Flandern und die Niederlande sind gemeinsam die diesjährigen Ehrengäste der 68. Frankfurter Buchmesse.
Wir stellen unsere Favoriten vor.
Die Entdeckung des Himmels | De ontdekking van de hemel (1992)
Harry Mulisch, aus dem Niederländischen von Martina den Hertog-Vogt
Die Entdeckung des Himmels ist ein dicker Klopper, das sieht man sofort. Bei Harry Mulisch bekommt man seit der Erstausgabe 1992 viel Buch und viel Erzählung für sein Geld: Affären und uneheliche Kinder, Männerfreundschaften und Ehekrisen, politische Intrigen und die Ideologiekämpfe des Kalten Krieges, sogar ein wenig Phantasterei. Dazu eine gehörige Portion Dramatik, angefangen beim ehemaligen Konzentrationslager Westerbork über persönliche Schicksalsschläge bis hin zu einer der spektakulärsten Todesursachen der Literaturgeschichte.
Ganz nebenbei gleitet man einmal quer durch die niederländische Gesellschaft des 20. Jahrhunderts, durch steifen Protestantismus und liberales Zusammenleben. Wer verstehen will, wie die Niederlande mit dem großen Nachbarn im Osten über Jahrzehnte hinweg haderten, ihre Kultur und Dichtung rezipierten, aber gleichzeitig die düstere Geschichte nicht vergaßen, kann bei Mulisch durch die niederländische Brille auf Deutschland blicken. Mulisch verpackt all das in einen locker-flockigen Stil mit feiner Ironie und einer unaufdringlichen Schicht Gelehrsamkeit: Für Liebhaber von Musik und Philologie, Architektur und Philosophie, Astronomie und Theologie gibt es allerlei zu entdecken. Nicht nur wegen der Seitenzahl wiegt dieses Buch im niederländischen Literaturkanon schwer.
Philipp Krämer
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