Karl Marx und die Entfremdung des Menschen

Karl Marx als Student 1836 – Public Domain, via Wikimedia Commons

Ein Beitrag von Moritz und Alex. (geändert am 21.12.2017)

Bevor Karl Marx 1867 sein Hauptwerk „Das Kapital“ veröffentlichte, befasste er sich mit weitaus philosophischeren, und weniger ökonomischen Themen. 1844, mit 26 Jahren, verfasste er u.a. die „Ökonomisch-philosophischen Manuskripte“, die eigentlich überhaupt nicht zur Veröffentlichung gedacht waren und lediglich Skizzen waren, in denen Marx sich mit dem Arbeiter und dessen Entfremdung auseinandersetzt.

Im Laufe des Textes charakterisiert Marx vier Formen der Entfremdung des Menschen, die wir im Seminar bereits ausgiebig besprochen und diskutiert haben. Die vier Formen der Entfremdung sind die folgenden:

Die Entfremdung

  1.  des Menschen vom Produkt (der Mensch hat keinen Bezug mehr zum Produkt seiner Arbeit)
  2. des Menschen vom Prozess der Arbeit (die Arbeit stellt nicht mehr die Befriedigung eines Bedürfnisses dar, „Zwangsarbeit“)
  3. des Menschen von sich selbst (leitet sich aus den ersten beiden Punkten ab; die Entfremdung des Menschen von seiner Natur)
  4. des Menschen vom Menschen (Fremdentfremdung, welche sich wiederum aus der dritten Stufe ableitet)

Das Menschenbild

Worauf wir uns im Seminar leider weniger stark fokussieren konnten, war die Frage wie sich Marx‘ Menschenbild charakterisiert.
Marx ist der Ansicht, dass sich der Mensch in seiner Arbeit und dem von ihm geschaffenen Produkt verwirklicht und von Natur aus produktiv ist. Die Entscheidung zu arbeiten erfolgt dabei bewusst und aus freiem Willen heraus. Diese freie und selbstbestimmte Ziel- und Zwecksetzung der auszuführenden Tätigkeit ist es, die den Menschen vom Tier unterscheidet. Im Kapitalismus geht diese Natur des Menschen jedoch verloren, die Arbeit erfolgt lediglich um Bedürfnisse außerhalb der Arbeit zu befriedigen. Anstelle der erfüllenden und bereichernden Arbeit tritt „Zwangsarbeit“. Diese kapitalistische Denkweise ist Marx zufolge jedoch fatal, da das („Gattungs“)Wesen des Menschen unteilbar ist, der Mensch also nicht 6 Tage die Woche 14 Stunden arbeiten, und gleichzeitig am siebten Tag der Woche frei sein und sich z.B. politisch engagieren kann. Es gibt keine klare Trennung zwischen privatem und politischem Leben. Der Mensch ist zwar ein soziales Wesen, verwirklicht sich aber durch seine Arbeit. Dadurch wird er frei; sein Gattungsleben erfüllt sich.

Was ebenfalls wichtig ist und leicht übersehen werden kann, ist, dass sich auch der Nicht-Arbeiter, der Kapitalist, also der Fabrikbesitzer z.B., im Kapitalismus entfremdet. Durch die Abgabe der Arbeit an den Arbeiter findet ebenfalls eine Entfremdung von sich und dem Prozess der Arbeit statt. Der Kapitalist kann mit dieser Entfremdung jedoch weitaus besser leben, da seine Entfremdung in Reichtum resultiert, und nicht wie beim Arbeiter in Knechtschaft. Er lebt aber nicht im Einklang mit seiner menschlichen Natur und ist auch entfremdet und dementsprechend nicht frei.

Distanzierung von der Moderne

Bei Constant und Rousseau war die Freiheit in dem Verhältnis zwischen Staat und Individuum angesiedelt. Der liberale Constant setzt dem Souverän – also dem Staat – Grenzen und betont die Bedeutung der persönlichen Freiheit und der Bürgerrechte, die aber die politische Freiheit voraussetzen. Bei Marx geht es nicht mehr um dieses Verhältnis, sondern um das zwischen den zwei Klassen, der Bourgeoisie und dem Proletariat, und um die Folgen dieses System in Bezug auf der Natur und der Freiheit des Menschen. Die echte menschliche Freiheit befindet sich tatsächlich in der Erfüllung des oben genannten Gattungslebens. Diese Erfüllung verunmöglicht aber das kapitalistische Wirtschaftssystem, das eben auf Privateigentum und die von Constant verteidigten einhergehenden Bürgerrechte fußt. In dieser Denkweise unterscheidet sich Marx also drastisch von den Begründern der Moderne.

Marx sieht den Arbeiter zumindest theoretisch als enorm machtvolles Subjekt, das sich aus den Ketten des Kapitalismus durch Revolution selbst befreien kann. In dieser Schlussfolgerung können wir bereits direkte Kapitalismuskritik herauslesen. Kritik, die Karl Marx in seinen späteren Werken nur noch deutlicher äußert.

Weiterführende Literatur:

Barbara Zehnpfennig [Hrsg.] 2004: Ökonomisch-philosophische Manuskripte / Karl Marx. 1. Aufl., Hamburg : Meiner.

Michael Quante [Hrsg.] 2009: Karl Marx. Ökonomisch-Philosophische Manuskripte. Kommentar von Michael Quante. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M..

Nikolai I. Lapin 1974: Der junge Marx. Dietz Verlag, Berlin 1974

Filmkritik zu „Der junge Marx“ bei TitelThesenTempramente

 

 

 

Ist das Theorie oder kann das weg?

Was ist das eigentlich, politische Theorie? Und wozu braucht man das? Das sind die Fragen mit denen wir uns in der heutigen Sitzung beschäftigt haben und die sicher immer mal wieder im Verlauf des Seminars mehr oder weniger prominent auftreten werden. Uns bleiben vor allem zwei wesentliche Erkenntnisse:

  1. Politische Theorie ist nicht eine Sache, es gibt eine breite Vielfalt an Herangehensweisen, Perspektiven und Ansätzen. Das heißt aber nicht, dass alles Nachdenken an sich schon politische Theorie ist. An politische Theorie  sind höhere Ansprüche hinsichtlich der internen Widerspruchsfreiheit, der diskursiven Verankerung im bisher bekannten und der argumentativen Stringenz zu stellen. Politische Theorie – sei sie analytisch, deskriptiv, normativ oder kritisch – ist mehr als nur eine abstrakte politische Meinung zu einer allgemeinen Frage.
  2. Politische Theorien erfüllen ganz unterschiedliche Funktionen:
    • Sie verweisen auf die Entwicklung einer Ordnung und oder Idee.
    • Sie beleuchten Probleme aus normativer Perspektive.
    • Sie beschreiben die Wirkungsbeziehungen innerhalb eines politischen Problemfeldes und tragen so zum Verständnis politischer Probleme bei.
    • Sie liefern klare Begriffe für politische Analysen.
    • Sie verweisen auf ihre eigene Begrenztheit und Zeitgebundenheit und damit auch auf die Möglichkeit einer ganz anderen Welt.
    • Sie bilden die Basis für unterschiedliche Formen von Kritik.

Wie in unserer Diskussion auch herauskam, ist damit politische Theorie zumindest implizit in allen Bereichen der Politikwissenschaft ein wesentlicher Bestandteil der wissenschaftlichen Analyse. Es lohnt sich zu lernen, wie man die theoretischen Grundlagen und Annahmen die hinter bestimmten Fragen stehen auch dann erkennt, wenn sie nicht explizit gemacht werden. Das ist ein Ziel unseres Seminars.

Tafelbild

In der kommenden Woche werden wir uns mit Niccoló Machiavelli beschäftigen. Machiavelli gibt aus zwei Gründen den Auftakt zu unserer Beschäftigung mit Menschenbildern der westlichen Moderne:

  1. Er prägt eine neuartige, wenn auch eben stark durch die Veränderungen seiner Zeit geprägte Sicht auf politische Zusammenhänge. Für ihn zählt das, was wirklich ist, und weniger das, was sein sollte.
  2. Sein Menschenbild ist demnach von empirischer Beobachtung geprägt und wird oftmals als negatives Menschenbild bezeichnet. Ob das so ist, können wir am kommenden Freitag diskutieren.

Als kleine Einführung in den Kontext des Textes lohnt sich folgendes Video – vor oder nach dem Lesen. Ich würde nicht alle Interpretationen teilen, aber im Grundsatz wird alles richtig dargestellt.

Weiterführende Literatur

Skinner, Quentin 2004: Nicholó Machiavelli. Zur Einführung. Hamburg: Junius.

Münkler, Herfried 2004: Niccoló Machialli. Die Begründung des politischen Denkens der Neuzeit aus der Krise der Republik Florenz. Frankfurt a.M.: S.Fischer .