Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Sitzraub und Schiffsabspringer in der Karibik

Der Herbst 2016 ist eine spannende Zeit für die Politik auf der anderen Seite des Atlantiks. Vor ein paar Tagen führte Aruba die eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare ein – in der Karibik immer noch eine Seltenheit. Gestern fanden außerdem in Sint Maarten vorgezogene Neuwahlen statt, die nach einem Misstrauensvotum gegen die Regierung notwendig waren.

Unter anderem stimmte der Abgeordnete Silvio Matser gegen die Regierung – er hatte bis dahin der Regierungskoalition angehört und steht im Augenblick vor Gericht, weil er bei der vorherigen Wahl 2014 systematischen Stimmenkauf organisiert haben soll.

Regierungsgebäude in Philipsburg, Sint Maarten (J. Velisque, CC-BY-SA 4.0)

Schon länger leidet die Politik in Sint Maarten darunter, dass Abgeordnete im Parlament die Seite wechselten und sich gegen die Partei stellten, für die sie gewählt worden waren. Solche ship jumpers sind inzwischen ein Phänomen, das fast selbstverständlich zur politischen Landschaft des Inselteils gehört. Im NRC  – eine der wenigen Zeitungen, die überhaupt über die Wahlergebnisse berichten – ist die Rede von zetelroof. Der Van Dale übersetzt es ohne weiteres als Mandatsraub ins Deutsche. Wohl eine eigene Erfindung, denn ein etablierter Begriff ist das sicher nicht. Google liefert vereinzelt Treffer (fragt aber sicherheitshalber nach, ob man nicht nach Mandat Staub suchen wollte), dabei geht es aber meist um Beschwerden kleiner Parteien, die sich vom Wahlsystem benachteiligt fühlen. Was mit zetelroof  tatsächlich gemeint ist, erklärt das einsprachige Wörterbuch: „het bezet-houden van een par­le­ments­ze­tel, na­dat men de frac­tie waar­in men ver­ko­zen is heeft ver­la­ten“. Der ship jumper stiehlt seiner Fraktion einen Sitz und springt mit ihm über Bord. Wie sich nach den gestrigen Wahlen die Parteien sortieren werden, bleibt abzuwarten.

In sprachpolitischer Hinsicht darf man von den Wahlen in Sint Maarten wohl nicht zu viel erwarten. Wie auf der Insel üblich fand der Wahlkampf auf Englisch statt. Die Partei National Alliance versuchte wenigstens, in ihrem Wahlprogramm im Kapitel zur Kultur ein wenig lokaltypisch zu klingen, mit der Überschrift Tis We Own Ting (‚this is our own thing‘). Mehr als Folklore ist damit aber nicht gemeint, und sprachpolitische Ziele z.B. zur Anerkennung der lokalen Form des Englischen (oder Kreolischen – diese Debatte wollen wir hier lieber nicht beginnen) werden nicht erwähnt. Als einzige der vier Parteien, die im neuen Parlament vertreten sein werden, nennt die United People’s Party (UP) zwei sprachpolitische Ziele in ihrem Wahlprogramm, nämlich im Kapitel zur Bildungspolitik:

– UP recognizes that Sint Maarten is a multilingual society where English is the native tongue; UP will make provisions in the curriculum to ensure that English is mastered by the end of secondary education.

– Because Dutch is a very important language, UP will put in place a strong Dutch-as-a-foreign language curriculum in all schools to allow students to master Dutch by the end of secondary education.

Diese Ziele dürften wahrscheinlich relativ unumstritten sein. Wie sie konkret erreicht werden sollen, steht allerdings nirgends. Man darf gespannt sein, wie diese „provisions“ aussehen werden, und was ein „strong curriculum“ für Niederländisch als Fremdsprache sein soll.

Am kommenden Freitag steht etwas weiter südlich übrigens schon die nächste Wahl an, nämlich in Curaçao.

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Der Beitrag wurde am Dienstag, den 27. September 2016 um 15:50 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Karibik, Wortschatz abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

Eine Reaktion zu “Sitzraub und Schiffsabspringer in der Karibik”

  1. Philipp Krämer

    Die Wahl auf Curaçao ist wegen des Hurrikans Matthew auf den 5. Oktober verschoben worden. Eine niederländischsprachige Sonderbeilage zu den Wahlen gibt es beim Antilliaans Dagblad (PDF).