von Henning Radke
Laut tönt die Stimme von Jack Parow über die großen Lautsprecher hinein in die idyllische Landschaft der Thüringer Provinz. In einem Zelt ganz in der Nähe tanzen etwa 100 junge Menschen und singen textsicher mit: „Dans, dans, dans – ek wil fokken, fokken dans.“. Wenn sie nicht gerade singen, sprechen sie untereinander Deutsch. Die Nacht wird noch lang sein. Der nächste Morgen beginnt für die meisten auf dem Zeltplatz mit einem Country-Song auf Afrikaans – schon wieder diese Sprache, die man ansonsten nicht gerade häufig mit Thüringen assoziiert. Was war da los in dem kleinen Ort unweit von Eisenach?
Die Antwort liegt Jahrzehnte zurück in der Vergangenheit: Anfang der 1960er Jahre wandte sich Rosemarie Bernhardt an die namibische Allgemeine Zeitung (AZ) mit einem Aufruf, der seine Wirkung nicht verfehlen sollte: Die damalige Bodenstewardess der KLM kam zwar aus Namibia, wohnte jedoch seit einiger Zeit im niedersächsischen Hannover und lud daher zu einem Treffen all derjenigen Namibier ein, die sich gerade in Deutschland befanden, „um diesen jungen Menschen die Gelegenheit zu geben, sich in Deutschland näher kennenzulernen“, wie die AZ damals schrieb. Mithilfe von Postkarten legte sie den Grundstein für ein deutschlandweites Netzwerk. Das Treffen während der Pfingsttage entwickelte sich zu einem festen Termin für viele deutschsprachige Namibier in der Diaspora mitten in Europa.
Doch egal aus welcher Perspektive man auf die Community schaut – ob deutschsprachige Minderheit, namibische Deutsche oder deutsche Namibi(an)er – ein Aspekt ist unweigerlich mit ihrer Kultur verbunden: die Sprache Afrikaans. Sie speist den Namslang der deutschsprachigen Community nicht nur mit einer Vielzahl von Lehnwörtern („ich habe lekker gelacht ou!“) und grammatischen Besonderheiten („Wieviel geht das kosten?“), sondern ist auch Teil der Lebenswirklichkeit vieler Menschen in Namibia. Wer nun also als Mitglied der deutsch-namibischen Community nach Europa auswandert, nimmt Afrikaans in der einen oder anderen Form einfach mit. Und so schallte es auch auf dem diesjährigen Treffen in Thüringen nicht nur deutschen, sondern auch afrikaansen Pop, Rock und Schlager über den Zeltplatz, während die Nachbarn auf der anderen Seite ihre Steckrüben pflanzten.
Was hätte Rosemarie Bernhardt dazu gesagt? Wenn sie noch lebt, sollte sie mittlerweile über 80 sein. Seit fast 60 Jahren bringt ihre Idee von damals Menschen zusammen; mittlerweile in der 3. Generation. Und die tanzt anno 2019 unweit von Eisenach auch zu den Liedern von EES, der zwar nicht auf Afrikaans singt, dafür aber im Namslang rappt und somit zur sprachlichen Stilikone vieler junger, deutschsprachiger Namibier wurde („Hab kein Gees mehr zu moven, bin pap (…) maar hier kommt der Plan: Ich call die Maats zusammen“). Amerikanischer Pop ist hingegen eher selten zu hören. Nur eine amerikanischen Band wurde auf dem Thüringer Zeltplatz immer wieder gespielt und erntete auffallend lautes Mitsingen: Toto mit ihrem Song Down in Africa.
Und weil es thematisch passt noch ein Terminhinweis:
Vom 3. bis 5. Juli findet an der Freien Universität der Workshop „German(ic) in contact“ statt. Thema der Konferenz sind allerlei Situationen, in denen Deutsch und andere germanische Sprachen in Kontakt mit einer anders- und mehrsprachigen Umgebung stehen, darunter das Fallbeispiel Namibia, aber auch Ostfriesen in Nordamerika oder Mennoniten in Uruguay. Unser Gastautor Henning Radke wird ebenfalls seine Arbeit zu Namibia vorstellen.
Programm und weitere Informationen auf der Webseite der FU-Germanistik.
Bildnachweise zu diesem Post:
Foto 1: Andreas Kuhrt
Foto 2: Henning Radke/Merrick Nock
Tags: Afrika, Auf Deutsch, Gastbeitrag, Geschichte, Kultur
Am 1. Juli 2019 um 14:26 Uhr
Sehr cool mein bra!
…komm wir machen SUNDOWNER????