Flandern und die Niederlande sind gemeinsam die diesjährigen Ehrengäste der 68. Frankfurter Buchmesse.
Wir stellen unsere Favoriten vor.
Herbst des Mittelalters | Herfsttij der Middeleeuwen (1919)
Johan Huizinga, Deutsche Fassung, unter Benutzung der älteren Übertragung von T. Wolff-Mönckeberg, von Kurt Köster
Als ich 1987 mein Studium der Geschichte an der Universität Leipzig begann, erwähnten meine Professoren einen niederländischen Gelehrten, der ein eminent wichtiges Buch über das späte Mittelalter verfasst habe. Der Name hörte sich für mich damals an wie „Heusinger“. Es brauchte eine kleine Weile, bis der Irrtum aufgeklärt werden konnte. Seither gehört Johan Huizinga zu den von mir bevorzugten Historikern.
Ja damals (o goldene Jugendzeit!) hatten wir Geschichtsstudenten drei Lieblingsbücher, in die wir uns immer wieder vertieften: Huizingas Herbst des Mittelalters, Egon Friedells Kulturgeschichte der Neuzeit und Stefan Zweigs Die Welt von gestern. Wenn ich heute darüber nachdenke, kommt mir diese Kombination ganz folgerichtig vor. Handelt es sich doch um die Werke großer Europäer, die nach dem Schock des 1. Weltkrieges die Merkmale der europäischen Kulturgeschichte aufspüren, ihre Einzigartigkeit herausstellen und das Schützenswerte europäischer Geistigkeit verteidigen wollten.
So auch Johan Huizinga, dessen viel besprochenes und viel kritisiertes Buch die burgundisch-französische Hofkultur des 14. und 15. Jahrhunderts in all ihrer farbigen und brutalen Schönheit wiedererstehen lässt.
Sein klassischer Anfangssatz: „Als die Welt noch ein halbes Jahrtausend jünger war, hatten alle Geschehnisse im Leben der Menschen viel schärfer umrissene äußere Formen als heute“, rührt mich noch immer. Seit ich ihn zum ersten Male las, liebe ich das Mittelalter, diese junge, leidenschaftliche, ganz und gar nicht herbstliche Welt!
Bettina Noak
Tags: Auf Deutsch, Geschichte, Mittelalter, Was wir teilen