“Es wird nicht mehr schön in Schönefeld!”

Dieses Statement von Martin Delius beschreibt die Meinung des ehemaligen Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, zur Aufklärung der Kosten- und Terminüberschreitungen beim Bau des BER, ziemlich gut.

Martin Delius

Im Rahmen eines Interviews mit Martin Delius erläuterte er uns aus seiner Sicht, warum und wie aus dem Großprojekt BER der Pannenflughafen BER wurde. Dabei betonte Delius, dass er zur Zeit des Untersuchungsausschusses zwar Mitglied der Piratenpartei Deutschland war, inzwischen aber den Linken beigetreten sei.

 

Der Anfang vom Ende – war dieser vielleicht im Vorhinein schon abzusehen? Delius differenziert zwischen drei Komponenten, die den Verlauf des Projektes nachhaltig prägten: die Standortwahl, die Komplexität des Projektes sowie die Struktur der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg.

Bereits die erste fundamentale Fehlentscheidung ließ im “von Anfang an politisch […] [geprägten] Projekt”1 nicht lange auf sich warten. Während Gutachter im Standortfindungsverfahren gewissenhaft Sperenberg als geeignetsten Standort deklarierten, reihte sich Schönefeld erst als die “vierte, fünfte, sechste Wahl” ein. 1996 fällt die Wahl im Konsensbeschluss dennoch auf den Standort Schönefeld.

Diese nicht nachvollziehbare Entscheidung sollte nicht die letzte dieser Art bleiben. Bei der Kostenkalkulation setzte man nach gescheiterter Privatisierung auf eine Aufteilung in einzelne Lose, um einen harten Konkurrenzkampf und Preisdruck bei den einzelnen Unternehmen zu forcieren.

Während die FBB dabei ganz nach dem Motto “Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile” argumentierte, positioniert sich Delius klar zu dieser Vorgehensweise der Zerstückelung bei der Kostenkalkulation: “Die Idee ist völlig absurd […].”2 Man wird demnach am Ende immer mehr bezahlen, wenn mehrere Firmen daran beteiligt sind anstelle von einem einzigen Generalplaner. So wäre es vielleicht die bessere Herangehensweise gewesen, den Preis des komplexen Projektes von Anfang an festzulegen.

Wenn auf mangelnde Entscheidungskompetenz und verantwortungslose Kostenkalkulation auch noch Unbelehrbarkeit folgt, schwinden die Hoffnungen, die “Blackbox [BER]”3 jemals erfolgreich öffnen zu können. Die FBB ignorierte dabei beispielsweise Empfehlungen von Gutachtern, welche feststellten, dass man “einen Planungsstopp machen müsste […].”4 Dabei “[haben] sie sich immer dazu entschieden, im Prinzip nichts zu machen […], und das durch Einsatz von Geld punktuell zu verschleiern […]”5. Delius betonte abschließend, dass “bis heute […] der Kern des Problems an diesem Flughafenprojekt ist, dass man keinen Überblick über das Projekt hat.”6

Sie waren Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Kosten- und Terminüberschreitungen beim Bau des  BER. Denken Sie, dass der Untersuchungsausschuss seine Aufgaben erfüllen konnte, vor allem in Anbetracht dessen, dass der BER noch immer nicht eröffnet wurde?

Martin Delius: “Ja. Er hat seine Aufgaben erfüllt das kann man auch nachweisen, weil wir ja die uns gestellten Fragen durch das Parlament beantwortet haben. Das Ding ist, dass der Untersuchungsausschuss natürlich nicht dabei helfen konnte den BER fertig zu stellen. […] Untersuchungsausschüsse sind keine Aufsichtsräte, das dürfen sie nicht sein. […] Ein Untersuchungsausschuss hat [aber] sehr viel Macht. Als Vorsitzender konnte ich, natürlich mit Billigung des Gremiums, Bußgelder verhängen, Leute [durch die Staatsanwaltschaft] einsperren lassen, [aber das] muss man alles beantragen. Das ist für ein parlamentarisches Gremium, wo keine Juristen sitzen, […] wahnsinnig viel Macht. […] Ich habe Antragsrechte gehabt, die sonst ein Staatsanwalt hätte. Wie das so ist, wie bei Spiderman “with great power comes great responsibility”. Deswegen gibt es verfassungsrechtlich einige Schranken für das Wirken von Untersuchungsausschüssen. […] Wir haben ein Bestimmtheitsgebot. […] Ich kann nicht einen dauerhaften Untersuchungsausschuss einrichten und quasi damit die Justiz aushebeln […]. Wir haben das sehr weit ausgereizt, weil das Projekt ja nach 2012 weiterhin ein Skandal blieb und auch immer wieder neue Dinge sich ergeben haben. Wir haben zwei Mal den Untersuchungsauftrag erweitert und damit dafür gesorgt, dass zwei Mal ein neues spätestes Untersuchungsdatum existiert hat. In einem Untersuchungsausschuss darf man nur Dinge und Unterlagen abfragen […], die vor dem Beschluss des Untersuchungsauftrags passiert sind.[…] Wir haben gute Gründe gehabt das [späteste Untersuchungsdatum] zwei Mal zu ändern, aber das hatte schon fast den Charakter eines kontinuierlichen Ausschusses, eben weil der Skandal und das Projekt weiter lief. […] Insofern ja, wir haben unseren Auftrag erfüllt. Der hat aber nicht ausgereicht um das Ding fertig zu stellen […].”

Was wären aus Ihrer Sicht vermeidbare Komplikationen, welche nicht von Anfang an in Betracht gezogen wurden und die man somit hätte verhindern können?

Martin Delius: “[…] die schlimmste Komplikation aus der die allermeisten technischen Probleme heute folgen, war, dass man nicht auf die Nutzungsänderung und die neuen Planungsanforderungen 2009 bis 2010 reagiert hat. […] Mit den Nutzungsänderungen kam […] das Controlling Unternehmen und hat eine Zeitplan- Prognose aufgestellt[…] und […] festgestellt: wir müssen nochmal neu planen […]. Die Art, wie die Passagierströme […] durch das Terminal geleitet werden, wurde komplett umgestellt. [….] Was die Wege komplett verändert hat, was die Notwendigkeit des Umsetzens von Brandschutzwänden bedeutet hat, was die Notwendigkeit des Umbaus der Entrauchungsanlage bedeutet hat, was Räume und Zuschnitte komplett verändert hat […] war den Controllern klar. […] Das war auch das, was direkt […] an die Geschäftsführung berichtet [wurde] […]:  Wir können mit diesen aktuellen Plänen, mit dem aktuellen Detailgrad den wir haben, die neuen Nutzungsänderungen nicht umsetzen. […] Die Geschäftsführung wollte von dieser Terminverschiebung nichts hören. […] Das zweite was sie beauftragt haben ist, dass es keinen Planungsstopp gibt. Die Firmen sollen mit den Planern zusammen auf der Baustelle von der Entwurfsplanung in die Umsetzungsplanung arbeiten. Das ist dieses ´parallele Planen und Bauen´ was dann auch in der Presse stand. Der größte Unsinn den ich je gehört habe. […] Die Firmen werden nach Zeit bezahlt und niemand kann den Firmen nachweisen, dass sie etwas nicht in einer adäquaten sondern in einer zu langen Zeitphase mit zu vielen Ressourcen gemacht haben […]. Das ist passiert und zwar komplett durch das ganze Gebäude. Der Grund dafür war die völlig vermeidbare Entscheidung an die Zeitpläne nicht ranzugehen[…] statt zu sagen wir müssen jetzt einen Baustopp machen, um das ganze zu überprüfen und dann im Zweifel auch ein halbes Jahr später nochmal über einen Eröffnungstermin nachzudenken […]. Man hat ignoriert, dass McKinsey, die das gemanaged haben, gesagt hat ‘wir können unseren Auftrag nicht erfüllen, weil wir nicht Teile des Gebäudes bekommen, wo wir das machen müssten. Wir können auch nicht Check in Check out Simulationen machen […]. Wir können die Leute nicht trainieren, weil wir die Stände nicht besetzen können, da das Gebäude nicht fertig ist […].’ Man hat das alles ignoriert. […] Auf dieser Ignoranz gegenüber den Notwendigkeiten bei Nutzungsänderungen baut alles andere auf was technisch in dem Gebäude falsch gelaufen ist.”

Der BER ist ja meist mit negativen Schlagzeilen in den Medien. Denken Sie es gibt auch etwas, was besonders gut funktioniert hat oder was Sie loben würden?

Martin Delius: “[…] Nein es gibt nichts. […] Es ist [aber] nicht so, als hätte man [im Untersuchungsausschuss] nicht auch mal irgendwann […] davon geträumt […] was Schönes zu finden. Was geil war, […] war der Entwurf. Das ist ein wunderschöner Flughafen. Also wenn der mal irgendwann fertig werden würde, dann ist das eine echte Bereicherung für diese Stadt, weil let’s face it: Wir sind nicht gesegnet mit guten Flughäfen. […] unsere Flughäfen sind alle scheiße […]. Über Jahre hinweg immer in den Top 10 der schlechtesten Flughäfen der Welt. […] Ich meine es gibt auch Scheiß- Flughäfen in London, aber es gibt auch gute Flughäfen in London. Die aber haben wir halt nicht. Und das wäre schön wenn der fertig [wäre].”

Sie sagten gerade schon “Wenn der Eröffnen wird”. Halten Sie BER 2020 für realistisch?

Martin Delius: “Da muss ich sagen, dass ich mich dazu nicht äußere.”

Fußnotenübersicht
1-6 Delius, Martin (2018), ehemaliger Politiker der Piratenpartei Deutschland (seit 2016: Fraktion Die Linke) und Vorsitzender des Untersuchungsausschusses, Interview vom 11.06.2018

Autoren: Melina Morgenstern, Jalin Bulut, Rebecca Marzahn, Nina Albinus, Tatjana Jäger

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