Ein Gedanke, der mir im Verlauf des gestrigen Tages kam:
Für manche Kursformate oder Studiengänge kann es vielleicht sinnvoll sein, keinen harten Umstieg in die Online-Lehre zu wagen, schon gar nicht direkt im April. Oder vielleicht ist dies sogar ganz generell sinnvoll, eine „ruhige“ Form des Aus-der-Ferne-Lernens zu ermöglichen …
Tool-Flut
Alle, die jetzt anfangen, ihre Kurse für das digitale Sommersemester kreativ umzuplanen, oder schon damit angefangen haben, sind wahrscheinlich durchaus dankbar für die Technologie, die ihnen von Hochschulseite zur Verfügung gestellt werden (auch wenn das Gras auf der Seite jener fancy oder trendy tool, für die die Hochschule ausgerechnet keine Lizenz hat, natürlich immer grüner scheint …). Man schaut sich diverse Tutorials an und macht sich viele (mentale) Notizen zur Verwendung von Blackboard, WebEx, Jabber, Zoom, Slack, Discord, VoiceThread, Audacity, … die Aufzählung könnte unendlich weitergehen. Und nach stundenlanger Versunkenheit in die aufregende Welt der Cybertools, wägt man vielleicht ab, wie sinnvoll die Implementierung solcher Tools überhaupt ist und wie realistisch es ist, dass die Implementierung überhaupt für alle Seiten gleich gut klappt.
Feststeht, dass nicht nur die ersten Wochen des Sommersemesters ohne Präsenz ablaufen werden. Feststeht auch, dass sich Kurse, die sonst auf Präsenzstudium aufbauen, nicht mal eben in Fernstudienkurse umwandeln lassen geschweige denn in Online-Kurse, bei denen Lernziele von vornherein ohne Präsenzzeiten erdacht werden.
Manche neigen jetzt vielleicht dazu, die gewöhnliche Präsenz online imitieren zu wollen, indem sie schlicht 14 Online-Sessions ansetzen und sonst alles ablaufen lassen „wie immer“. Für manche mag das sogar funktionieren – für Lektürerunden vielleicht. Aber es wird nicht für alle Formen von Lehre funktionieren und von Lehrenden umsetzbar und von Studierenden rezipierbar sein. Studierende werden ja nicht nur einen einzigen Kurs online zu absolvieren haben, und so stelle ich mir aktuell vor, wie Studierende zum Anfang der Vorlesungszeit mit E-Mails und Benachrichtigungen überschwemmt werden. Die Überschwemmung wird schon allein aus der vermehrten Arbeit mit Blackboard resultieren, wobei es ja gut ist, wenn Lehrende auf eine Lernumgebung zurückgreifen, die an der Hochschule bereits verankert und den Studierenden bekannt ist. Aber ich stelle mir ebenso vor, dass sich Studierende dann auch mit vielen verschiedenen neuen Tools konfrontiert sehen, weil sich die Lehrenden vielleicht doch für die Verwendung von Zoom oder Slack oder Etherpad entscheiden.
Das schafft komplexe Situationen, die nicht für alle Studierenden gleichermaßen bewältigbar sind, was unter Umständen zu Demotivation führen kann, was wiederum Auswirkungen auf den Unterricht und damit Motivation und den Einsatz der Lehrkraft haben kann – und mittendrin will man dann vielleicht einfach nur den Stecker ziehen.
Ein Plädoyer für einfache Ankündigungen und Text-Dokumente
Möglicherweise kann es sich als gute Idee entpuppen, die Art und Weise, wie Kurse angeboten werden, zu vereinfachen. Ich denke daran, den Unterricht in mindestens einem Kurs ruhiger und eventuell sogar gänzlich entrückt von der vibrierenden Welt der Online-Lernplattformen, Videokonferenztool und Instant-Messaging-Services zu gestalten.
Natürlich ist es nötig, sich in irgendeiner Weise mittels Technologien mit den Studierenden zu verbinden, etwa über Blackboard, das den meisten Studierenden bekannt ist und womit sie eine gewisse Vertrautheit haben. Aber vielleicht muss diese Art der Verbindung nicht ungeheuer komplex oder bunt oder aufregend sein – vielleicht bietet die einfachste Möglichkeit eine Alternative, gar einen Rückzugsort von der dröhnenden, oft unübersichtlichen Welt der Online-Lehre zwischen YouTube und Twitch sein.
Was wäre, wenn man Studierende mittels schlichter Ankündigungen in Blackboard auf dem Laufenden halten würde (alternativ mittels eines simplen Text-Dokuments)? Ein paar Zeilen Skript oder lediglich Notizen zu einem Thema, vielleicht ein Witz hier und da, Links zu Artikeln oder Videos, am Ende Fragen, die die Studierenden in Blackboard beantworten können …
Auch in niedrigschwelliger Form mit wöchentlichen oder zweiwöchentlichen oder monatlichen Arbeitsaufträgen per Ankündigung in Blackboard kann ein Kurs gelingen; er ist dann eine Art strukturiertes Selbststudium unter Anleitung der jeweiligen Lehrkräfte.
Live-Sessions nicht als Bedingung für Lernerfolg
Natürlich machen solche bloßen Ankündigungen, bei denen auch die Formatierung limitiert ist, optisch nicht besonders viel her; aber vielleicht ist es genau diese Schlichtheit eine gute Komponente, etwa in Kombination mit Sprechstunden per Cisco WebEx. Aber solche Sessions können genauso gut optional sein und sie müssen keine Bedingung für den Lernerfolg bilden; sie können einfach als ein In-Kontakt-Bleiben gesehen werden.