Von Aniko Schusterius
Das Studium in den Niederlanden, gleich welchen Faches, ist eine Herausforderung für deutsche Studierende. Hohe Ansprüche und strenge Noten lassen neben dem Uni-Alltag nicht viel Freizeit übrig. Schon vor meinem Auslandssemester in Groningen spielte ich mit dem Gedanken, eine Rundreise durch das „Platteland“ zu machen. Land, Leute und Kultur kennenzulernen war mir besonders wichtig. Nach vier Wochen im neuen Studiensystem musste ich feststellen, dass eine Erkundung der umliegenden Provinzen nicht während des Semesters möglich sein würde. Der daraus folgende Zeitpunkt meiner Städtetour im Juli hätte nicht besser sein können.
Zum Beginn meiner Reise stiegen die Temperaturen in den Niederlanden und egal wohin ich kam, die Einheimischen erzählten mir, dass es bei ihnen sonst immer regnen würde. Der strahlende Sonnenschein motivierte mich auf der Insel Texel, meinem ersten Zwischenstopp, zu einem Surfkurs. Wer glaubt, dass man für ordentliche Wellen andere Kontinente bereisen muss, liegt falsch. Neben wunderschönen Stränden bietet Texel tolle Radwege entlang an endlosen Landschaften aus grünen Feldern. Und hier und da grasen Schafe blökend vor sich hin.
Mit der Sonne im Gepäck fuhr ich weiter nach Alkmaar. Mit dem Zug lassen sich Entfernungen in den Niederlanden günstig und schnell zurücklegen. Drei Tage in der Käsestadt ermöglichten es mir, den berühmten Käsemarkt zu besuchen, der jeden Freitagmorgen auf dem Marktplatz veranstaltet wird. Heute nur noch eine Touristenattraktion, verschafft er den Besuchern Eindrücke über den einstigen Umschlagplatz langer Reihen von Käserädern. Sehr schön ist auch die Aussicht vom Kirchendach der Sint-Laurenskerk. Zum 800. Jubiläum lautet hier das Motto: Klim naar de Hemel. Ich erinnere mich zu gern an die nette Dame im Museum, die einfach nicht fassen konnte, dass Niederländische Philologie tatsächlich ein Studienfach in Deutschland ist.
Die älteste Universität der Niederlande befindet sich in Leiden. Nicht nur der Hortus Botanicus (Botanischer Garten), auch die zahlreichen Museen sind einen Besuch wert. Sie bieten bei 30 Grad Außentemperatur angenehme Abkühlung. Zu den interessantesten gehören für mich das Rijksmuseum Boerhaave und das Volkenkunde Museum. Der Tipp meiner Sprachlehrerin, eine Museumskaart während meines Erasmusaufenthaltes zu erwerben, erwies sich als goldrichtig. Für eine einmalige Gebühr von 60 Euro gelangt man ein Jahr lang gratis in über 400 Museen, Galerien und Ausstellungsräume in den ganzen Niederlanden. Schon nach fünf Besuchen hatte ich den Geldwert wieder zurück.
Die perfekte Mischung aus Großstadt und Küste bietet Den Haag. Mit seiner Architektur aus modernen und historischen Gebäuden, den politischen Institutionen, großen Parkanlagen und der langen Strandpromenade sechs Kilometer vom Zentrum entfernt, ist es eine meiner Lieblingsstädte geworden. Ich habe an einer Führung durch das Vredespaleis (Sitz des Internationalen Gerichtshofes, Schiedshofes, Haager Akademie für Völkerrecht) und den Binnenhof (Sitz des Niederländischen Parlaments) teilgenommen. Beides war sehr interessant und informativ gestaltet. Für Kunstliebhaber ist zudem das Mauritshuis ein Muss. Das berühmte Mädchen mit dem Perlenohrring von Vermeer hatte ich mir allerdings viel größer vorgestellt.
Nur 20 Zugminuten entfernt von Den Haag liegt die kleine Stadt Delft. Auch wenn sie bei meinem kurzen Aufenthalt etwas verschlafen wirkte, birgt sie doch ein kleines Wunder in sich. Am Fluss De Vliet liegt die bekannte Töpferei De Delftse Pauw. Das blau-weiße Porzellan ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt und konkurriert mit der deutschen Manufaktur in Meißen. Die Kombination aus Fabrik und Museum ermöglicht es, bei der Produktion zuzusehen, die bis heute per Hand geschieht.
Sechster Halt meiner Rundreise: Rotterdam. Hier erlebte ich einen kleinen Kulturschock. Enge Straßen, schmale Grachten und niedrige Fachwerkhäuser findet man nicht. Durch den zweiten Weltkrieg schwer zerstört, ist Rotterdam heute für seine moderne Architektur bekannt. Wie ein typischer Tourist betrachtete ich die Erasmusbrücke und fuhr mit dem Speedboot durch den großen Hafen. Ich fragte mich auch, wie man die Wohnungen in den Kubushäusern wohl einrichtete und stieß fast mit einem Passanten zusammen, nachdem ich minutenlang die Decke der Markthalle durch die Linse meiner Kamera angestarrt hatte. Rotterdam bietet dem Besucher alles, was das Großstädterherz begehrt, nur keine Ruhe. Selbst die Aussicht vom Euromast Tower auf die Stadt herunter hat etwas Hektisches an sich. Touristengruppen schieben sich über die Plattform von Norden nach Süden und Osten nach Westen.
In Utrecht lernte ich gleich zu Beginn, das mein Kindheitsheld, das Häschen Miffi, eigentlich Nijntje heißt. Sogar ein kleiner Platz in einer Wohngegend Utrechts wurde nach ihr benannt. Bei einem Spaziergang entlang der Grachten taucht Nijntje immer wieder in Form von kleinen Statuen auf, mal in schlichter Bronze, dann wieder bunt gestaltet. In Utrecht bietet es sich zudem an, bei schönem Wetter ein Motorboot zu mieten und die Stadt vom Wasser aus zu betrachten. Den größeren Nervenkitzel fand ich bei einem Tagesausflug zum Efteling Erlebnispark südlich von Utrecht in Tilburg. Achterbahnen, Zuckerwatte und ein musikalisch unterlegtes Wasserspektakel am Abend versetzten mich ein Stück weit zurück in meine Kindheit.
In Nijmegen war ich besonders froh über meine kühle Ferienwohnung im Souterrain. Die Temperaturen stiegen in der dritten Woche meiner Rundreise auf über 30 Grad. Das Wetter hielt mich trotzdem nicht davon ab, die Stadt zu erkunden und im Valkhof Museum mehr über ihre römische Vergangenheit zu erfahren. Mit einem Eis in der Hand ließ es sich danach zwischen den Bäumen im Kronenburgerpark wunderbar entspannen.
Der vorletzte Stop auf meiner Reise war Eindhoven. Für mich ein kleines Rotterdam. Als Standort der Philips-Werke wurde es von den Alliierten im Zweiten Weltkrieg stark bombardiert und erst Stück für Stück wiederaufgebaut. Die Modernität des Design- und Technologiezentrums der Niederlande spiegelt sich in den Gebäuden wie dem Evoloun, dem Vesteda Tower oder dem Blob wieder. Aber auch Streetart und viele begrünte Wohnanlagen lassen sich in den Seitenstraßen entdecken. Das Van Abbemuseum gibt einen Eindruck über die aktuelle Kunst- und Designszene in den Niederlanden und im internationalen Kontext. Besonders nett sind dort die rotbehemdeten Guides, die in jedem Raum angesprochen werden können, um mehr über die Ausstellungsstücke zu erfahren.
Endstation meiner Reise wählte ich Maastricht. In der Hauptstadt der Provinz Limburg kam ich oft in die Situation, dass ich nicht erraten konnte, ob mein Gegenüber Deutscher oder Niederländer war, denn der Dialekt der Einheimischen kam der deutschen Sprache sehr nahe, verglichen mit der Sprache die ich aus Groningen kannte. Der Vrijthof sowie das Bonnefantenmuseum sind ein Muss, genauso wie die wunderschöne Dominicanen-Buchhandlung in einer entwidmeten Kirche. Hier verbrachte ich Stunden zwischen den Regalen und Bücherstapeln. Nach zwei Tagen hatte ich mich auch daran gewöhnt, in jedem Laden und jeder Straßenecke einen André-Rieu-Aufsteller auf mich herabblicken zu sehen. In der Geburtsstadt des berühmten Violinisten wird er fast genauso verehrt wie die königliche Familie.
Nach einem Monat Rollkofferleben, mit Chocomel auf Eis und der brennenden Sonne im Nacken, kehrte ich mit einem Rucksack voller neuer Erfahrungen und bunter Erinnerungen zurück. Jedem angehenden Erasmusstudenten empfehle ich, eine Rundreise in den Aufenthalt zu integrieren, soweit es die Zeit zulässt. Meine Reise nach Groningen und die anschließende Städtetour betrachte ich im Nachhinein als sehr wertvoll. Sie hat meinen Horizont erweitert und bildet einen wichtigen Baustein für mein Studium der Niederländischen Philologie. Man muss die Kultur eines Landes selbst erlebt haben und es nicht nur aus der Ferne beobachten.
Alle Fotos von Aniko Schusterius.
Tags: Auf Deutsch, Gastbeitrag, Geschichte, Kultur
Am 17. August 2018 um 17:27 Uhr
„(Bonuspunkte für alle, die den Fehler in der Karte finden!)“
Sagen wir mal so, sie ist auf dem Stand von vor über 50 Jahren …
Am 26. August 2018 um 22:41 Uhr
Ich bin überrascht von der Behauptung, dass Sie in Maastricht „nicht erraten konnte, ob mein Gegenüber Deutscher oder Niederländer war, denn der Dialekt der Einheimischen kam der deutschen Sprache sehr nahe“. Als Aachener kenne ich den Dialekt meiner Eltern (aus Eschweiler) und habe schon bei Führungen unter dem Motto „gluren bij de buren“ Probleme, den in Limburg zu verstehen. Speziell zu Maastricht sagt mir aber noch ein Vaalser Bekannter, dass der mehr Französisch beeinflusst sei, vielleicht durch die Grenze zu Belgien (Visé). Im 19. Jahrhundert war der französische Einfluss noch größer, siehe http://www.shclimburg.nl/sites/shclimburg.nl/files/maaslandse-monografieen/MM%2065%20def.pdf
Am 26. August 2018 um 23:28 Uhr
„Der Tipp meiner Sprachlehrerin, eine Museumskaart während meines Erasmusaufenthaltes zu erwerben, erwies sich als goldrichtig. Für eine einmalige Gebühr von 60 Euro gelangt man ein Jahr lang gratis in über 400 Museen, Galerien und Ausstellungsräume in den ganzen Niederlanden. Schon nach fünf Besuchen hatte ich den Geldwert wieder zurück.“
Das war super schwierig! Ich bekomme zwar diese Karte seit Jahren sogar im Abo zugeschickt, aber es war ein Kampf. Man kann sie als vorläufige neutrale Karte in großen Museen kaufen und sofort bis zu einem Monat benutzen, dann wird sie aber ungültig, wenn man keine personalisierte mit Foto besorgt hat, und dazu muss man sich bei der Organisation online registerieren,
Noch 2016 konnte man nur niederländische Postcodes (1234AB) eingeben. Alle Leute mit Wohnsitz außerhalb der Niederlande, dafür aber unabhängig von der Staatsbürgerschaft, waren damit ausgeschlossen. Auch Einzugsermächtigungen waren mangels BIC (nur IBAN) auf dem mitgeschickten Formular nur von niederländischen Konten möglich.
Mir half der oben schon erwähnte Vaalser, der natürlich eine Adresse und ein Konto hat. Die Karte kommt nun nach Aachen, abgebucht wird von seinem Konto, und ich bezahle es später bar.
Am 5.4.2016 habe ich mein Foto an klantenservice@museumkaart.nl geschickt, danach aber mehrmals online versucht, mich zu registrieren. Das ist mir heute erstmals gelungen, weil man endlich das Formular geändert hat. Eigenlich wollte ich mich bloß vergewissern, dass es nicht klappt, und das hier schreiben. Nun sieht es anders aus.
Sicher bin ich sowieso nicht, denn ich musste mein bereits vorhandenes Passbild nochmal hochladen. Ich habe bei der Registrierung zwar angemerkt, dass meine derzeitige Karte noch bis 30.4.2019 gültig ist, bekam aber schon eine E-mail mit dem Text …“We will send your personalized Museum card within a few weeks to the address specified below.“ Vermutlich will man dann noch eine Bearbeitungsgebühr abbuchen.
Was mich auch wundert, ist, dass ich in Museen oft nach meinem postcode gefragt werde, man dann merkt, dass der nicht eingegeben werden kann, und staunt, dass jemand aus Deutschland die Karte hat. Im Zeitalter von Big Data müßte doch eigentlich automatisch jedem angeschlossenen Museum zu jedem Zeitpunkt die Abfrage möglich sein, woher oder von wie weit her die BesucherInnen kamen, an welchem Tag wie viele usw., ohne dass ich gefragt werden muss und dadurch etwas von dem Interesse merke.
Bei der Bundeskunsthalle oder dem Landschaftverband Rheinland ist es jedenfalls einfacher, Jahreskarten zu bekommen.
Am 14. September 2018 um 11:50 Uhr
Land, Leute und Kultur in den Niederlanden sind echt toll. Ich war dort für ca. 1 Jahr. Ich hatte auch kaum Freizeit, da ich Vollzeit dort gearbeitet hatte und abends war ich noch selbstständig. Was auch schön ist: https://www.lautenthals-glueck.de/
Danke für den tollen Blog!