Die Arbeitsstelle für Provenienzforschung freut sich, mitteilen zu können, dass am 10. März 2022 zwei Bücher aus dem historischen Bibliotheksbestand des Rabbiner-Seminars zu Berlin an das heutige Rabbinerseminar zu Berlin in der Brunnenstraße 33 als Schenkung übergeben werden konnten. Bereits im Zeitraum von 2014 bis 2017 entschied sich die Universitätsbibliothek der Freien Universität dazu, neun Bücher an das Rabbinerseminar zu Berlin zu übergeben, da man dort bestrebt ist, die geraubte Seminarbibliothek zu rekonstruieren.
Das Rabbinerseminar zu Berlin wurde 1873 als orthodoxe Rabbinerausbildungsstätte gegründet. Die Seminargründung erfolgte auf Initiative Rabbiner Esriel Hildesheimer (1820-1899), der u.a. für die Gemeinde Adass Jisroel wirkte und als Gründervater der modernen Orthodoxie galt. Bis zu seiner Schließung durch die Nationalsozialisten am 10. November 1938 avancierte das Seminar zur bedeutendsten Ausbildungsstätte orthodoxer Rabbiner in Westeuropa. Insgesamt studierten mehr als 600 Studenten am Seminar. Das Studium konzentrierte sich auf die Themen: Talmud, Tanach, Midrasch, Philosophie, Pädagogik und biblische Geschichte.
Zur Seminarbibliothek gibt es nur wenige Quellen. Auf S. 86 der sogenannten Minerva-Handbücher, 1. Abteilung: Deutsches Reich (Band 1, 1927) ging hervor, dass der Bibliothekskorpus 1927 ca. 21.000 Bände umfasste. Im Zuge der Novemberpogrome wurde das Seminar geschlossen und der Gemeindebestand in der Artilleriestraße 31 (heute: Tucholskystraße 40) beschlagnahmt. Bis heute gelten die Bücher als verschollen und nur wenige Exemplare konnten bis dato in deutschen Bibliotheken identifiziert werden.
Im Jahr 2009 und damit mehr als 70 Jahre nach der Liquidierung des Rabbinerseminars beschlossen der Zentralrat der Juden in Deutschland und die Ronald S. Lauder Foundation, die Rabbinerausbildungsstätte wiederzueröffnen. Das Seminar befindet sich heute in der Brunnenstraße und versteht sich als ideeller Nachfolger der historischen Rabbinerlehranstalt. Eine offizielle Rechtsnachfolge besteht nicht.
Die beiden restituierten Bände wurden gemeinsam am 27. Mai 1964 im Zuge des Bibliotheksaufbaus des Instituts für Judaistik an der FU Berlin antiquarisch erworben. Im Zugangsbuch ist als Verkäufer lediglich der Name „Rosenthal, Oxford“ notiert. Damit lässt sich der genaue Weg der Bücher für den Zeitraum von 1938 bis 1964 leider nicht rekonstruieren. Die Bände wurden gemeinsam mit zwei weiteren Exemplaren erworben, wozu auch ein Buch aus der Gemeindebibliothek der Jüdischen Gemeinde zu Berlin zählte, das am 17. Februar 2022 restituiert werden konnte.
Bewertung: NS-Raubgut
Die zwei Bücher im Detail: