BER – „desperately needed“

Im Zuge unserer Untersuchung bzgl. des Einflusses der Stakeholder auf den BER, liegt unser Schwerpunkt auf dem Verhalten der Fluggesellschaften. Während der Arbeit kamen viele Fragen auf, deren Beantwortung sich im Rahmen einer Internetrecherche als schwierig erwies.

Erfreulicherweise stand am Freitag, den 15.06.2018, ein Interview mit dem Station Manager der Fluggesellschaft Air France KLM, Karl Marx, an.
Dieser begann bereits 1988 seine Karriere als Airport Agent in München. Rund 8 Jahre später wurde er Deputy Station Manager in Frankfurt. Im Laufe seiner weiteren Karriere, arbeitete er viele Jahre am Standort Berlin. Heute ist er als Station Manager verantwortlich für:
o  Sicherheitsmanagement Systeme
o  Qualitätsmanagement
o  Leistungsüberwachung
o  Digitalisierung und Self-Services
o  Neue Technologien und Prozesse
Da er durch seine Tätigkeit über sehr viel betriebsspezifisches Wissen verfügt, eignete er sich besonders gut für die Beantwortung unserer Fragen.
Abgesehen von den Managementtätigkeiten war er in drei Infrastrukturausschüssen an der Flughafenentwicklung beteiligt und kennt die internen Abläufe verschiedener Flughafenprojekte.
Herr Marx kam gut gelaunt in den Raum, begrüßte uns und stellte sich vor. Die Stimmung war sehr locker. Dann begann das Interview.
Warum Tegel geschlossen werden muss und Fluggesellschaften sich zum Thema BER generell eher zurückhaltend äußern erklärt er im folgenden Interview.[1]

Was macht einen potenziellen Flughafenstandort für eine Fluggesellschaft wichtig?

Ein Flughafen kann zwei Funktionen erfüllen: Er kann als ein lokaler Flughafen mit einem großen Einzugsgebiet fungieren. Dabei wird er nicht nur für Urlaubs-, sondern auch für Businessreisen genutzt. Damit verdienen wir als Air France das meiste Geld.
Außerdem kann er als Drehkreuz genutzt werden. Passagiere, die von andernorts kommen, verlassen den Flughafen nicht, sondern nehmen Anschlussflüge. Solche Drehkreuze sind Frankfurt und München für Lufthansa. Für uns sind es Paris und Amsterdam.
Punkt-zu-Punkt-Flüge erfordern mehr Logistik und Infrastruktur. Sie werden meistens von Billigairlines durchgeführt. Generell sind sie im Vergleich eher teuer. Wir können 400 Reiseziele anbieten. Billigairlines dagegen können dies normalerweise nicht.
Ein Drehkreuz ist sehr wichtig. Meiner Meinung nach wird Berlin aber nicht zum Drehkreuz.

Hat Berlin Ihrer Meinung nach trotzdem eine hohe Bedeutung für Fluggesellschaften? Auch für internationale? 

Ja, es existiert eine sehr große Nachfrage für Berlin, was auch verständlich ist, denn es ist die Hauptstadt. Berlin hat eine sehr hohe Bedeutung. Unser Passagieraufkommen liegt deutschlandweit bei 5,4 Millionen Passagieren pro Jahr. 1,2 Millionen Passagiere sind es allein für Berlin. Berlin ist in Deutschland mit Abstand die wichtigste Station für uns.

Wie stehen Sie zur Offenhaltung des Flughafen Tegels? 

Ich denke, dass beide Flughäfen für eine gewisse Zeit offenbleiben werden. Es wurde eine Vereinbarung zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg getroffen. Darin wurde verabschiedet, dass die Schließung des alten Flughafens eine Grundvoraussetzung für die Baugenehmigung des BER darstellt. Die Idee war es einen einzigen Flughafen zu haben. Tegel muss im Rahmen des gesetzlichen Beschlusses geschlossen werden. Dieser kann aber auch noch geändert werden.
Meiner Meinung nach muss Tegel schließen. Ich bin ein Fan von Tegel. Ich war Station Manager in Tegel. Aber Tegel aus Kapazitätsgründen am Leben zu erhalten, ist nicht die Lösung. Zwei Flughäfen bedeuten auch doppelte Kosten.
Es gibt einen Masterplan für eine Kapazitätssteigerung des BER, um bis zu 55 Millionen Passagiere pro Jahr zu erreichen. Wir sind heute bei 32 Millionen. Oft hört man in der Diskussion um mehrere innerstädtische Flughäfen, dass andere Großstädte auch mehr als einen Flughafen besitzen. Wenn Sie sich aber Amsterdams Flughafen mit 66 Millionen oder Frankfurts Flughafen mit rund 70 Millionen Passagieren anschauen, sehen Sie, dass es nicht notwendig ist, zwei Flughäfen aufrecht zu erhalten. Wir brauchen also nur einen Flughafen, welcher der Nachfrage entspricht. Es macht langfristig keinen Sinn, Tegel am Laufen zu halten.

Warum zögern die Fluggesellschaften so sehr die Lage zu kommentieren?

Wir tun es. Vielleicht nicht öffentlich, aber wir haben BARIG und BDF, die sich intern mit allem auseinandersetzen. Es ist sehr riskant. Das ist der Grund, warum ich immer aus meiner eigenen Erfahrung spreche und nur meine persönliche Meinung mit Ihnen teile. Wir wollen nicht zu den politischen Spannungen beitragen, die wir bereits haben.
Es wird an zentralen und konstruktiven Grundlagen seitens der Airlines gearbeitet.

Denken Sie, dass es hilft, wenn sich die Fluggesellschaften stärker beteiligen würden und mehr öffentlich Stellung nehmen würden?

Ich denke es würde nicht helfen und die Prozesse auch nicht beschleunigen. In den früheren Stadien des Bauprozesses kamen Vorschläge, den BER abzureißen und neu zu bauen. Ich denke, es ist noch nicht zu spät. Es gibt bei uns Mitarbeiter, die sich mehr als ich mit Flughäfen weltweit beschäftigen und welche auch den BER mehr oder weniger beraten. Was man beobachten kann, ist dass es einfach Zeit braucht.

Lufthansa-Vorsitzender Thorsten Dirks äußerte sich bei einem Interview „Der BER wird abgerissen und neu gebaut“. Wie schätzen Sie die Auswirkungen solcher Aussagen auf die Öffentlichkeit ein?

Diese Statements sind nicht hilfreich. Sie erzeugen unnötigen Wirbel. Obwohl diese Aussage nicht komplett falsch war, ist es nicht hilfreich, sie zu veröffentlichen. Ich denke, es war nicht die Absicht des Mannes, sie der Presse zugänglich zu machen. Was man für den BER braucht, ist Ruhe, um die Arbeit fertigzustellen.

Spielen Nachtflugverbote eine entscheidende Rolle in der Strategie einer Airline?

Das hängt davon ab, wie es gehandhabt wird. Während der Nachtruhezeit zu landen ist sehr teuer. Es existieren nur zwei Flughäfen in Deutschland, die kein Nachtflugverbot haben.
Wir sehen Bedarf für ein Nachtflugverbot, ansonsten würden wir keine Akzeptanz bekommen. Es gibt aber auch damit verbundene Schwierigkeiten z.B. bei einigen Minuten Verspätung einen Flug nach Hannover umzuleiten.
Momentan ist das Nachtflugverbot von 23-6 Uhr. Die Zeit für Nachtflugverbote auszudehnen, würde keinen Sinn ergeben, da die ersten und letzten Flüge vor allem für Geschäftsreisenden am wichtigsten sind.

Lufthansa möchte sich auf den BER, Ryanair auf Tegel konzentrieren. Wie können Sie diese verschiedenen Positionen erklären?

Jede Airline hat unterschiedliche Anforderung an Flughäfen. Wenn man die Strategie nur auf Point-to-Point Flüge auslegt, ist es besser Tegel als Standort zu benutzen, da die Zustimmung der Fluggäste für diesen Flughafen aufgrund seiner Nähe zur Stadt steigt.
Lufthansa könnte dies nicht machen. Sie brauchen einen größeren Flughafen, weil ihre Strategie eher auf Verbindungsflüge ausgelegt ist.

Sind die Kosten höher, wenn man einen Flughafen nicht als Drehkreuz benutzt?

Nein, für uns macht es keinen Unterschied. Wir zahlen nur Passagiergebühren. Für Passagiere, die nur umsteigen, wird weniger gezahlt, da nicht so viel an Infrastruktur gebraucht wird.

Wie war die Situation für Sie, als Sie erfuhren, dass der BER nicht rechtzeitig eröffnet?

2012 war sehr kritisch, ich war nicht vor Ort, aber bereits mitinvolviert. Es wurde 3 Wochen vor der geplanten Eröffnung ein Test durchgeführt, bei dem alle Beteiligten bereits ein schlechtes Gefühl hatten. Es wäre eine Katastrophe, wenn wir tatsächlich umgezogen wären. Bis zum letzten Moment wurde uns aber nichts mitgeteilt.

Denken Sie, dass BER 2020 eröffnen wird?

Ich arbeite in einem Umfeld, in dem man es sich zuerst gut überlegen muss, bevor man etwas äußert. Die Eröffnung 2020 ist die einzige offizielle Information, die wir haben und wir legen unseren Plan dementsprechend aus. Aber – nichts ist unmöglich. Ich bin mehr um die Situation in Tegel besorgt als um den BER.

Was sind Ihrer Meinung nach die drei wichtigsten Lektionen des Projektmanagements?
– vor dem Bau planen
– alle Parteien von Anfang an involvieren
– mit den Nutzern sprechen

[1] Das Interview fand in Englischer Sprache statt. Bei den folgenden Antworten handelt es sich um die eigene Übersetzung der Verfasser.

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