Für viele in Deutschland war es ein historischer Moment, die Einführung der Ehe für alle am vergangenen Freitag. In Flandern und den Niederlanden machte die Entscheidung keine Schlagzeilen. Auf den großen Nachrichtenseiten wurde darüber zwar berichtet, aber wenig prominent. Für die Tabloids war das Gesetz an sich weniger interessant als die Beobachtung, dass die deutsche Umweltministerin ihrer Partnerin direkt danach einen Heiratsantrag gemacht habe (was auch nur halb stimmt).
Über die Aufregung, die ganze Abstimmung sei „überstürzt“ gewesen, kann man in den westlichen Nachbarländern (inklusive Frankreich und Luxemburg) wahrscheinlich nur müde lächeln. Die Niederlande waren 2001 das erste Land, das die völlige Gleichstellung einführte, Belgien folgte 2003 als zweites. Im Telegraaf weist man daher auch deutlich darauf hin, wie spät Deutschland dran ist.
In der Berichterstattung ist durchgehend davon die Rede, dass Deutschland jetzt (endlich) die homohuwelijk eingeführt habe. Im Deutschen ist inzwischen der Begriff Homo-Ehe praktisch vollständig ersetzt worden durch Ehe für alle. Im NRC und ein paar anderen Medien ist man deshalb etwas ausführlicher und erklärt auch diesen Begriff noch, meist auf Deutsch und in der Übersetzung huwelijk voor allen, oft mit Anführungszeichen. Ganz selten, aber durchaus vorhanden ist huwelijk voor iedereen, was ja auch nicht hundertprozentig übersetzt ist.
Kleine Spielereien mit Google Translate liefern hier unterhaltsame Varianten. Von Ehe für alle gelangt man zu huwelijk voor alle (ohne –n). Eingebunden in einen vollständigen Satz übersetzt Google von Deutsch zu Niederländisch allerdings Ik ben voor het huwelijk voor iedereen. In der umgekehrten Richtung wird daraus eine ganz neue Form: Ich bin für die Ehe für jedermann. Das ist von allen möglichen Varianten die am wenigsten elegante. Jedermann ist nicht nur im Hinblick auf Genderneutralität unschön, sondern es trägt noch eine weitere Bedeutungskomponente. Für jedermann kann auch den Beigeschmack von fürs gewöhnliche Volk haben, im Sinne von nicht besonders exklusiv.
Es ist gar nicht so überraschend, dass man im Niederländischen mit homohuwelijk noch bei dem Begriff bleibt, der bei uns nicht mehr goutiert wird. Zum einen ist homo weniger negativ konnotiert als im Deutschen (wo ein deutlicher Unterschied besteht zwischen Er ist homosexuell und Er ist ein Homo). Zum anderen ist man im niederländischen Sprachraum über die Debatte sowieso längst hinweg und braucht den Begriff eigentlich nicht mehr. Eine Ehe ist dort seit Langem einfach eine Ehe, und den Begriffswandel hin zu passenderen Formen hatte man nicht mehr nötig. Der rechtliche Rückstand in Deutschland dagegen brachte es mit sich, dass man genau darauf erst einmal hinweisen musste. Es geht schließlich nicht um eine Ehe speziell für gleichgeschlechtliche Paare (Homo-Ehe), sondern schlichtweg darum, dass dieselbe Ehe allen Paaren möglich ist (ab sofort ist also sogar ein Prinzengemahl denkbar).
Wenn jetzt über die Entwicklungen im Ausland berichtet werden soll, wird eine Bezeichnung auch im Niederländischen gebraucht. Das Deutsche hat sich dabei am Ausdruck mariage pour tous orientiert, der in Frankreich populär geworden ist. Für das Niederländische kam die Gelegenheit zur Lehnübersetzung sozusagen zu spät. Dafür kennt es thematisch passend eine andere französische Entlehnung, die sogar morphologisch und orthographisch intakt geblieben ist, fast ein wertvolles, behütetes Kleinod. Wie der Telegraaf in seinem Artikel berichtet, gehört Deutschland nun zu den Ländern, in denen „homo’s en lesbiennes gelijke rechten hebben“.
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