Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Wie „macht“ man eine Sprache?

Was hat Finnisch mit Niederländisch zu tun? Um einige Details haben wir uns vor längerer Zeit hier im Blog schon einmal gekümmert. Anfang dieser Woche ging es um die ganz großen Fragen.

Unsere Kolleginnen und Kollegen von der Universität Ostfinnland waren in Berlin zu Gast für den Workshop „Linguistic and social dynamics in hierarchic relationships between dominant and non-dominant languages“. Genau genommen ging es dabei gar nicht (nur) um Finnisch, sondern erst einmal um Karelisch. Unsere Partner/innen beschäftigen sich mit ihren Forschungsprojekten Kontu und Kiännä! in erster Linie mit der Frage, wie Übersetzungen bei der Förderung einer bedrohten Minderheitensprache nützlich sein können. Ob literarische Texte oder Internetseiten: Am Ende entstehen neue Formen einer Sprache, die bislang selten geschrieben wurde und die sozusagen in neue Welten geholt wird. Dabei spielt es natürlich eine Rolle, wie und für wen übersetzt wird, wer übersetzt und mit welchen Zielen. Für uns eine neue Perspektive, die auf den zweiten Blick viele Überlegungen berührt, vor denen auch wir immer wieder stehen:

DSC00064xx

Ob Nordsee, Ostsee, Onegasee, Karibische See oder Spree: Wasser sollte in der Nähe sein. Also haben wir einfach gleich selbst auf dem Wasser getagt.

Wie entstehen sprachliche Normen und wer macht sie? Welche Rolle spielt dabei die Linguistik – und welche Rolle spielt die Sprachgemeinschaft selbst? Wie detailliert müssen sprachliche Normen geregelt sein und wie viel Variation lässt man zu? Wie sehen die sprachlichen Formen am Ende aus, die dabei entstehen? Die Übersetzungen werden natürlich nicht in einem Vakuum produziert, sondern immer in der Umgebung schon bestehender Mehrheits- und Standardsprachen, in diesem Fall Finnisch und Russisch. Dadurch wird die Übersetzung selbst zu einem Ort, an dem Sprachkontakt stattfindet. Was hält am Ende eigentlich die Sprachgemeinschaft selbst davon?

Vor allem diese letzte Frage fasziniert uns in der Niederlandistik und auch der Anglistik an der FU. In die Kooperation bringen wir vor allem die Erfahrung aus der Forschung mit Spracheinstellungen, Sprachbewusstsein und Sprachideologien ein. Das Niederländische als plurizentrische Sprache, deren Formenvielfalt beim Lernen und Lehren immer wieder Fragen aufwirft, ist ein schönes Beispiel für die Wandelbarkeit und Machbarkeit sprachlicher Normen. Das Karelische, gesprochen in Finnland und Russland, muss sich hierbei ebenso unterschiedlichen länderspezifischen Kontexten stellen wie das Niederländische in seinen drei Ländern. Hinzu kommt die postkoloniale Perspektive in unserem Fachgebiet. In der Karibik sehen wir, wie die Aufwertung von Kreolsprachen unterschiedlich weit und schnell vorankommt, auf den ABC-Inseln beispielsweise viel stärker als in Surinam. Emanzipation und der Weg aus der Bedeutungslosigkeit sind Ziele, die für Minderheitensprachen in Europa ebenso wichtig sind wie für Kreolsprachen in ehemaligen Kolonien.

Die Fallbeispiele lehren uns viel über die Art und Weise, wie Sprachgemeinschaften selbst die Förderung von nicht-dominanten Sprachen wahrnehmen und was sie sich wünschen. Der Vergleich der Fallbeispiele liegt näher als es scheint. Denn egal ob im Regenwald oder im Birkenwald: Am Ende kommt es darauf an, was die Sprecherinnen und Sprecher sich unter dem Phänomen „Sprache“ vorstellen, wie wir das in der Sprachwissenschaft überhaupt herausfinden können und wie wir mithelfen können, wenn die Gemeinschaften selbst an ihrer Sprachsituation etwas verbessern möchten.

Von heute auf morgen können wir diese Fragen natürlich auch nicht beantworten. Dazu müssen wir erst einmal im Herbst nach Finnland fahren und uns dort genauer ansehen, was es mit dem Karelischen auf sich hat.

Tags:

Der Beitrag wurde am Freitag, den 24. März 2017 um 18:10 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Sprachvariation, Sprachvergleich abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

Kommentarfunktion ist deaktiviert