“Es wird nicht mehr schön in Schönefeld!”

Dieses Statement von Martin Delius beschreibt die Meinung des ehemaligen Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, zur Aufklärung der Kosten- und Terminüberschreitungen beim Bau des BER, ziemlich gut.

Martin Delius

Im Rahmen eines Interviews mit Martin Delius erläuterte er uns aus seiner Sicht, warum und wie aus dem Großprojekt BER der Pannenflughafen BER wurde. Dabei betonte Delius, dass er zur Zeit des Untersuchungsausschusses zwar Mitglied der Piratenpartei Deutschland war, inzwischen aber den Linken beigetreten sei.

 

Der Anfang vom Ende – war dieser vielleicht im Vorhinein schon abzusehen? Delius differenziert zwischen drei Komponenten, die den Verlauf des Projektes nachhaltig prägten: die Standortwahl, die Komplexität des Projektes sowie die Struktur der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg.

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„Das ist ein Perpetuum mobile politischen Versagens.“

 

Stefan Evers, Generalsekretär der CDU Berlin, im Interview

Stefan Evers ist Generalsekretär der CDU Berlin. Prägnant und stichhaltig berichtend konnten wir ihn beim Interview im Henry-Ford-Bau unserer Freien Universität erleben. Überraschend ehrlich berichtete er über den Untersuchungsausschuss und seine Erkenntnisse und vor allem Lehren, welche man aus diesem ziehen sollte.

2011 gelangte die CDU in die Regierungsverantwortung. Evers war frisch gewählt, er hatte damals vor allem mit den Planungsvorhaben Berlins zu tun. Schon innerhalb der Koalitionsverhandlungen wurde der BER als wichtigstes Infrastrukturprojekt der Region vorausgesetzt. Unerwartet kam der Tag der Absage der Flughafeneröffnung, welcher nach Evers Wahrnehmung damals noch nicht absehbar war.

„Nach der Verschiebung hat sich relativ bald ergeben, dass die Tragweite deutlich größer ist als wir es am Anfang gesehen haben. Es ist ja eine kurze Verschiebung, dann eine Längere und dann wurde gar kein Eröffnungstermin mehr in den Raum gestellt und das war dann auch der Zeitpunkt, als klar war, wir werden uns in ganz anderer Art und Weise, nämlich in Form eines Untersuchungsausschusses mit dem Projekt auseinandersetzen müssen.“, so Evers.

Evers wurde bei der Einberufung des Untersuchungsausschusses im Jahr 2012 Obmann, er war Sprecher und übernahm die Koordination für die CDU-Fraktion in diesem Ausschuss. Der Ausschuss tagte bis zum Ende der Legislaturperiode, ganze vier Jahre befasste sich Evers mit diesem.

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Alfredo di Mauro: BER – das große Projekt mit viel Ärger (Teil II)

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold?

Nicht treffender könnte die Lage am Flughafen BER durch den Dichter und Autoren Friedrich Löchner ausgedrückt werden; „Fast jede Kommunikation ist eine Kette von Mißverständnissen“.
Nur zu gerne ist der ehemalige Planer der Brandschutzanlage am BER, Alfredo di Mauro, mit unserer Studiengruppe am 28.05.2018 in Kontakt getreten, um Gehör zu bekommen, wo es ihm an anderer Stelle versagt wurde.
Beim Thema Technik steht vor allem eine Frage im Raum: wie konnte es nur zu all den Fehlern kommen? Ein zentraler Punkt war dabei die Kommunikation – mit eines der Einflussfaktoren für ein erfolgreiches Großprojekt.
Der Informations- und Kommunikationsfluss auf der Baustelle wird dabei vor allem durch den Projektsteurer beeinflusst, der das Vorgehen organisiert und Teams bildet, um bestimmte Anliegen zu diskutieren. Hierbei hätte man mehr auf die Stimmen zwischen den Hierarchieebenen hören müssen, um Fehler frühzeitig zu erkennen. Denn laut Alfredo die Mauro „brauche nicht jeder auf der Baustelle einen Doktortitel“ zu haben, um wichtige Erkenntnisse zu liefern und Gefahren zu erkennen und weiterzuleiten. Jedoch empfand der technische Planer die Kommunikation sehr einseitig, vor allem von oben herab statt auch Mitarbeitern zuzuhören, die direkt an der Praxis des Bauens beteiligt sind.
Weiterhin kritisiert di Mauro, dass Großprojekte von Fachleuten geplant und organisiert werden sollen. Im Flughafenmanagement waren und seien zu viele Leute, die „keine Ahnung haben vom Bauen“. Daraus folgernd wurden Entscheidungen getroffen, die die Einhaltung von Terminen unmöglich machten, Prozesse verlangsamten und veränderten. Es gab viele Entscheidungsträger, die primär ihre eigenen Interessen verfolgen statt der schnellen Fertigstellung des Flughafens. Vorzufinden sei ein „politisches Kräftemessen“, jeder sei beeinflusst von Meinungen von innen und außen, sodass auf der eigenen Baustelle nicht einmal mehr zusammengehalten wurde.
Hinzuzufügen zum Flughafenmanagement sei, dass der ständige personelle Wechsel fatal sei für die stetige flüssige und transparente Kommunikation auf der Baustelle. Ein kontraproduktiver Faktor sei da auch die Dokumentenvernichtung gewesen, die der Fast-Ingenieur selbst mitbekommen habe. Dabei wurden Unterlagen aufgrund von Platzgründen vernichtet – so hieß es in einem Auszug aus dem E-mailverkehr zwischen Herrn di Mauro und der Flughafenverwaltung.
Fraglich sei auch die Verteilung von Verantwortung an der Berliner Landesgrenze. Gerne wurden sowohl auf dem Flughafenboden sowie in den Medien Aussagen so gedreht und gewendet, sodass anderen Personen die Schuld zugesprochen wurde, um selbst seine Position unbefleckt beibehalten zu können.
Jedoch sollte es laut Alfredo di Mauro um Sachlichkeit gehen und alle ein gemeinsames Ziel vor Augen haben: das erfolgreiche Abschließen des Megaprojektes Flughafen BER. Die unzureichende, wenn nicht sogar fehlende Kommunikation zwischen relevanten Gruppen kommt dem Projekt jedenfalls nicht zu Gute.

Verfasst von: Teilgruppe 02a – Technische Fehler und Stakeholdereinfluss

Aus Fehlern der Großen lernen

campus.leben – Studierende des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin untersuchen den Einfluss von Medien, Parteien, Experten und Bürgerinitiativen auf das Flughafenprojekt BER

https://www.fu-berlin.de/campusleben/lernen-und-lehren/2018/180628-ber-projekt-timo-braun/index.html

Air France-KLM: Stellung zum BER, Rolle im Planungsprozess und Auswirkungen der Verschiebungen (Teil II)

Das Projekt Flughafen BER wird heute überwiegend kritisch betrachtet. Verschiedenste Anspruchsgruppen wie Bürgerinitiativen und Lokalpolitiker äußern sich öffentlich negativ, Journalisten tragen durch ihre Berichterstattung zur Positionierung der unterschiedlichen Stakeholder und nicht zuletzt zu einer Beeinflussung der öffentlichen Meinung bei. Auffällig ist jedoch, dass sich die Fluggesellschaften in ihren öffentlichen Aussagen überwiegend bedeckt halten und eine klare Positionierung vermeiden. Wie stehen die verschiedenen Airlines zum Standort Berlin und zum BER?

Wir hatten die Möglichkeit im Interview mit Klaus Marx, dem Regional Station Manager Germany der Air France-KLM, mehr über die Einbindung von Fluggesellschaften in Planungsprozesse beim Großprojekt BER zu erfahren. Ebenso ging Herr Marx auf die aktuelle Situation des Flughafenstandorts Berlin und die Bedeutung dessen für Air France-KLM ein. Im Folgenden werden Ausschnitte des Interviews veröffentlicht, die sich vor allem konkret auf Air France-KLM als Holding Air beziehen. Über die genaue Einschätzung von Herrn Marx hinsichtlich der Flughafensituation in Berlin wird im Blogbeitrag der anderen Projektgruppe „Fluggesellschaften“ informiert.

Klaus Marx ist seit 1988 für Air France-KLM tätig und heute als Regional Station Manager für die Sicherstellung betrieblicher Abläufe über Sicherheitsmanagementsysteme, Performance Monitoring und Qualitätsmanagement verantwortlich.

Bereits im Voraus des Interviews stellte Herr Marx die Wichtigkeit der Kundenorientierung für Air France-KLM heraus. So arbeitet die Holding Air an neuen Technologien, um Passagiere besser zu informieren, den Check-In-Prozess zu erleichtern und die „Airport Experience“ für Reisende möglichst komfortabel zu gestalten. Der BER entspreche nicht wirklich den Anforderungen Air France-KLMs an einen modernen Flughafen, so gibt es aktuell keine Vorrichtungen für einen Check-In mit Mobilgeräten. Generell seien Self-Service Infrastrukturen am BER unterrepräsentiert. 

Schöne Check-In Schalter, allerdings noch keine Möglichkeiten zum komfortablen Self Check-in. (eigene Bildquellen)

Dementsprechend gering sei auch das bisherige Commitment. Herr Marx stellte klar, dass Air France-KLM, wie fast alle Fluggesellschaften außer Lufthansa und früher Air Berlin, bisher kaum in Planungsprozesse einbezogen worden sei. Dennoch werde der BER dringend gebraucht, da Berlin-Tegel nicht mehr fähig ist, sich dem aktuellen Flugverkehr entsprechend anzupassen und kein Potential für weiteres Wachstum besteht.

 

 

 

Herr Marx, Sie sagten bereits, dass der BER Ihren Bedürfnissen als Airline nicht wirklich entspricht und sie auch in Planungsprozesse am BER als Fluggesellschaft kaum eingebunden werden. Welche negativen Auswirkungen sind für Ihr Unternehmen durch die Verzögerungen und auch durch den medialen Diskurs entstanden?

Die negativen Auswirkungen, die wir jeden Tag erleben, sind das „Tegel-Erlebnis“. Für manch einen Passagier mag die kurze Distanz praktisch sein. Man ist nah an der Stadt, das ist sehr komfortabel.

Jedoch ist das Erlebnis des jeweiligen Fluggasts abhängig vom benutzten Terminal. Unsere Terminals variieren, da es auch Verschiebungen (Anmerkung: zu anderen Terminals) geben kann.  Dort findet man teils Infrastrukturen und Einrichtungen vor, welche nicht dem entsprechen, was man von einem Hauptstadtflughafen erwartet.

Wenn man bei Regen durch den Flughafen Tegel läuft und es in das Gebäude hineinregnet, man das Flughafengelände ablaufen muss, um zum Gepäckbereich zu gelangen… das ist ein negatives Erlebnis für die Flugreisenden. Zudem ist es aufgrund der hohen Fluggastzahlen in Berlin-Tegel für alle dort Arbeitenden schwer, den Flughafen „am Laufen“ zu halten. Wir haben also bisher nicht so viel Schaden durch die Nicht-Eröffnung des BER erfahren, viel eher durch die negative Erlebnisse der Passagiere am Flughafen Berlin-Tegel.

Sie erwähnten, dass Berlin als Standort sehr wichtig ist und, dass der BER in Zukunft dementsprechend wichtig sein wird. Wir fragen uns, warum die Airlines im Allgemeinen so widerwillig eine Stellung in Bezug auf den BER beziehen. Keine Airline äußert: „Ja wir wollen ihn, wir sind glücklich, dass er eröffnet wird…“

Wir äußern das durchaus. Wahrscheinlich nicht öffentlich gegenüber der Presse, aber wir haben für die deutschen Airlines den BDF (Bundesverband für Deutsche Fluggesellschaften) und den BARIG (Board of Airline Representatives in Germany), wo wir als Gruppe den BER unterstützen. Die Positionierung zum BER ist aber eine sehr empfindliche Angelegenheit. […] Wir wollen nicht zu den politischen Spannungen beitragen, die wir bereits haben. Deshalb arbeiten wir sehr wenig profiliert, aber auf einer intensiven und konstruktiven Basis.

Glauben Sie nicht, dass es dem Projekt helfen würde, wenn die Airlines eine stärkere, sogar öffentliche Stellung bezüglich des Flughafens BER beziehen würden? Oder sich stärker an Planungsprozessen beteiligen würden?

Ich glaube – und das ist ziemlich traurig- es wird nicht helfen. Es wird den Prozess nicht beschleunigen, weil das, was da seit so vielen Jahren vor sich geht, seine benötigte Zeit braucht.

Sind für Air France-KLM durch den BER große Kosten entstanden, also nicht nur indirekte Kosten, Sie haben uns von den Unannehmlichkeiten für die Kunden in Berlin-Tegel berichtet, aber irgendwelche direkten Kosten?

Nein, wir hatten Glück, dass wir nur Informationstechnik installiert hatten und für eine Weile bezahlt haben, als wir dachten er (Anmerkung: der Flughafen BER) würde ein paar Monate später eröffnen. Im Übrigen wollten wir unsere Infrastrukturen in Berlin-Tegel abbauen, um diese dann am BER aufzubauen. Aber da dies (Anmerkung: die rechtzeitige Eröffnung) nicht stattgefunden hat, sind wir nicht umgezogen und hatten deshalb eigentlich keine Kosten.

Andere Fluggesellschaften hatten dagegen deutlich höhere Kosten, weil sie bereits am BER in Infrastrukturen investiert hatten oder auch Büroräume außerhalb des Flughafens gemietet hatten. Während ein nicht eröffneter Flughafen keine Nutzungsgebühren verlangen kann, können dies normale Bürogebäude in Flughafennähe, bei unterzeichnetem Vertrag, selbstverständlich.

Gab es durch die Pleite Air Berlins irgendwelche positiven Auswirkungen für Air France-KLM, zum Beispiel freigewordene Kapazitäten?

 Wir hatten mehr Passagiere, aber keine zusätzlichen, ungenutzten Flugzeuge verfügbar, welche wir für Berlin-Tegel hätten nutzen können. Deshalb mussten wir mit unseren normalen Kapazitäten weiterarbeiten und haben lediglich unsere Auslastung ein wenig verbessert. Die war allerdings bereits vorher sehr hoch.

Kann demnach durch den Konkurs Air Berlins ein größerer Vorteil für Air France-KLM realisiert werden?

Wir haben sicherlich mehr Raum für Wachstum. Der gesamte Flughafen wurde jedoch für eine Fluggesellschaft wie Air Berlin gebaut, welche dort ihre Heimatbasis hat und diesen als Hub betreibt.

Heute sind die einzigen Fluggesellschaften, die eine Art Basis hier in Berlin haben, die Billig-Airlines.

Sie hatten bereits den BARIG erwähnt. Wie steht es um seinen Einfluss auf Projekte wie den BER? Ist es ihm möglich dort eingebunden zu werden?

Ja, der Einfluss des BARIG ist sogar größer als der der einzelnen Fluggesellschaften. Es handelt sich dabei um einen Interessenverband, welcher die Interessen seiner Mitglieder bündelt und diese gegenüber Politikern vertritt. […] So werden an vielen Flughäfen die Gebühren für die Nutzung mit dem BARIG und dem BDF verhandelt. Wenn man im Namen von 100 Fluggesellschaften spricht, ist gibt es einem eine deutlich größere bei Verhandlungsmacht. Deshalb ist es sehr hilfreich, ich würde sogar meinen absolut notwendig, um gehört zu werden.

Glauben Sie, dass die Verspätungen und die schlechte Gesamtsituation hätten verhindert werden können, wenn die Fluggesellschaften von Anfang an beteiligt worden wären? Und nicht nur Lufthansa und Air Berlin?

Vielleicht, da man früher hätte darauf aufmerksam machen können, was schieflief. Fluggesellschaften haben jedoch auch unterschiedliche Anforderungen an den BER, von daher lässt sich das nicht so pauschal sagen. Dadurch, dass die Planung nicht an einen Generalunternehmer übergeben wurde, lagen die Verantwortlichkeiten bei einer Vielzahl von Unternehmen. Selbst wenn die einzelnen beteiligten Unternehmen alles richtig geplant und durchgeführt hätten, so fehlte es doch an einer integrierenden, koordinierenden Abteilung.

Eine abschließende Frage: Könnten sie beschreiben, wie sich das Kundenerlebnis von Air France-KLM-Kunden am Standort Berlin in fünf bis zehn Jahren gestaltet?

Das hängt vom Passagier ab. Jeder Berliner, so scheint es zumindest, liebt Tegel. Andere Passagiere sagen, das habe ich selbst gehört, sagen: „Oh schau dir das an, ist das wirklich Berlin?!“ Nein wirklich, man erwartet nicht ein Flughafen wie Tegel für Berlin.

Wenn man noch nicht in Deutschland war, erwartet man Hochgeschwindigkeitszüge und schöne Bauten. Die Verbindungen von Tegel aus in die Stadt sind entweder per Taxi, per Bus oder zu Fuß. Das ist etwas, was man von kleinen Flughäfen in kleineren Städten erwartet. Es erfüllt einfach nicht die Erwartungen.

Also stellt der BER eine Chance für Berlin da.
Ja. Und er ist nicht nur eine Chance. Er ist verzweifelt gebraucht.

Flughafen BER: verzweifelt gebraucht, aber noch (lange) nicht fertiggestellt. (eigene Bildquellen)

 

 

 

 

 

 

 

Vielen Dank an Klaus Marx für das gegebene Interview, ebenso an Dr. Joris Ebbers für die Organisation. Das Interview wurde in Englisch geführt und für diesen Blogbeitrag übersetzt verschriftlicht.

Die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens BER für die Luftfahrtindustrie (Teil I)

Der Flughafen Berlin Brandenburg (BER) sollte für die Politik der Länder Berlin und Brandenburg ein Prestigeprojekt werden – ein Flughafen, der deutschlandweit einzigartig ist. So wurde der BER auch als „der modernste Flughafen Europas“ beworben. Heute ist diesem Projekt jedoch durch die massiven technischen wie baulichen Mängel sowie den daraus resultierenden mehrmaligen Verschiebungen des Eröffnungstermins kein Prestige mehr beizumessen. Fraglich bleibt jedoch zunächst, wie die neben den Ländern wichtigen Stakeholder, die Fluggesellschaften, zum Standort Berlin und zum künftigen Flughafen BER stehen. Bis dato zeigte sich der BER für die Manager des Flughafens und beteiligte Politiker gleichermaßen als Aufgabe an der man sich gehörig „die Finger verbrennen kann“, wie bereits einige prominente Beispiele gezeigt haben. Anzuführen sind hier insbesondere der ehemalige Deutsche Bahn AG-Vorstand Hartmut Mehdorn sowie ein Architekt des BER, Meinhard von Gerkan.

Hartmut Mehdorn – ehemaliger Vorsitzender der Geschäftsführung des BER

Insofern verwundert es nicht, dass sich die Fluggesellschaften aufgrund der anhaltenden Unsicherheit nicht eindeutig öffentlich Stellung pro BER beziehen, sondern sich eher bedeckt halten. Außer der mittlerweile insolventen Fluggesellschaft Air Berlin positionierte sich keine Fluggesellschaft klar zum BER. Vielmehr wurde der Flughafen Berlin-Tegel öffentlich unterstützt. Dies zeigt sich unter anderem am Engagement Ryanairs beim Volksentscheid über die Offenhaltung, den Investitionen easyJets in Berlin-Tegel und nicht zuletzt durch eine Aussage des Lufthansa Vorstands Thorsten Dirks: „Meine Prognose ist: Das Ding wird abgerissen und neu gebaut.
Ryanair hatte im Zuge der Volksabstimmung zum Verbleib des Flughafens Tegel am 24.09.2017 eine Kampagne mit der FDP gestartet und für Plakate 30.000€ bereitgestellt. Ryanair fliegt seit Juni 2018 neben Berlin Schönefeld auch vom Flughafen Tegel. Ebenso macht sich easyJet durch Investments in die Übernahme von Maschinen, Personal und Slots von Air Berlin weiter stark in Tegel. Das Unternehmen betont, dass Berlin-Tegel der zweitgrößte Standort von easyJet werden soll.

Flughafen Berlin Tegel

Die größten Fluggesellschaften des Luftfahrtstandorts Berlin sind die Lufthansa (inkl. der Tochterunternehmen Germanwings und Eurowings), Condor, Ryanair und easyJet. Bis zur Insolvenz Ende des Jahres 2017 zählte auch Air Berlin dazu.
Doch welche Bedeutung hat der Standort Berlin und künftig der BER für die deutsche Luftfahrt? Betrachten wir zunächst die Fluggastzahlen für Deutschland und seine größten Flughäfen. Im Jahre 2016 wurden in Deutschland 223 Millionen Fluggäste befördert. Die nach Fluggastzahlen größten Flughäfen Deutschlands sind absteigend der Flughafen Frankfurt mit 60,7 Mio. Passagieren, der Flughafen München mit 42,2 Mio. Passagieren und, bei gemeinsamer Betrachtung von Berlin-Tegel und Berlin Schönefeld, die Berliner Flughäfen mit 33,3 Mio. Flugreisenden. Der Flughafenstandort Berlin fertigt somit knapp 15% des gesamten deutschen Passagieraufkommens ab. Für eine Beurteilung des Potenzials ist ebenso das Wachstum der Fluggastzahlen in Berlin bedeutend. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Zahlen 2015 um 5,54 Prozent gestiegen, 2016 um 11,43 Prozent und 2017 nochmals um 1,27 Prozent. Prognosen gehen von einer Steigerung der jährlichen Fluggastzahlen auf 47 Mio. in Berlin bis 2030 aus.
Insofern weist der Standort Berlin für die Fluggesellschaften strategisch wichtige Wachstumschancen auf, die es in einem eng umkämpften Markt zu nutzen gilt. Insbesondere das stark wachsende Geschäft der Low-Cost-Carrier, allen voran Ryanair und easyJet, dürfte von weiteren Kapazitäten am BER profitieren. Die Schließung des Flughafens Tegel scheint trotz des Volksentscheids, bei dem sich die Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner sich für eine Offenhaltung ausgesprochen haben, bereits beschlossene Sache zu sein und es ist von einem einzigen „Hauptstadtflughafen“ auszugehen. Wann, und überhaupt ob, dies der BER sein wird? Das wird die Zukunft zeigen.

Ankunft des letzten Air Berlin Fluges in Berlin-Tegel

Zur weiteren Beurteilung des BER aus der Perspektive von Fluggesellschaften haben wir ein Interview mit Klaus Marx, dem Regional Station Manager Germany von Air France-KLM, geführt. Mehr dazu, wie er den Status Quo der Berliner Flughäfen, den BER und insbesondere die Einbindung von Airlines in Planungsprozesse einschätzt, könnt ihr in den kommenden Blogbeiträgen zum Interview lesen!

Tags: Air Berlin, easyJet, Lufthansa, Condor, Tegel, Ryanair, BER

Auf die richtigen Hinweise hören!

Martin Delius war Piraten-Abgeordneter im Berliner Abgeordnetenhaus und hat mehrere Jahre lang den Untersuchungsausschuss zum BER geleitet. Im Interview verrät er, was beim Bau des Hauptstadtflughafens schiefgelaufen ist und was die Politik daraus für andere Großprojekte lernen kann.

Der Untersuchungsausschuss hat seinen Auftrag erfüllt, auch wenn er nicht dabei geholfen hat, den BER fertigzustellen. Das sagt Martin Delius, damals der Vorsitzende des Ausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus. Die Fragen seien beantwortet, damit sei die Aufgabe erfüllt. Die Parlamentarier seien schließlich keine Aufsichtsräte.  „Ein Untersuchungsausschuss hat sehr viel Macht“, sagt Delius. „Er kann Bußgelder verhängen, Leute einsperren lassen, Hausdurchsuchungen veranlassen. Mit dieser Macht geht auch eine große Verantwortung einher. Der Untersuchungsausschuss darf zum Beispiel nicht zu einem dauerhaften Ausschuss werden.“ Zwei Mal sei der Auftrag des BER-Ausschusses aber vom Parlament erweitert worden, damit auch neu aufgekommene Fragen geklärt werden konnten. Während des Untersuchungsausschusses konnte Martin Delius als Vorsitzender den öffentlichen Diskurs prägen, wie er selbst sagt. „Ich konnte die Diskussion stark beeinflussen.“ Am Anfang habe er sich mit politischen Äußerungen zurückgehalten, später nicht mehr, nachdem er gemerkt habe, dass Abgeordnete anderer Parteien sich häufig äußern.

Was kann die Politik aus den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses lernen?

Martin Delius: Wer den Abschlussbericht ernsthaft liest, lernt darin sehr viel. Parlamentarier sollten lernen, sich an die eigene Nase zu fassen. Sie waren lange Zeit zu faul, Anfragen zu stellen. Die öffentliche Verwaltung sollte lernen, dass sie Leute mit Aufsichtsratsposten nicht überlasten sollte. Was gelernt worden ist: Es gibt jetzt wesentlich mehr öffentliche Transparenz über sogenannte Interna von Unternehmen, die am Bau beteiligt sind.

Warum konnten sich die Parteien nicht auf einen gemeinsamen Abschlussbericht einigen?

Es gibt einen gemeinsamen Bericht und zusätzlich noch Sondervoten von den Grünen, von den Linken und von mir. Im Bericht selbst steht nichts Falsches drin, die Beurteilung ist jedoch Meinung der damaligen rot-schwarzen Koalition. Da ist klar, dass die Parteien ihre eigenen Leute – Michael Müller, Klaus Wowereit, Frank Henkel – besonders gut aussehen lassen wollten.

Wann wurde bei der BER-Planung der erste Fehler gemacht?

Schon ganz am Anfang. Es gab ein Standortfindungsverfahren, wo verschiedene Standorte geprüft wurden. Zum Beispiel wurde gefragt, wie gut sie erreichbar sind, ob es machbar ist, dort einen Großflughafen zu bauen, etc. Auf dem ersten Platz landete Sperenberg, Schönefeld hingegen war nicht unter den ersten drei Favoriten. Wenn sich aus einem ordentlichen Verwaltungsverfahren erst einmal eine Reihung ergeben hat, dann ist es schwer, dagegen zu argumentieren. Damals wurde das Ergebnis aber in den politischen Diskurs gegeben. Dann gab es ein 6-Augen-Gespräch zwischen Eberhard Diepgen, Manfred Stolpe und Matthias Wissmann. Da ist dann ein Papier herausgekommen, das wir heute als Konsens kennen und wo Schönefeld als Standort vorgeschlagen wird.

Am Anfang sollte der Flughafen nicht alleine von öffentlicher Hand gebaut werden…

Richtig. Das hat aber drei Mal nicht geklappt und dann gab es Neuwahlen und unter Wowereit hieß es dann: Wir lassen das mit der Privatisierung und bauen lieber selbst.

Da gingen die Probleme aber erst los.

Es wurde kein Generalbauunternehmer beauftragt, von denen es einige gibt. Zuerst hat man einen Preis festgelegt. Das waren 2,8 Milliarden, mit Puffer bis zu 3,4 Milliarden Euro. Die Firmen wollten aber alle mehr. Also ist man selbst als Bauherr aufgetreten. Das hat aber nicht geklappt. Beim Terminal zum Beispiel wollten die Firmen alle mehr als die Politik bereit war zu zahlen. Statt zu diskutieren und zu reagieren, hat man entschieden: Wir teilen das Projekt weiter auf, z.B. in Hochbau und Tiefbau.

Was ist daran schlimm?

Es ist ein Irrglaube, dass der Bau am Ende soviel kostet wie die Summe der Aufträge. Man braucht mehr Geld, zum Beispiel für die Steuerung. Am Ende waren es 37 einzelne Projekte, die so klein waren, dass man lokale Firmen als Auftragnehmer bekommen hat. Die unterliegen aber einem ganz anderen Preisdruck und die haben sich beeinflussen lassen von der politischen Kommunikation. Die haben ihre Angebote gemacht im vollen Bewusstsein, dass sie den Preis nicht halten können. Die haben mit Nachträgen gerechnet. Gleichzeitig war die Flughafengesellschaft überfordert. Sie muss nicht mehrere Flughäfen betreiben, sondern nun auch 37 Aufträge vergeben, überwachen und sich mit den Unternehmen herumschlagen.

Was ist Ihr Fazit daraus?

Wenn man merkt, dass man auf dem freien Markt ein Produkt nicht bekommt zum gewünschten Preis, dann ist es nicht die beste Idee, es selber herzustellen. Das ist unverantwortliches Projektmanagement.

Was hätte man stattdessen tun sollen?

Man hätte im Haushalt Geld bereitstellen können für eine ordentliche Entwurfsplanung. Und erst danach dann weitersehen.

Später sollte ein construction management etabliert werden. Was hat es damit auf sich?

Im Jahr 2008 haben die Banken gesagt: Wir finanzieren das Projekt, aber ihr braucht ein construction management, ihr könnt nicht einfach ein Generalbauunternehmen ersetzen, ihr braucht jemanden von außen. Also gab es eine Ausschreibung und es wurde auch eine Firma gefunden. Die hat nach einem Jahr festgestellt, dass der Zeitplan geändert werden sollte. Das passte der Geschäftsführung aber offenbar nicht in den Kram. Die Firma wurde nach einem Jahr Probezeit nicht weiter beschäftigt. Die Geschäftsführung hat immer entschieden, nichts zu machen und das durch Einsatz von Geld zu verschleiern.

Ihr Rat für eine Geschäftsführung eines Großprojekts?

Man sollte auf die hören, die man dafür bezahlt, dass sie einem die richtigen Hinweise geben.

Die Zukunft des BER ist unklar. Sie wollen das Gelände in einen Messe-Standort verwandeln?

Im Jahr 2015 war überhaupt nicht klar, wie es weitergehen soll. Ich habe damals gesagt: Das ist ein hervorragendes Messegelände. Wir brauchen einen neuen Großflughafen für Mittel- und Osteuropa, mit größerer Beteiligung der Bundesregierung. Gut geeignet wäre ein Standort in Brandenburg, nicht direkt neben Berlin, besser gut angebunden an Polen und Tschechien.

 

 

Alfredo Di Mauro: „BER – das große Projekt mit viel Ärger“ (Teil I)

Wenn man an das Projekt BER denkt, dann ist Alfredo Di Mauro sicher einer der ersten Namen, welchen man hiermit in Verbindung bringt.

Der von den Medien als „falscher Ingenieur“ verschriene Gründer des Ingenieurbüros „TechnikConsult GmbH“ kam durch seine Beteiligung am BER in den Jahren 2007 bis 2014 zu ungewollter Berühmtheit.

Di Mauro war für die Planung eines Teils der Entrauchungsanlagen verantwortlich, seine fristlose Kündigung 2014 war ein schnell gefundenes Fressen für die Medien, die ihm nach der Eröffnungsverzögerung des Flughafens die Schuld für die Funktionsunfähigkeit besagter Anlagen zusprachen.

Zuvor war Di Mauro bereits an der Planung der Entrauchungsanlage im Shoppingcenter ALEXA in Berlin beteiligt, jedoch ist er auch in Sachen Skandale nicht ganz unerfahren: Bereits 2002 wurde er beschuldigt, beim Bau eines Ärztehauses in Offenbach gepfuscht zu haben.

Wir haben Herrn Di Mauro getroffen und uns von ihm seine Sicht der Dinge erklären lassen und ihn dazu befragt, wie es seiner Meinung nach zu den zahlreichen, vor allem technischen, Fehlern gekommen sei. „Alfredo Di Mauro: „BER – das große Projekt mit viel Ärger“ (Teil I)“ weiterlesen