Flandern und die Niederlande sind gemeinsam die diesjährigen Ehrengäste der 68. Frankfurter Buchmesse.
Wir stellen unsere Favoriten vor.
Rachels Röckchen | Rachels Rokje (1994)
Charlotte Mutsaers, aus dem Niederländischen von Marlene Müller-Haas
Röcke werden unterschätzt. Spätestens nach der Lektüre dieses Romans werden Sie dieser Aussage beipflichten. Das Faltenröckchen ist nämlich nicht nur essentielle Ausstattung der Protagonistin Rachel Stottermaus, es ist auch Kompositionsprinzip des Buches, das sich, anstatt in Kapiteln, in verschiedenen Rockfalten darbietet. Und weil ein Röckchen rund ist, sollte man von diesem Roman auch keinen linearen Handlungsverlauf erwarten.
Trotzdem sei so viel verraten: Rachel Stottermaus, eine Figur auf halbem Wege zwischen Pippi Langstrumpf und Penthesileia, muss damit zurechtkommen, ihren eigenen pubertären Gefühlen zu ihrem Lehrer auch im fortgeschrittenen Alter nicht entwachsen zu können. Einen möglichen Ausweg bietet nur die Rolle als Erzählerin der Geschichte.
Neben dieser Liebesgeschichte lugen aus den Falten des Textgewebes außerdem noch munter hervor: diverse berockte Frauen von Flauberts Madame Bovary bis zu Canettis Therese, eine Verhandlung der Frage, wie schuldig sich Erzähler eigentlich machen, Tannengrün und Vogelsang, eine Abrechnung mit kastrierenden Müttern und eine Wiederauferstehung. Und das alles flirrend, tanzend, leicht, wie ein Röckchen im Frühlingswind. Großartig übersetzt von Marlene Müller-Haas.
Johanna Bundschuh-van Duikeren
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