„Reichsbürger und Thesenreiter“: Zwei Medienexperten im Vergleich  

Lorenz Maroldt, Chefredakteur des Tagesspiegels, und Michael Fabricius, Redakteur bei der Welt, haben sich beide bereits ausführlich mit dem Thema BER beschäftigt, beide haben davon berichtet und beide waren bei uns für ein Interview zu Besuch.
Doch auch wenn das Thema BER verbindet, scheint es Uneinigkeiten über die Darstellung zu geben. Während Fabricius der Berichterstattung des Tagesspiegels „Thesenreiterei“ vorwirft, bezeichnet Maroldt seinen Kollegen von der Welt als „Schwachkopf“, der ihn eher an „eine Art Reichsbürger“ erinnert.

Bei Einem sind sie sich jedoch auf jeden Fall einig: das Thema BER ist wichtig und obwohl es langsam Keiner mehr hören kann, bleibt es notwendig darüber zu informieren.

 

Humor ist dabei ein häufig genutztes stilistisches Mittel.

Laut Marold könne man sich zwar „BER-Witze erzählen […] bis es dunkel wird“, dürfe dabei aber nicht die Ernsthaftigkeit der Sache vergessen.
So hat der Tagesspiegel eine Art eigenes Ressort aufgebaut, in dem sich vier Mitarbeiter fast hauptberuflich mit dem Flughafen beschäftigen um ihre Leser regelmäßig auf den neusten Stand zu bringen.

Auch Michael Fabricius hat seinen amüsanten Artikel Irgendwann war ich nur noch der Typ aus der Einflugschneise“  erst nur widerwillig geschrieben, denn auch er möchte vermeiden, dass die Bedeutung der Debatte unterschätzt wird.

Auf diesen Artikel hätte damals mehr als die Hälfte der Leser „pampig“ reagiert und den Text falsch verstanden, doch die Reaktionen der Bevölkerung sind nicht die einzige Hürde für Journalisten.
Interesse und Desinteresse, Neugier und Überdruss des Publikums wechseln sich beim Thema BER ab. Maroldt sieht bei diesem wellenförmigen Verlauf bestimmte Ereignisse, wie die neuen Termine, neue Geschäftsführer oder Absurditäten wie die Notwendigkeit des Austauschens der Bildschirme, als Interesse weckende Schlagzeilen und erklärt, dass auf diese Dinge zwar eingegangen wird, der Tagesspiegel sich aber nicht nur nach der Meinung der Leser richtet. „Man versteht sich ja als Kontrollinstanz“, das heißt Artikel, die etwas anspruchsvoller sind, werden vielleicht nicht von ganz so Vielen gelesen, weswegen man die Berichterstattung aber nicht einstellen dürfe.

Ob Massenmedien die öffentliche Meinung beeinflussen, oder von ihr beeinflusst werden, kann uns keiner von beiden eindeutig beantworten, was darauf schließen lässt, dass es sich um eine Wechselbeziehung zwischen den Einflüssen handelt.

Auf unsere Frage, ob und inwiefern die Politik die Medien beeinträchtigen, streiten beide jeglichen Einfluss auf ihre Berichterstattung ab.

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Der ALB-Traum vom Eigenheim

Stellen Sie sich vor: Vor kurzem haben Sie und Ihr Mann geheiratet und nun wollen Sie als ersten Schritt Ihrer Familienplanung ein Haus für Ihre geplanten Kinder bauen. Sie hatten schon mal etwas von einem neuen Hauptstadtflughafen gehört, hatten damals allerdings das Thema aus den Augen verloren. Da Sie aber von Ihrer Familie in der Nähe eines potentiellen Standortes ein großes, wunderschönes Grundstück geerbt haben und dieses gerne bebauen wollen, erkundige Sie sich am zuständigen Amt, ob der Standort Schönefeld noch zur Diskussion stehen würde. Diese Frage wird Ihnen verneint. Somit steht dem Bau Ihres Traumhauses nichts mehr im Weg!
Doch falsch gedacht! Genau durch solch eine Geschichte wird der Traum Christine Dorns vom ruhigen Eigenheim schnell zum Albtraum!

“Jetzt wollen die Leute ihr Recht!”

Durch dieses Statement drückt Christine Dorn ihre Meinung über das Verhalten des BER Managements gegenüber den Bürgern aus. Die Vorsitzende des BVBB (Bürgerverein Brandenburg-Berlin e.V.) tritt für die Anliegen der Bürger Brandenburgs als auch Berlins ein: sie kämpft für die Rechte der vom Flughafenprojekt BER Betroffenen und ist ständig bemüht, diese die Öffentlichkeit betreffenden  Probleme zu lösen. Denn die Eröffnung eines Grossflighafens bedeutet eine enorme Einschränkung der Lebensqualität in der Region .

Einerseits gibt es das schon sehr diskutierte Thema der Flugrouten, die aber, wie Dorn sagt, betreffen vor allem Bürger, die weit weg vom Flughafen wohnen. Das wahre Problem ist der Fluglärm und der damit verbundene Aspekt des Nachtflugverbots. Besonders darüber hat die Vorsitzende des Bürgervereins, Diplom-Ingenieurin und Expertin für Schallschutz, viel zu sagen.

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Der BER und seine Legenden – Dieter Faulenbach da Costa räumt auf

Dieter Faulenbach da Costa, gelernter Stadt-, Regional- und Landesplaner, ist seit 1995 ausschließlich mit der Planung von Flughäfen beschäftigt. Obwohl er nur zu Anfang stark in die Planung involviert war, ist der Flughafen BER das Projekt, das ihn bis jetzt am längsten begleitet. In einem Interview mit Studenten der Freien Universität Berlin war er gerne bereit, seine Erfahrungen und Ansichten bezüglich des BER offenzulegen.

Grundlegend ist Herr Faulenbach da Costa nicht der Meinung, dass die – auch im Untersuchungsausschuss – dargelegten Änderungen die Ursache der im Laufe der Jahre auftretenden Probleme darstellen. Stattdessen wären “Hybris und Inkompetenz” zusammengekommen, vor allem in Form des Architekten, der zuvor noch kein vergleichbares Flughafenprojekt geplant hätte.

Eine weitere Ursache für das Scheitern des Projektes BER sieht er maßgeblich in der Entscheidung für den Standort Schönefeld. Diese wäre allein aus Prestigegründen gefallen, da das Land Berlin nicht ohne Luftverkehrsbehörde dastehen und den anderen Ländern auf diesem Gebiet nicht nachstehen wollte. Das Gelände des Flughafens Schönefeld liegt nämlich zum Teil auf Berliner Boden, was das Vorhandensein einer solchen Behörde begründet habe.

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Wenn drei Gesellschafter bei einem Großprojekt sich regelmäßig die Karten nicht so günstig legen

Jutta Matuschek war sowohl als Mitglied des 2. Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Flughafenprivatisierung, sowie auch als Mitglied im Untersuchungsausschuss Flughafen BER quasi von Beginn an mit dem Thema Flughafen Berlin Brandenburg vertraut. Die gebürtige Brandenburgerin sitzt seit 2011 für Die LINKE im Berliner Abgeordneten Haus und saß dem Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Verzögerung und Mehrkosten am Bau des Flughafens 2012 als Opposition bei. Sie selbst sieht die Kernprobleme vor allem in der Struktur und den Eigeninteressen der drei Gesellschafter Bund, Land Berlin und das Land Brandenburg:

Der Bund möchte eigentlich vor allem kein Geld ausgeben und die Knotenpunkte Frankfurt am Main und München schützen. Berlin hofft selbstverständlich auf Wirtschaftseffekte durch den Tourismus und für Brandenburg ist der Flughafen ein Strukturelement in einer eher strukturarmen Region. Gleichzeitig ist für das Land Brandenburg der Lärmschutz essentiell, weil eben die Anwohner*innen direkt betroffen sind. Die drei Gesellschafter gründen eine Gesellschaft und diese hat als GmbH die Flughäfen zu betreiben und vorher zu bauen. Diese Konstruktion ist eigentlich vom Aufsichtsrat zu kontrollieren. Der beschäftigte sich damit allerdings im Detail ja, aber nicht in der Draufsicht. Die ließen sich auch jeden Planungsabschluss vortragen, aber die Struktur haben sie nicht erkannt.

Während sich also der Aufsichtsrat auf die Pflichten der Gesellschafter Versammlung verlassen hat, hat die Gesellschafterversammlung sich auf den Aufsichtsrat verlassen. So kam es zu der Konstruktion „einer großen Verantwortungslosigkeit“.

Frau Matuschek, können Sie uns aus Ihrer persönlichen Sicht drei „lessons learned“/ Verbesserungsvorschläge sagen, die Sie aus dem Projekt mitnehmen?

„Das ist anspruchsvoll. Erstens: Recht und Pflichten der einzelnen Organe einhalten und sich daran halten und sich nicht davor scheuen unterwegs mal die Projektstruktur extern untersuchen zu lassen.
Zweitens: Bevor man baut, sollte man einen Plan haben. Also baubegleitende Planung ernsthaft bei einem Großprojekt, das eine Industriegroßanlage ist, mit technischen Belangen, das ist einfach wichtig.
Und drittens: Wenn denn die Kontrollmechanismen funktionieren, und sagen das Projekt hat die und die Defizite, dann sollte man nicht sich scheuen auch der Bevölkerung, dem Steuerzahler klaren Wein einzuschenken, um nicht so verbissen -wie in diesem Fall- am 3.Juni 2012 festzuhalten, wo alle wussten das geht überhaupt nicht. Das war auch so ein Fehler. Der Termin war gesetzt und alle die vom Bau was Verstanden haben, meinten, um Gottes Willen, wenn das eröffnet wird, platzt das Ding in spätestens zwei Stunden und wir stehen ohne Flughafen da.“

Gleichzeitig sprach Frau Matuschek sich ganz klar dafür aus, dass eine Privatisierung die Probleme, wie es sie beim BER gab, nicht gelöst hätte. Viel mehr wären statt der Strukturprobleme andere aufgetreten. „Eine öffentliche Gesellschaft (…) muss und kann in der Lage sein ein Großprojekt ordentlich zu Ende zu bringen.“

 

Sebastian Czaja’s Parallelen zwischen dem Großprojekt BER und Nordkorea

Sebastian Czaja, Fraktionsvorsitzender und Generalsekretär der FDP im Berliner Abgeordnetenhaus und Spitzenkandidat der FDP für die Wahlen von 2016, kommt gut gelaunt in den Konferenzraum, in dem schon viele interessierte Zuhörer sitzen. Das Thema BER ist der FDP nicht fremd, quasi ein Heimspiel für ihn. 2017 führte die FDP einen mit großen Erfolg gekrönten Wahlkampf zur Offenhaltung Tegels. Den im Vorhinein angestrengten Tegel-Volksentscheid gewann die FDP am 24.09.2017 mit einer beachtlichen Mehrheit. Eng verknüpft mit der Offenhaltung Tegel war und ist immer auch die Problematik des BER. Bevor Czaja unsere Fragen beantwortet, leitet er die Diskussion mit einer kurzen Zusammenfassung ein, in der er planungstechnische, politische und kapazitative Probleme benennt: „Ich finde das ist ein hochspannendes Thema, welches Sie gewählt haben, weil es ist vor allem eines das niemals aus der Zeit fällt, was niemals vergangen ist, sondern für Berlin immer aktuell bleiben wird und darin liegt im Grunde schon das Problem. Ich will nochmal ganz kurz in die Historie der Stadt Berlin absteigen und zurückblicken. Zurückblicken auf das Jahr 1996. 1996 hat man in Berlin im Grunde die Weichen für die Flughafenpolitik gestellt, man hat in Berlin die Grundsatzentscheidung getroffen wie es weitergehen soll mit den damaligen Flughäfen Schönefeld, Tempelhof und Tegel. 1996 hat man in Berlin in einem gemeinsamen Konsensentschluss der Länder verabredet, dass man sich auf einen zentralen Flughafen konzentriert. (…) Entweder wird es Schönefeld mit Erweiterung zum BER oder es wird Sperenberg. Gegen Sperenberg hat man sich politisch entschieden, man hat gesagt dieser Flughafen könnte nicht erfolgreich werden, weil er zu weit draußen ist, weil er verkehrlich schlecht angebunden ist (…). Dann hat man sich politisch entschieden und hat gesagt wir wollen aber ein Erfolgsprojekt definieren am Rande der Stadt was aber eigentlich zur Stadt Berlin gehört, nämlich den Flughafen Schönefeld erweitern zum (…) BER. In dem Zusammenhang hat man verabredet, dass man Tempelhof und Tegel schließt, weil man 1996, da war Bonn im Übrigen noch Hauptstadt, davon ausgegangen ist, dass sich die Metropolregion Berlin-Brandenburg nicht so richtig gut entwickeln wird. Man hat 1996 also im Höchstfall mit 30 Millionen Passagieren gerechnet. Die Entwicklung ist eine Andere geworden. Berlin ist hochattraktiv, was hervorragend ist (…) und alle Zahlen sprechen im Grunde die gleiche Sprache, nämlich dass sich Berlin noch besser entwickeln wird. (…) Das Problem ist am Ende des Tages, dass der Flughafen BER eine Dauerbaustelle bleibt, immer wieder umgebaut, immer wieder verbessert werden muss. Am Ende des Tages wird sich das Parlament immer weiter mit dem BER befassen müssen. Schon allein, weil er mittlerweile 10 Milliarden kostet. 10 Milliarden – wir sind bei 2,5 Milliarden die angedacht waren gestartet. (…) Der damalige Bürgermeister Wowereit sagte in einer Hauptausschusssitzung 2006: „2,5 Milliarden an einen ausgeben? Das machen wir lieber kleinteilig an sämtliche Unternehmen in der Region“. Wenn wir eins aus diesem BER lernen können, dann das, dass Bauprojekte nicht frühzeitig kleingerechnet werden, sondern realgerechnet. Wir haben mittlerweile die Situation, dass wir am Tag 1,3 Millionen Steuergeld für diesen Flughafen ausgeben, dass wir über weitere Milliarden Nachschuss sprechen und niemand regt sich darüber auf. Wenn ich morgen in dieser Stadt die Hundesteuer von 30 auf 50 Euro erhöhen würde, hätten wir einen Aufstand. Aber bei einem Bauvorhaben auf Gleichgültigkeit zu setzen und zu sagen: „Das ist so weit weg, das sind Milliarden“ das ist aus meiner Sicht der falsche politische Ansatz.“

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Wer ein Problem benennt, wird selber zum Problem – oder auch: warum der schwarze Peter immer noch niemandem erfolgreich zugeschoben werden konnte

Die unendliche Geschichte, nur dieses Mal ein bisschen anders: vor genau 6
Jahren sollte der neue Großstadtflughafen BER eröffnet werden. Anstatt dass Flugzeuge wie geplant als Könige der Lüfte brillieren, bevorzugt man heute eher das Verweilen auf dem Boden der Tatsachen, und das wortwörtlich.
Im Rahmen eines Interviews mit Harald Moritz, Politiker der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin, verschrieben wir uns vorwiegend der Aufklärung der Frage nach dem “Warum?“.
Aber von vorne: die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg beauftragte für den Bau des BER einen Generalplaner, die Planungsgesellschaft Berlin Brandenburg (PG BBI). Idee aussichtsreich, Umsetzung allerdings mangelhaft, wenn man den Äußerungen von Harald Moritz folgt. Als wäre eine solch komplexe Aufgabe nicht fordernd genug,
beschloss man die Aufgabe der Bauüberwachung ebenfalls der PG BBI zu
übertragen – Konfliktpotenzial war so vorprogrammiert. Das Bauvorhaben
planen und sich dabei gleichzeitig selber auf die Finger schauen, ein

schlichtweg aussichtsloses Dilemma.

Wenn zu unklaren Strukturen sowie Abweisung der Verantwortlichkeit bei allen Beteiligten auch noch “Alpha-Männchen aufeinandertreffen und ihr Ego [jeweils] das bestimmende ist“, wird es kritisch.
Personelle Wechsel am BER

Auch von der Idee eines kontinuierlichen Monitoring war man wenig überzeugt, schließlich “haben [die Verantwortlichen im Aufsichtsrat dafür eigentlich gar keine Zeit”. Was also tun, wenn die vorzuweisenen Fortschritte ausbleiben? Richtig – einfach den anderen die Schuld geben. Ob damit die Entlassung des Generalplaners und den damit verbundenen knapp 200 Fachleuten einhergeht, scheint dabei kaum von Bedeutung.

Dabei zweifelt Moritz nicht an der Kompetenz jedes Einzelnen, “aber das Problem ist, die Verbindung, also das Gesamtprojekt, zusammenzuhalten.”
ein offenbar nicht ganz unerheblicher Teil, wenn man bedenkt, dass wir von
einer Eröffnung auch 12 Jahre nach Baubeginn noch weit entfernt sind.
Die “Entscheidung […]: immer den riskantesten Weg” zu wählen, scheint sich wie ein roter Faden durch das gesamte Projekt zu ziehen. Auf die Frage, wie Harald Moritz die getroffenen Entscheidungen um die Vorgänge am BER beurteilt und mit welcher Miene er in die Zukunft blickt, sind wir in folgendem Interview mit ihm näher eingegangen.
Denken sie von den Handlungsvorschlägen des Untersuchungsausschusses konnten viele Dinge umgesetzt werden?
Harald Moritz: Ich glaube schon, Aufstellung und Aufsichtsrat hat sich geändert. […] Die Bereitschaft eine Tochtergesellschaft für Planung und Bau zu gründen ist da. Warum man das nicht jetzt schon macht, erschließt sich mir nicht.
Die technischen Probleme zu lösen, das konnte und kann der
Untersuchungsausschuss nicht wirklich. Wir haben versucht ein Verständnis dafür zu entwickeln.
Flughafenchef Rainer Schwarz

Im […] Ausschussbericht haben die alles rausgenommen, wo Wowereit […] als einer der Schuldigen bezeichnet werden sollte […]. Wir können auch keinen wie Schwarz verklagen, als Geschäftsführer. Wir können aber Zeugen zur Aussage zwingen. […] [Wir] haben schon Mittel, um die Wahrheit ans Licht zu bringen, aber wir können selber jetzt nicht [jemanden] Anzeigen. Das funktioniert eben ja leider auf so einer Ebene schwer. Es gab keine Dokumente. Es gibt auch keine Wortprotokolle der Aufsichtsratssitzung. Da könnte jeder sagen, “Ich habe ja ganz kritisch nachgefragt, ich war der Gute”, lässt sich aber nicht belegen beziehungsweise das Gegenteil lässt sich auch nicht belegen und so ist eine Beweisführung, ob es tatsächlich eine Person gibt, die schuldig ist, schwer zu sagen.

[…] Die FBB hatte kein Interesse daran, Schwarz persönliche Fehler
nachzuweisen, weil dann wäre die Flughafengesellschaft ja selber Schuld
gewesen. […] “Lassen wir doch Schwarz lieber seine Million oder zwei Millionen […], anstatt, wenn wir [uns] Fehler eingestehen, dass der Schaden fürs Unternehmen […] größer wird”.
[…] Also ich denke schon, dass der Untersuchungsausschuss viele Dinge ans
Licht gebracht hat, viel mehr ist glaube ich so [nicht zu machen].”
Wie schätzen sie das Thema Schallschutz ein und welche Kritik haben
sie dort?
Harald Moritz: “Die Flughafengesellschaft hat bei der Planfeststellung in ihren Unterlagen über das gesetzliche Maß hinaus, Schallschutz beantragt. […] Das Schutzziel ist größer, als das Fluglärmgesetz vorschreibt. […] Genau die Ziele, die sie jetzt nicht einhalten will. […] Grundlagen sind immer Durchschnittswerte, vom Durchschnittswert wache ich aber nicht auf, sondern wenn der Flieger [über mein Haus] rüber donnert[…]. [Das] ist ein wesentlicher Unterschied.
[…] Die Flughafengesellschaft hat nachher ihren eigenen Antrag so interpretiert, dass auch am Tage […] 16 Überschreitungen möglich sind. Und das hätte das Dämmmaß sozusagen zurückgefahren […]. Sie sind dann runter gegangen auf 5 oder 6. […]
Schallschutz

Tietjen hat gesagt, “Wenn schon, dann müssen wir beim Schallschutz klotzen und nicht kleckern […].” Das sind die Kosten dieses Flughafens. […] [Wenn] die Schallschutzmaßnahmen, [den] Wert von 30% des Grundstückswerts übersteigen, dann haben die [Betroffenen] nur einen Anspruch auf das Geld. […] Die, die am stärksten betroffen sind, haben sozusagen den schlechtesten Schallschutz. Das lässt sich natürlich noch gestalten, [so]dass [sie] nach Fluglärmgesetz […] den Schallschutz hinkriegen können […]. Das ist aber ihre Verantwortung. […] Da kann man auch kritisch gegenüber den Betroffenen sein, dass sie das Geld nehmen und eher nur im Einzelfall tatsächlich Schallschutz machen, […] aber gut muss man auch die Betroffenen selber sehen, sind ja auch viele Ältere, die sagen, “Den Aufwand hier, […] das tun wir uns nicht an.“ […] Die Flughafengesellschaft trickst ja auch jetzt noch, […]die sagt , „Das ist kein Schutzwürdiger Raum, das bezahlen wir nicht.“ […] Also das sind immer noch so Einflüsse, die sehr ärgerlich sind, und wie die [Betroffenen] öffentlich dargestellt werden […] und wie mit ihnen tatsächlich umgegangen wird, das ist schon ein himmelweiter Unterschied. […] Was nutzen mir da ein paar tausend Euro, die ich gekriegt habe, wenn ich gar nicht mehr draußen sitzen kann?”

Man liest ja meist Negativ-Schlagzeilen bezüglich des BERs.
Denken Sie, dass es auch Dinge beim Bau des Flughafens gab welche
besonders gut funktioniert haben?
BER-Chef Hartmut Mehdorn

Harald Moritz: “ Insgesamt muss man sagen, nicht nur beim Bau des Terminals ist die Flughafengesellschaft und die sie tragenden Gesellschafter – die haben ja letztlich die Verantwortung – […] immer den riskantesten Weg gegangen. Sie sind auch mit dem Umgang mit den

Anwohnern und auch wenn man die ganze Geschichte des BERs betrachtet […] immer auf Risiko gegangen und es ist leider auch heute noch so, dass sich daran nichts geändert hat. In der Vergangenheit kann man sagen die Standortfrage – da gab es ein Raumordnungsverfahren, das gesagt
hat, dass Schönefeld nicht geeignet ist. Politische Einflüsse – ich vermute gerade von der CDU – haben dafür gesorgt, dass Schönefeld als Standort da war.[…] Ich sehe da wenig Positives – Schallschutz, Flugrouten, … Da könnten wir Stunden drüber reden. Am Fakt verändert es vermutlich gar nichts, ein Flughafen verursacht Lärm und der hat Flugrouten, aber wie die
Flughafengesellschaft mit den Betroffenen umgegangen ist, das ist eine
Schweinerei und die Politik steht dahinter […]. […] Und leider muss ich sagen, sind viele Herangehensweisen auch heute noch so. […] Auch wenn mit Lütke Daldrup jetzt dort vielleicht ein anderer Wind weht, bin ich eher skeptisch.”
Nun zum Abschluss: Denken Sie, der BER wird überhaupt eröffnen und
wenn ja, wann?
Welche Voraussetzungen müssen hierfür erfüllt sein? Harald Moritz: “Die Voraussetzung zur Eröffnung ist, dass die Brandschutzprobleme im Terminal gelöst werden. Ich bin skeptisch, dass man [das] bis zum Termin hinkriegt – da würde ich keine Wette abschließen, aber dass die Probleme irgendwann in den Griff bekommen werden, davon gehe ich aus. Ich hoffe, dass das 2020 tatsächlich passiert, aber skeptisch kann man sein. […] Ich glaube die brauchen eine andere Struktur und auch neue […] Experten, [denn] sie gehen immer diesen risikobehafteten Weg und ich halte das für falsch.”
Studentische Hilfskräfte am BER

Während wir völlig unentgeltlich an unserem Projekt arbeiten, haben wir den ultimativen Tipp für Studenten, die ihre Haushaltskasse aufbessern möchten und gleichzeitig einen Einblick gewinnen wollen, wie es nach Möglichkeit nicht laufen sollte: der BER zahlt studentischen Hilfskräften überdurchschnittliches Gehalt für unterdurchschnittlichen Arbeitsaufwand. Haben wir euer Interesse geweckt?

Autoren: Tatjana Jäger, Rebecca Marzahn, Nina Albinus, Melina Morgenstern, Jalin Bulut)

„Ich kenne kein vergleichbares Großprojekt, das mit so einer großen Lüge durchgebracht worden ist!“

Unser heutiger Interviewpartner ist Matthias Schubert, Verwaltungsjurist und Vorsitzender der Bürgerinitiative „Kleinmachnow gegen Fluglärm“. Die Kleinmachnower Bürgerinitiative beschäftigt sich intensiv mit dem Thema rund um den Flugroutenbetrug. Zusammen mit Initiativen aus Zeuthen und Rangsdorf reichte die Kleinmachnower Bürgerinitiative Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Planfeststellungsbeschluss ein, in dem die Flugrouten beschlossen wurden. Dadurch wollte sie den von dem Gericht als rechtmäßig bestätigten Planfeststellungsbeschluss kippen. „Aus unserer Sicht ist der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig, weil die Abwägung auf unzutreffenden Tatsachen beruht“, so Schubert. Demnach seien falsche Flugrouten vorgetäuscht worden und Lärmgutachten unzureichend gewesen. Jedoch ist diese Klage im Dezember 2017 letztinstanzlich abgewiesen worden.

Die Kleinmachnower gehen nun den nächsten Schritt zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und machen eine Verletzung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht gemäß Art. 6 EGMR geltend. „Wir haben gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das wir für objektiv willkürlich halten, geklagt, da es gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, sowie den effektiven Rechtsschutz verstößt“, so Schubert. Weiterhin erklärt er, dass bei der Veröffentlichung des Planfeststellungsbeschlusses im Jahre 2004 kein Grund zur Klage für Gemeinden wie in Kleinmachnow bestand, da damals noch von geraden Flugrouten ausgegangen wurde, die sie nicht betreffen würden. Erst als 2010 bekannt wurde, dass die Flugzeuge beim Start um mindestens 15 Grad abknicken werden, wurde klar, dass auch Gemeinden wie Kleinmachnow und Teltow überflogen und somit von Fluglärm betroffen sein würden. Diese wurden jedoch vorher nicht im Anhörungsverfahren zum BER-Planfeststellungsbeschluss beteiligt und somit jegliche gesetzliche Einflussmöglichkeit untersagt. „Wir konnten ja gar kein Rechtsschutz in Anspruch nehmen“, erklärt Schubert. Aus seiner Sicht seien damit die Grundrechte der Anwohner verletzt worden. „Wir sind durch diese Täuschung davon abgehalten worden zu klagen“, so Schubert.

Neben dem Kampf gegen die Flugrouten und der Klage beim EGMR setzt sich die Bürgerinitiative nun auch gegen Fluglärm und damit für die Durchsetzung des Nachtflugverbots ein – das zeigt sich nun auch in der Umbenennung des Vereinsnamens.

Vor dem 28.02.2018 nannte sich Ihre Bürgerinitiative „Kleinmachnow gegen Flugrouten“. Seitdem nennen Sie sich „Kleinmachnow gegen Fluglärm“. Wie kam es zu dieser Umbenennung?

Matthias Schubert: Wir haben erkannt, dass wir nicht alle vereinzelt kämpfen dürfen, sondern wir müssen diejenigen, die die gleichen Interessen haben, in ein Boot kriegen und eine gemeinsame Überorganisation bilden. Daraufhin haben wir das Aktionsbündnis Berlin Brandenburg gegründet. Wir mussten uns auf ein gemeinsames Ziel einigen – und wovon profitieren wir alle – vom Nachtflugverbot.

Die Brandenburger Landesregierung hatte bereits vor fünf Jahren ein erfolgreiches Volksbegehren angenommen, das verlangt, das Nachtflugverbot von derzeit 24-5 Uhr auf 22-6 Uhr zu verlängern. Bisher lehnt Berlin die Umsetzung des Volksbegehrens jedoch ab.

Matthias Schubert: Wenn man nur überlegt, was der Nachtflug für Schäden bei den Anwohnern in der Umgebung des Flughafens verursacht und dazu gegenrechnet, was die öffentliche Hand vom Nachtflugverbot hat. Hunderttausend Leute werden kränker und schlechter im Job und in der Schule! Die öffentliche Hand hat nichts vom Nachtflugverkehr, da der Flughafen nachts mehr kostet als Tags, weil nämlich doch nicht so viele Leute um 3 Uhr morgens aufstehen um ihren Flieger um 6 Uhr morgens zu kriegen. Nicht der Flughafen verdient mit dem Nachtflug Geld, sondern die Airlines. Es gibt keine vernünftigen wirtschaftlichen Gründe für Nachtflug, die über die Partikularinteressen der Airlines hinausgehen. Deswegen ist es dumm aus Sicht der öffentlichen Interessen so viel Wert auf den Nachtflug zu legen.

Das Nachtflugverbot könne, so Schubert, als eine Art Entschädigung angesehen werden, um das bestehende Unrecht wiedergutzumachen.