Nach unseren Abenteuern in Zentralspanien ging es schnurstracks (was bei den Strecken in Spanien dann gar nicht so schnurstracks geht) gen Süden.
In Südspanien haben wir zahlreiche Museen besucht, da es dort auch in den kleineren Städten absolut sehenswerte Funde zu besichtigen gibt – Highlights waren das Museum von Valencia (tolle paläolithische Ausstellung zur Felskunst), das von Lorca (dort ist ein unglaublich gut erhaltenes kupferzeitliches Gewand ausgestellt) und das von Almeria (nicht nur die berühmte kupferzeitliche Siedlung von Los Millares ist dort wunderbar aufbereitet, sondern die gesamte Vor- und Frühgeschichte, Almeria ist mein absoluter Favorit!).
Aber es gibt auch in der freien Natur sehr viel zu entdecken. In Spanien gibt es – wie auch in Frankreich – paläolithische Höhlenmalereien. Aber was es bislang nur in Südspanien gibt und absolut einen Besuch lohnt, ist die neolithische Felskunst. Diese findet sich nicht nur in Höhlen, sondern auch in Abris (also offenen Felsüberhängen), so daß man diese relativ unproblematisch besichtigen kann. Dargestellt sind, neben schwer zu deutenden Zeichen, Jagd- und Tanzszenen und menschliche Figuren mit erhobenen Armen, die als sog. Adoranten interpretiert werden, also als „Anbetende“. Spannenderweise sind die gleichen Figuren auch auf den neolithischen Gefäßen dargestellt.
Aber auch aus der Kupfer- und Bronzezeit gibt es in Südspanien ein paar echte Sahnestückchen. Eines davon ist „Fuente Alamo“, eine einsam in den Bergen gelegene Höhensiedlung aus der Bronzezeit, die der sog. El-Argar-Kultur (2250-1550 v. Chr.) zugerechnet wird. Die Siedlung war erstmal gar nicht so leicht zu finden, denn man muss kilometerweit ins Niemandsland fahren, aber nicht etwa auf einer befestigten Straße, sondern in einem ausgetrockneten Flußbett…
Die Siedlung selbst liegt im Schatten einer Felsnase und man kann dort oben die Reste von Häusern (Steinsockel), einer Zisterne und von Bestattungen (die innerhalb der Siedlungen lagen) sehen. Das klingt jetzt vielleicht erstmal gar nicht so sensationel, aber das spannende an der El-Argar-Kultur ist, dass zum einen deutliche Ausstattungsunterschiede zwischen den einzelnen Gräbern zu beobachten sind und dass es zum anderen auch recht unterschiedliche Gebäudetypen gibt, die aufgrund ihres Grundrisses, aber auch aufgrund der Funde, die dort geborgen wurden, als „öffentliche Gebäude“ angesprochen werden. D.h. in der Diskussion über die Hierarchisierung der Gesellschaft in der Vorgeschichte darf die El-Argar-Kultur nicht fehlen. Die Frage ist dabei natürlich auch, inwiefern die damals aufkommende Bronzemetallurgie eine Rolle gespielt hat.
Aber schon in der Kupferzeit lassen sich in Spanien ganz spannende Entwicklungen beobachten – das Stichwort ist „Los Millares“. Los Millares ist eine Siedlung nordöstlich von Almeria, die in die Kupferzeit und damit an das Ende des 4. und in das 3. Jahrtausends vor Christus datiert.
Das faszinierende an Los Millares ist nicht die frühe Kupferherstellung oder die Nekropole, die mitten in der Siedlung liegt, sondern die Siedlung selbst. Denn Los Millares ist umgeben von einem gestaffelten System aus Steinmauern, das eine riesige Fläche umschließt. Und an die Mauern sind auch noch halbrunde Bastionen angebaut. Doch damit nicht genug. Die Archäologen konnten auf den umliegenden Hügeln auch noch zahlreiche kleine Bastionen aus Stein nachweisen, die wie „Wachposten“ um die Hauptsiedlung verteilt liegen. Und das alles wurde im 3. Jahrtausend vor Christus errichtet! Das stellt die Kreuzfahrerburgen, die ich in Jordanien und Syrien besuchen konnte fast ein wenig in den Schatten. Ja und Schatten ist auch ein wichtiges Stichwort, denn den gabs dort leider nicht und da wir dort um die Mittagszeit unterwegs waren, also Mittagszeit Anfang August in Südspanien, haben wir es dort nicht allzu lange ausgehalten…daher sind wir weitergefahren nach…
…Ecija – ein Städtchen mitten in Andalusien, das wir wohl nie besucht hätten, wenn uns nicht das Museum dort wärmstens ans Herz gelegt worden wäre. Durch unsere Fahrt von Los Millares nach Ecija kamen wir allerdings vom Regen in die Traufe, denn was wir bis dahin nicht wussten ist, dass Ecija auch die „Bratpfanne Andalusiens“ genannt wird (weils halt einfach unerträglich heiß ist dort). Wenn aber Ecija die Bratpfanne Andalusiens ist, Andalusien die Bratpfanne Südspaniens ist und Südspanien die Bratpfanne Europas, dann könnt Ihr Euch vielleicht denken, wie es uns erging. Wir kamen aus dem Schwitzen gar nicht mehr raus. Aber da wir in Ecija das Glück hatten, dass wir im Museum wohnen durften und sich der Direktor dort sehr nett um uns gekümmert hat, haben wir auch gleich gelernt, wie man mit dieser Hitze umgeht: man verlässt das Haus auf keinen Fall zwischen 11 Uhr morgens und 21 Uhr abends!
D.h. wir haben den Tag entweder dösend auf dem Bett oder in den kühlen Museumsräumen verbracht und uns dann um 21 Uhr ins spanische Nachtleben gestürzt. Das begann mit einer Führung durch die Kirchen der Stadt. Ecija ist berühmt für seine Kirchtürme, die man von jeder Straßenecke aus entdecken kann. Und auch in den Kirchen gibt es so einiges zu entdecken, wie z.B. eine frühchristlichen Sarkophag, der heute als Altar genutzt wird und der so unglaublich gut erhalten ist, dass man meinen könnte, man hätte eine Fälschung vor sich.
Gut erhalten sind auch verschiedene Spolien aus der Römerzeit, die in der ganzen Stadt verbaut sind. D.h. wenn jemand beim Hausbau oder beim Straßenbau eine römische Säule gefunden hat, dann hat er sie gleich mal mit eingebaut.
Ecija war während der Römerzeit eine recht bedeutende Stadt, da der Fluß vor ihrer Haustür, der Rio Genil, direkt in den großen Guadalquivir mündet, und nur zwischen dieser Mündung und Ecija schiffbar war. D.h. Ecija dürfte einen nicht unbedeutenden Hafen gehabt haben und zudem weiß man, dass die Herstellung und der „Vertrieb“ von Garum (ein bei den Römern recht beliebtes Würzmittel, das aus vergorenem Fisch hergestellt wurde) in Ecija eine wichtige Rolle spielte. Die verkehrstechnisch günstige Lage führte auf jeden Fall dazu, dass die Bewohner des römischen Ecija recht viele Reichtümer anhäufen konnten, was sich archäologisch dadurch nachweisen lässt, dass man in der Stadt Mosaiken von exquisiter Qualität gefunden hat, die sich damals sicherlich nur die reichsten römischen Bürger leisten konnten.
Neben den Kirchen und den römischen Funden ist Ecija auch berühmt für seine Barockpaläste, die die reichen andalusischen Großgrundbesitzer dort errichten ließen. Auch das Museum ist in einem solchen untergebracht, so dass wir diese Paläste sozusagen auch von Innen kennenlernen durften.
Typisch sind natürlich prächtige Fassaden und Toreingänge, aber auch gestaffelte Innenhöfe mit Springbrunnen, Palmen und Arkadenumgängen über 2 Stockwerke – also richtig hübsch. Der Aufbau erinnert ein bißchen an den Orient und ein bißchen an die Alhambra in Granada, die wir uns ebenfalls angeschaut haben.
Die Alhambra wurde von den Herrschern der Nasriden-Dynastie im 13. und 14. Jahrhundert errichtet, d.h. unter islamischen Herrschern – und das schlug sich natürlich in der Architektur nieder – man fühlt sich wie in einem Traum aus 1001 Nacht und ist sich manchmal nicht so ganz sicher, ob man nun in Spanien weilt oder schon wieder irgendwo im Orient. In der Alhambra kann man zum einen die Paläste der Nasriden besichtigen, zum anderen hat Karl V. dort einen Palast errichten lassen, der als wichtiges Beispiel der Renaissance-Architektur gilt. Und dazwischen gibt es wunderschöne Gartenanlagen zu entdecken, die mich sehr an unsere Iranreise erinnert haben.
Die ganze Anlage ist natürlich überlaufen mit Touristen und die Tickets, die man im Vorverkauf erwerben kann und auch soll, sind natürlich schon 1 Woche vorher ausverkauft, so dass wir bei unserer Ankunft in Granada ohne Ticket dastanden und auch gar nicht wussten, ob wir überhaupt eines ergattern würden von dem schmalen Kontingent, das an der Tageskasse ausgegeben wird. Daher sind wir bei Nacht und Nebel aufgestanden, haben uns vom Campingplatz geschlichen um niemanden zu wecken und standen noch vor Sonnenaufgang am Ticketverkauf an – aber wir waren nicht die ersten, gut 30 Leute waren schon vor uns da! Aber wie die Fotos beweisen, hat sich das frühe Aufstehen gelohnt!
Ein weiteres Highlight der Islamischen Zeit Spaniens ist neben der Alhambra natürlich die Mezquita bzw. Moschee bzw. Kathedrale von Cordoba. Die Anlage wird in allen Reiseführern mit der Moschee von Damaskus verglichen, die ich ja im März besuchen konnte. Aber Cordoba ist nochmal ganz anders und auf seine Weise sehr beeindruckend. Die ganze Anlage besteht aus einem schier unüberblickbaren Gewirr aus Säulen, die alle unterschiedlich aussehen und über die sich rot-weiß-gestreifte Bögen spannen (es sollen übrigens insgesamt 856 Säulen sein). Mitten in diesem Säulenwald steht auch noch eine christliche Kathedrale, dahinter ist die Gebetsnische und dahinter ein Museum mit Funde aus der westgotenzeitlichen, also frühmittelalterlichen Vorgängerkirche und dem wiederum davor an dieser Stelle stehenden römischen Tempel. Dieser Riesenkomplex ist natürlich nicht auf einmal entstanden. Die ältesten Teile der Moschee entstanden schon im 8. Jahrhundert, die Kathedrale schließlich im 16. Jahrhundert und dazwischen ist eben immer wieder was angebaut worden.
Aber wir haben nicht nur Städte und Architektur bewundert, sondern natürlich auch die südspanische Natur. Unter anderem haben wir eine Nacht auf einem Campingplatz in der Sierra Nevada verbracht und sind dort auch ein bißchen durch die Gegend gefahren.
Die beiden letzten Punkte auf unserer Reise durch Südspanien waren zum einen die Megalithgräber von Antequera, zum anderen die Cueva de la Pileta – eine Höhle mit paläolithischer, aber auch neolithischer Felskunst. Beides war sehr beeindruckend, die Megalithgräber „Dolmen de Menga“, „Domen de Viera“ und „Dolmen el Romeral“ schon allein aufgrund ihrer Größe!
Die Megalithgräber von Antequera sollten eigentlich erst der Anfang unserer Megalithgräbertour durch die Iberische Halbinsel sein, Portugal hätte da nämlich auch noch so einige tolle Gräber zu bieten. Aber es hat wohl nicht sollen sein, denn kurz vor der portugiesischen Grenze sind wir liegen geblieben mit unserem Auto – Totalschaden. Und damit war klar, dass die Tour, wie wir sie geplant hatten, an dieser Stelle enden musste – leider.
Wir sind also erstmal nach Deutschland zurückgefahren (Gott sei Dank hatte ich vorher noch eine entsprechende Versicherung abgeschlossen, die zumindest unsere Heimreise sicherstellte), um einen neuen fahrbaren Untersatz zu besorgen. Das ist uns glücklicherweise auch gelungen – nur die verblieben Reststipendiumszeit hätte nicht mehr ausgereicht, um noch einmal nach Südspanien und richtung Portugal zu fahren. Und so haben wir uns für einen Abstecher in die Bretagne entschieden, denn so kamen wir wenigstens in Sachen Megalithgräber nicht zu kurz – die Bretagne ist voll davon.
Erster Punkt war der Golf von Morbihan, um den sich die berühmtesten Anlagen verteilen.
Gestartet sind wir in Carnac, wo insgesamt 3 Gruppen (Kermario, Kerlescan und Menec) von sogenannten „alignements“ stehen. Das sind parallel verlaufende Reihen aus aufrecht stehenden Steinen, an deren Abschluß teilweise auch Steinkreise nachgewiesen werden können. Dazwischen stehen mittlerweile natürlich Häuser und auch Straßen führen mitten durch, aber dennoch ist es unglaublich beeindruckend.
Neben Alignements – die es dort nicht nur in Carnac gibt! – hat die Bretagne aber noch so einige andere megalithische Denkmäler zu bieten, darunter Menhire (also aufrecht stehende Steine, die allerdings allein stehen, nicht in Reihe), teilweise mit eingeritzten Symbolen und natürlich Gräber in allen Größen und Formen, die ebenfalls teilweise reich verziert sind.
Die bekanntesten am Golf von Morbihan sind Gavrinis, Petit Mont und der Table de Marchands in Locmariaquer. Aber diese Menhire, Gräber und Steinreihen sehen nicht nur beeindruckend aus, sie erzählen auch spannende Geschichten. Denn archäologische Forschungen zeigen, dass mit diesen Riesensteinen überraschend viel passiert ist. Man hat sie nicht einfach nur aufgestellt und dann wars gut. Sondern man hat sie verziert, umgebaut, wiederverwendet, zerstört etc. Ein interessantes Beispiel ist ein Stein, der verziert ist mit Rinderdarstellungen, einem Pflug und anderen Dingen, der irgendwann in mindestens 3 Teile zerbrochen worden ist. Einen Teil hat man im Grab von Gavrinis als Deckplatte verwendet, den anderen Teil hat man als Deckplatte im Grab „Table de Marchands“ in Locmariaquer verbaut, das allerdings 15km weit entfernt liegt. D.h. man musste den schon verzierten Stein erstmal durchteilen und dann auch noch ein gutes Stück transportieren und zwar ohne Obelix und Zaubertrank…
Vom Golf von Morbihan ging es weiter an die „Cote de Granit Rose“, die deswegen so heißt, weil überall in der Landschaft rosa schimmernde Granitfelsbrocken rumliegen – das ist im Abendlicht natürlich eine wahre Pracht. Manchen Leute haben diese Felsbrocken sogar im Vorgarten liegen, wobei der Fels sicherlich zuerst da war. Dort oben liegt auch eines der ältesten Megalithgräber der Bretagne „Barnenez“. Das wurde bereits Ende des 5. Jahrtausends v. Chr. errichtet, später erweitert und im letzten Jahrhundert dann leider als Steinbruch missbraucht, so daß es nicht mehr ganz vollständig erhalten ist. Aber durch die Nutzung als Steinbruch ist das Grab jetzt fast wie in der Mitte aufgeschnitten, man kann sozusagen mittig durchgeschnittene Grabkammern besichtigen und so ganz perfekt die damals verwendete, falsche Gewölbetechnik bewundern.
An der Rosa-Granit-Küste gab es natürlich ebenfalls jede Menge Menhire und Gräber zu sehen…ganz spannend ist dabei der Menhir von St-Uzec, der im Mittelalter „christianisiert“ wurde. Damit ist er keine Ausnahme, aber ist ein besonders schönes Beispiel. Man hat die heidnischen Steine einfach mit einem Kreuz versehen, oder ein Kreuz aus ihnen herausgemeiselt und christliche Symbole gleich noch dazu.
…und das war auch in der Region von Paimpont nicht anders, unsere letzte Station in der Bretagne. Dort ist vor allem der Wald von Paimpont bzw. Brocéliande berühmt, in dem sich König Arthuer, die Feen Morgana und Viviane und die Ritter der Tafelrunde herumgetrieben haben sollen. Daher haben die Megalithgräber dort auch so klingende Namen wie „Merlins Grab“ oder „Haus der Viviane“. Das führt aber natürlich auch dazu, das jede Menge…nennen wir sie mal „interessanter Leute“ dort unterwegs sind, auf den Spuren Merlins, König Arthurs etc.
Mit der Reise durch die Bretagne endet nun meine große Tour ums – immerhin halbe – Mittelmeer und ein Stück Atlantik.
Rückblickend kann ich nur feststellen, dass sich jedes Ziel und jeder Augenblick, jede Erfahrung und jede Begegnung gelohnt hat. Vielleicht hätte ich doch ein ganzes Jahr beantragen sollen, aber dafür ist es jetzt zu spät. Aber die Erfahrung, dass man vergleichsweise unkompliziert so ziemlich überall hinreisen kann, weil man schon irgendwie durchkommt und einem im Notfall jemand aus der Patsche hilft, die werde ich mir hoffentlich bewahren und damit baldmöglichst wieder losreisen, dann halt nur für ein paar Wochen.
Es ist alles gut gegangen und war eine wunderbare Zeit!
Herzliche Grüße
S.