Meinen Beitrag zu unaufgeregten Online-Lehrformen aufgreifend möchte ich kurz erste Ideen für die Lehr- und Lernform „Kolloquium“ präsentieren.
Es geht um folgenden Kurs:
- Kurstitel: Arabistik als Literatur-, Sprach- und Kulturwissenschaft
- Lehr- und Lernform: Kolloquium
- zugehörig zum Modul: Forschungsperspektiven der Arabistik
- Studiengang: MA Arabistik
- Fachsemester: 3
Qualifikationsziele und Kursinhalte
Laut Studien- und Prüfungsordnung dienen Kolloquien der Präsentation und Diskussion selbstständig erarbeiteter Fachkenntnisse insbesondere zur Vorbereitung auf die Masterarbeit sowie der Vertiefung methodischer und theoretischer Zugänge für eigene Fragestellungen.
Meiner Meinung nach sollten Kolloquien fester Bestandteil von Vertiefungsphasen sowohl in Bachelor- als auch in Masterstudiengängen sein; bestenfalls dienen sie dabei nicht nur der Vorbereitung auf die Abschlussarbeit, sondern trainieren allgemein die Kompetenz, eigene und fremde Ansätze zu reflektieren, in Austausch über Ideen zu treten und diese verständlich zu präsentieren.
Aus diesem Grund habe ich im Vorlesungsverzeichnis explizit darauf hingewiesen, dass sich das Kolloquium, wie ich es angedacht habe, auch für Bachelorstudierende in der Vertiefungsphase eignet. Außerdem sind Arabischkenntnisse nicht unbedingt nötig, um die Qualifikationsziele für diese Lehrveranstaltung zu erreichen. Diese habe ich wie folgt gefasst:
- Die Studierenden sind in der Lage, sich in Blog-Beiträgen in essayistischer Form verschiedenen Gegenständen der Arabistik als literatur-, sprach- und kulturwissenschaftliche Disziplin zu nähern;
- sie können verschiedene Theorien und Methoden der Arabistik in ihrer disziplinären Breite anwenden, um erste Ideen für die wissenschaftliche Bearbeitung verschiedener Gegenstände zu entwickeln;
- sie haben die Fähigkeit, sich in Blog-Kommentaren kritisch mit den Ideen anderer auseinanderzusetzen und diese knapp und konstruktiv in schriftlicher Form zu kommentieren;
- sie haben ein Bewusstsein für die Etikette bei der Kommunikation in wissenschaftlichen Blogs.
Ich möchte versuchen, das in der Wissenschaftskommunikation durchaus verbreitete Bloggen für die Umsetzung dieser Lehrveranstaltungsform im virtuellen Raum nutzbar zu machen und die Studierenden damit in Kontakt zu bringen. Inhaltlich liegt der Fokus dabei auf der Frage, wie theoretische und methodische Ansätze für die Arbeit mit Primärtexten und anderen kulturellen Zeugnissen fruchtbar gemacht werden können.
Die Kursinhalte lassen sich dementsprechend formulieren:
- Die Studierenden entwerfen eigene Ideen zur wissenschaftlichen Bearbeitung von verschiedenen ‚arabistischen‘ Untersuchungsgegenständen in Form von Blog-Beiträgen;
- sie üben die schriftliche Darstellung und Diskussion von Ideen und Ansätzen anderer in Form von Blog-Kommentaren;
Ich stelle mir den Ablauf der Lehrveranstaltung so vor, dass in regelmäßigen Abständen ein ‚Gegenstand‘ präsentiert wird, zu dem die Studierenden überlegen, wie dieser Gegenstand in einer schriftlichen Arbeit bearbeitet werden könnte:
- Welche Fragestellungen ergeben sich?
- Welche theoretischen und methodischen Ansätze eigenen sich?
- Was für Sekundärliteratur findet sich?
- …
Die Gegenstände werden variieren: vom Romantext, Manuskriptfolio oder Koranvers über Musikvideoclips, Hollywood-Filme oder Videogames, bis hin zu Inschriften, Architektur oder oral poetry. Die Studierenden werden ermuntert, selbst Vorschläge zu machen, die dann im Blog kommentiert werden und gegebenenfalls in einem Forum in Blackboard weiter diskutiert werden können.
Die Blog-Beiträge zur essayistischen Annäherung an die jeweiligen Gegenstände sollen eine Länge von 500 Wörtern* nicht überschreiten; es geht darum, eine gewisse Spontaneität und Bündigkeit im Umkreisen der Gegenstände zu bewahren, den Studierenden aber auch genug Raum zu einer gewissen methodischen und/oder theoretischen Entfaltung zu lassen. Blog-Beiträge sind keine wissenschaftlichen Hausarbeiten; als Dozentin möchte ich hier sehen, dass die Studierenden ihren Ideen verständlich verschriftlichen können und Reflexionsvermögen hinsichtlich der Ideen anderer zeigen. Dabei muss nicht jeder Gegenstand jede Woche von den Studierenden in Form eines Essay-Blog-Beitrags verarbeitet werden; die Fähigkeit zur Ideenentwicklung und konstruktiven Kritik kann sich ebenso in Blog-Kommentaren zeigen.
Was noch offen ist …
Länge der Blogbeiträge
Aktuell stelle ich mir vor, dass jede Woche ein neuer Gegenstand präsentiert wird. Allerdings möchte ich es den Studierenden überlassen, welche Gegenstände sie bearbeiten oder kommentieren.
Momentan gehe ich von 10 Gegenständen bis zum Ende des Semesters aus. Für die aktive Teilnehme sollen die Studierenden eine Anzahl (mindestens) x von diesen Gegenständen als essayistischen Blog-Beitrag bearbeitet.
Des Weiteren sollen sie in Form von Blog-Beiträgen Rückmeldung zu den Ideen anderer geben; auch hier habe ich mich noch nicht für eine Mindestanzahl von Kommentaren entschieden.
Live-Sessions
Aktuell habe ich nur eine Videokonferenz angesetzt, nämlich für die allererste Sitzung; aber auch das muss nicht unbedingt sein; weitere Sessions dieser Art sind aus meiner Sicht nicht geplant; ich stehe den Studierenden aber wie gewohnt in Video- und Chat-Sprechstunden während des Semesters zur Verfügung.
Im Prinzip teste ich mit diesem Szenario eine zurückhaltende Form der Online-Lehre, die gänzlich in einem asynchronen Format mit wenig Unmittelbarkeit und niedriger Bandbreite aufgeht. Ich hoffe, dass das Blog-Format genügend Anreize zur Kollaboration und zum Austausch bietet.
Öffentlichkeit des Blogs
Eigentlich plädiere ich für das direkte, spontane und jederzeit zugängliche Kommunizieren von Wissenschaft. Aus diesem Grund möchte ich für die Lehrveranstaltung ein öffentliches Blog anlegen, in dem ich die Studierenden als „Autoren“ hinzufüge, sodass sie ihre eigenen Blog-Beiträge und Kommentare selbst bearbeiten, veröffentlichen und löschen können.
Gleichzeitig möchte ich aber meine Studierenden nicht zur Öffentlichkeit zwingen. Daher habe ich überlegt, den Studierenden anzubieten, dass sie mir ihre Blog-Beiträge, sofern sie sie nicht selbst veröffentlichen, im Voraus schicken können (z. B. über die Tagebuchfunktion in Blackboard) und ich sie dann mit dem Hinweis ‚anonymer Blog-Beitrag‘ o. Ä. veröffentliche.
Gleiches gilt für Kommentare. Zwar könnte ich hier in den Diskussionseinstellungen der FU-(WordPress-)Blogs durchaus zulassen, dass Benutzer zum Kommentieren keinen Namen und keine E-Mail-Adresse angeben müssen; dies würde allerdings die Quantifizierung und Qualifizierung der aktiven Teilnahme der Studierenden beeinträchtigen.
In der ersten Sitzung werde ich mit den Studierenden die Frage nach öffentlicher Wissenschaftskommunikation und Themen wie open access und code of conduct beim Bloggen diskutieren.
Abschließend
Ich hoffe, dass sich möglichst viele Studierende in diesem Sommersemester an diesem Blog beteiligen; vielleicht hat es ja sogar darüber hinaus Bestand
Auch werde ich den Eröffnungsbeitrag derart offen gestalten, dass auch Gastkommentare (oder sogar Beiträge) von Studierenden anderer Fächer willkommen sind, obwohl das Blog den Masterstudierenden der Arabistik explizit dazu dient, die aktive Teilnahme in einem Teil des Moduls Forschungsperspektiven der Arabistik zu erbringen. Den Austausch mit Studierenden anderer Fächer stelle ich nicht an erste Stelle, denke aber, dass dieser belebend wirken kann.
Am Ende des Semesters wird sich das Blog vermutlich als Mosaik von Ideen und Gedankengängen zu verschiedenen Themenfeldern der Arabistik und darüberhinaus zeigen – zumindest würde ich mich darüber freuen.
Ideen? Kommentare?
Liebe Mitlesende – ob Ihr nun Lehrende, Studierende, Wissen-Schaffende oder Wissen-Kommunizierende, Menschen in Leitungspositionen im Bereich Studium und Lehre, oder einfach nur Interessierte seid,
kommentiert gern meine Ideen hier!
Noch ist der Beginn der Vorlesungszeit wenige Wochen hin und da ich mich stets in Flexibilität übe, bin ich offen, inspiriert von frischen Ideen meine Kurspläne weiter zu verfeinern.
*Zum Vergleich: Dieser Beitrag hier hat knapp 1000 Wörter.