Der BER aus Sicht der Medien

Beiträge über das Scheitern des BER gibt es unzählige. Wäre es nicht einmal interessant das Thema BER nicht durch Medien, sondern aus der Perspektive der Journalisten zu erfahren?

Genau das wurde im Rahmen des Moduls Projektmanagement an der Freien Universität Berlin ermöglicht. Durch das Engagement des Juniorprofessors Herrn Dr. Timo Braun und sein Team gelang es etliche Experten rund um das Thema BER zu akquirieren. In enger Kooperation mit den Experten fanden Interviews statt, die einen Eindruck verschiedenster Stakeholder-Gruppen wiederspiegelten.

Als Vertreter der Medien befragten die Studenten, den seit 2018 leitenden Redakteur der Rubrik Immobilien in der Tageszeitung WELT, Michael Fabricius (M.F.). Eine Ausbildung an der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft, ein Studium in Volkswirtschaftslehre und mehr als 20 Jahre Berufserfahrung prägen seine Kompetenzen und seine berufliche Laufbahn. Zudem wurde Lorenz Maroldt (L.M.), der seit 2004 Chefredakteur des Tagesspiegels ist, als Gast begrüßt. Er absolvierte ein Studium in Politikwissenschaften und konnte ebenfalls durch mehr als 20 Jahre Berufserfahrungserfahrung kompetentes Wissen im Bereich Journalismus vermitteln.

Der Auszug des Interviews der beiden Experten betont verschiedene Ansätze und Überlegungen hinsichtlich des BERs. Es wird ersichtlich, wie heterogen, an sich homogene Stakeholder, untereinander agieren.

 

Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen des Scheiterns des Großprojekts BER?

L.M.: Die Frage was ist eigentlich das Scheitern des Projekts kann man ja auch nochmal aufsplittern […]. Es gibt ja nicht nur schwarz oder weiß und Schuld oder Unschuld bei dem Ding. Der Kardinalfehler war glaube ich schon politisch verursacht: Die Ausschreibung zu stoppen und das Ding in kleine Lose zu verteilen. So fing der ganze Ärger an. […] Sowohl die Planer engagiert zu haben, die mit dem Ding überfordert waren, als auch die Planer rauszuschmeißen und ihnen die ganzen Unterlagen mitzugeben, hat natürlich auch das Projekt massiv zurückgeworfen. Natürlich wird das die Hauptursache für die ganzen Punkte sein, die jetzt abzuarbeiten sind. […]Das hat die Sache natürlich nach der geplatzten Eröffnung teilweise um Jahre zurückgeworfen. Diese Sachen zu rekonstruieren, wo liegen überhaupt hier alles Kabel und welche Kabel sind das? Da gibt‘s ja keine Unterlagen mehr darüber. So, das heißt also sowohl das Engagieren eines Planungsbüros, das überfordert war, als auch das einfach jetzt weg mit denen, das sind die Schuldigen, hat zu diesen Verzögerungen beigetragen. Ich würde mal tippen, kalkulieren: 1/3 Politik, 2/3 Planung. […]

Wobei die Schönheit des Flughafens ist schon auch ein wichtiges Thema. […]Da sind ganz ganz viele Sachen gemacht worden, weil man damals einen auf dicke Hose machen wollte. Also wir wollen den schönsten Flughafen haben. Dabei weiß jeder im Grunde genommen, bei einem Flughafen kommt es nicht darauf an, dass er schön ist, sondern dass er funktioniert. Ich möchte halt schnell durch die Sicherheitskontrolle und es nutzt mir nichts, wenn ich irgendwie ‘ne halbe oder ‘ne Stunde länger dastehe, dass die Wand schön angetüncht ist. Und dass ich keine Entrauchungsanlage sehe, weil sie irgendwie dreimal um die Ecke gedreht sich unter ‘ner Decke verbirgt. Also diesen Fehler wird man nicht noch einmal machen. Und überall weltweit sind Flughäfen nicht die schönsten Flughäfen, sondern es sind eben die effektivsten Flughäfen, die die besten sind. Das ist übrigens einer der großen politischen Fehler gewesen damals, dass man eben versucht hat einen Flughafen zu bauen, der schön sein soll.

Wie würden Sie die lokale und bundesweite Berichterstattung über den BER beschreiben und können Sie uns auch etwas über die internationale Berichterstattung erzählen?

L.M.: „„Sie kommen aus der Stadt mit dem Flughafen“ das begegnet dir auch in Rio. Das ist so, das kennt jeder. Das ist als willkommener Kontrapunkt zu dem Ruf, den Deutschland auch international genießt, eben besonders effizient zu sein. Da wird das gerne genommen. Das begegnet einem auf der ganzen Welt. Das kennt jeder, dass Berlin die Stadt ist, die den Flughafen nicht eröffnet bekommt. Was die Berichterstattung angeht ist es auch logisch: viele, die von außerhalb berichten, berichten teilweise Nonsens, schreiben ab oder behaupten irgendetwas, das einfach nicht stimmt. Machen halt Witze über Dinge, die längst erledigt sind, das ist ja klar, wenn man nicht vor Ort ist und das ganz intensiv betreibt. […]

Die Bereitschaft mit Häme auch in Deutschland über diesen Flughafen Berlin zu berichten ist natürlich erkennbar. Also die Berichte in der Süddeutschen und zum Teil auch in der FAZ sind sehr sehr viel hämischer. Bei uns sind die insgesamt ironischer, also die haben glaube ich in der Regel nicht so ein Zynismus und auch nicht sone Häme sondern versuchen es irgendwie eher ein bisschen auf die Leichte zu nehmen. Einfach um ‘nen Kontrapunkt zu setzen auch zu den ganzen komplizierten Geschichten, die man eben nebenbei erklären muss.

M.F.: „[…]. Man muss immer aufpassen beim Konsum von Boulevardzeitungen: das ist Knallhart, ich kenne das Geschäft, ich kenne die Redaktionskonferenzen von der BILD. Das ist unfassbar hart [..] Jeden Morgen, wenn die die Redaktionskonferenz machen, besteht die Aufgabe darin, wir schreiben jetzt ausschließlich Dinge, die nicht schon in den Presseagenturen laufen oder im Internet stehen. Die müssen jeden Tag irgendwas Eigenes bringen. 

Vor diesem Hintergrund […] muss man die Berichterstattung der Boulevardzeitung betrachten, die machen da ja ganz eigenes Agenda-Setting und die transportieren mehr Gefühl und Meinung als Fakten. […] Die überregionale Bildzeitung macht das anders. Die haben tatsächlich auch gute Interviews.

Bei der lokalen Berichterstattung bei dem Thema Flughafen besteht die Hauptaufgabe der BZ und der Bild darin, Emotionen zu transportieren.“

Sie haben gesagt, dass sich die Berichterstattung durch das Interesse der Bevölkerung, und durch neue oder rückwirkende Erkenntnisse, verändert hat. Inwieweit würden sie sagen, dass auch das Stimmungsbild in der Bevölkerung die Berichterstattung beeinflusst oder sagen sie, es ist gänzlich andersherum, sodass eher die Medien ein starkes Interesse daran haben, das Meinungsbild zu prägen?

L.M.: Es gibt natürlich eine Wechselwirkung. Und die besteht natürlich aus Neugier beim Publikum und aus Überdruss. Also wenn man immer wieder schreibt: der Flughafen ist ‘ne Schrottbaustelle, das ist ja so wie jeden Tag geht die Sonne auf, das will ja auch nicht jeden Tag einer lesen. Es gibt einen Abnutzungseffekt und dann gibt es natürlich immer wieder neues Interesse. Also ein neuer Geschäftsführer weckt neues Interesse. Eine neue Superpleite weckt auch neues Interesse. Also insofern besteht das Interesse auch in einer Wechselbewegung. Natürlich wollen wir nicht an unserem Publikum vorbei schreiben, arbeiten, das ist ja logisch, aber wir nehmen darauf nicht 100prozentig Rücksicht. Sonst hätten wir teilweise monatelang keine Zeile über den BER geschrieben, weil die Leute tatsächlich irgendwann auch mal pappsatt sind und es nicht mehr lesen können. Das kann ja aber nicht sein, dass wir dann sagen: „Dann berichten wir nicht mehr darüber“. Denn wir verstehen unsere Aufgabe ja schon auch als Kontrollinstanz und insofern muss man natürlich ein bisschen austarieren, dass man die Leute nicht völlig überfordert aber wir bringen regelmäßig immer wieder auch sehr sehr detaillierte Texte, von denen wir schon auch wissen, also jetzt ein Burner wird das nicht, ne. Das lesen halt irgendwie die Leute, die sich damit intensiv beschäftigen und alle anderen sagen: „Schon wieder 180 Zeilen über den BER. Sagt mir Bescheid, wenn das Ding aufgemacht wird.“ Aber dann kann man ja nicht sagen, wir stellen die Berichterstattung deswegen ein.

Wer prägt die Öffentliche Meinung neben den Medien am meisten?

M.F.: „Knifflige Frage, weil ich halt so die Lokalpolitik nicht so im Auge habe.

Aber so aus meiner Sicht, würde ich sagen, diejenigen die am lautesten schreien, haben immer ‘ne höhere Präsenzchance. Das ist leider vollkommen banal, aber Journalisten gehen doch früher oder später immer zu dem hin, der am lautesten schreit, weil sie denken, da muss ja irgendwas sein, wenn der hier so rumschreit […].“

 

Ist es wirklich so, dass über die die am lautesten schreien berichtet wird oder prägt vielleicht auch das Bild der Medien, die Meinung der Leute die aufschreien? Was war als erstes da?

M.F.: „Ja da gibt es sich selbst verstärkende Effekte. Also ich wollte das jetzt auch nicht ganz so zugespitzt sagen: mit dem ´am lautesten schreien´, das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass man platziert wird in den Medien. Hier kommt ja noch ein besonderer Faktor dazu: die Leute sind wahnsinnig genervt vom BER. Alle wissen, dass es Milliarden Steuergelder kostet. Die Verzögerung hat die Stadt und die ganze Region wahnsinnig viel Geld gekostet. Es ist irgendwie frustrierend, es ist peinlich. Jemand der da drauf haut, der irgendwie sagt: „Der BER ist das peinlichste Bauprojekt der Bundesrepublik Deutschland“, der fällt mit dieser Äußerung sofort auf fruchtbaren Boden, weil die meisten Leute nämlich auch so denken.“

Wie würden Sie die Berichterstattung beschreiben?

M.F.: „Die Berichterstattung hat sich emotionalisiert. Das liegt tatsächlich an dem Social Media Effekt, an dem Effekt der digitalen Berichterstattung, dieser Unmittelbarkeit der Berichterstattung. Ich habe das Gefühl ich bin sehr schnell sehr drin in diesem Berichterstattungsfeld. Die Politiker benutzen die Medien auch anders. Die Sätze sind kürzer. Die Analysen sind kürzer. Und so war das eher gemeint. Wer was Schlechtes über den BER sagt, redet dem Volk nach dem Mund und dem Volk nach dem Mund reden das kommt immer gut. […] Und es gibt auch bei der Berichterstattung sone gewisse Sehnsucht nach dem Scheitern, Sehnsucht nach der Katastrophe. Natürlich haben Journalisten auch ‘ne gewisse Katastrophensehnsucht. […] Ein totales Scheitern ist immer super. Warum? Weil sie können damit eines der Urinstinkte der Zuschauer bedienen. Nämlich […] die Lust daran andere Leute untergehen zu sehen.“

 

Wie sehen Sie die aktuelle mediale Debatte? Hat die Berichterstattung noch Informationsgehalt?

M.F.: „[…] Da gab es so eine Phase, wo der Ton immer aggressiver geworden ist und immer mehr verrückte Sachen geschrieben worden sind. Wo auch drin stand: ‚der Flughafen wird nie fertig´. Und plötzlich hieß es, das Terminal soll abgerissen und wieder aufgebaut werden […] also total crazy Zeugs. Lütke Daldrup hat im Winter dieses eine besagte Hintergrundgespräch gemacht. […] Das war so ein Turning Point irgendwie. Danach hat sich die Tonalität in der Berichterstattung, finde ich, geändert. Da waren wirklich sehr viele Leute dabei. Da waren bestimmt 18 Journalisten. Er hat erstmals richtig erzählt über die Verträge, über die verschiedenen Baufirmen, über das was schiefgelaufen ist. Das haben die Leute dann verstanden und haben plötzlich selber das auch eingebaut und haben auch gemerkt, was ist eigentlich vernünftig zu schreiben und was ist nicht vernünftig zu schreiben. Die hatten irgendeinen „Vernunftsfilter“ nach diesem Termin. Das hat man deutlich gemerkt.“

Haben sie die Konferenz am 17.12.17 mit Lütke Daldrup auch als Wendepunkt der Berichterstattung wahrgenommen, der den Medien einen „Vernunftsfilter“ aufsetzte?

L.M.: Nee, also wir wenden bei der Berichterstattung beim BER an, was wir sonst auch anwenden. Und da richten wir uns nicht danach, wem könnte etwas gefallen oder nicht gefallen oder wir machen ‘ne Konferenz, wir müssen jetzt weniger kritisch sein, weil oder so Oder besonders kritisch. Ehrlich gesagt, das ist sone Vorstellung wie Journalismus funktioniert, die nur aus dem Fernsehen kommen kann oder aus schlechten Filmen. Also so funktioniert es nicht. Also alle die sich als Journalisten verstehen, die haben ja den Ehrgeiz möglichst viel rauszukriegen und das auch zu schreiben. Und nicht irgendwie einen Filter draufzusetzen und zu sagen dem will ich nicht schaden oder dem will ich ganz besonders schaden. Also mir sind diese Kategorien auch völlig fremd.

 

Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung des BER ein?

Denken Sie, dass der BER zum geplanten Termin im Oktober 2020 eröffnet wird?

L.M.: Ich gehe mal davon aus, dass der Flughafen eröffnet. Ob er so eröffnet wird, wie sie es jetzt noch geplant haben, machen wir mal ein Fragezeichen dran […] Es ist ja ein Puffer eingebaut, ein zeitlicher für die Dinge die nicht funktionieren. Und nach unserer Berechnung ist der jetzt auf zwei Monate zusammengeschrumpft. D.h. wenn jetzt alles optimal läuft, hat man nur noch einen zeitlichen Pannenpuffer von zwei Monaten. Das ist eigentlich zu wenig, um das noch hinzukriegen. Also es ist in dem Projekt noch nie so gewesen, dass über so einen langen Zeitraum, […] jetzt haben wir 2018 und das sind jetzt noch zwei Jahre hin, dass da nicht noch irgendetwas passiert ist fast ausgeschlossen. D.h. also ich rechne schon damit, dass es ultra knapp wird oder nochmal verschoben wird.

M.F.: Ich habe diesen Lütke Daldrup jetzt ́n paar Mal kennengelernt und ich nehme dem ab, dass der es schafft diesen Flughafen im Jahr 2020 zu eröffnen.“

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