arabistik passt.