Rückgabe von Beutegut an die Stadtbibliothek Tartu in Estland

Bildquelle: Deutsche Botschaft in Tallinn, Estland
Kristjan Teedema

In der Stadtbibliothek Tartu in Estland fand am 28. Juni 2021 die feierliche Rückgabe von Beutegut aus der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin statt, das während der deutschen Besatzung im März 1943 widerrechtlich von Estland nach Berlin verbracht wurde. Die offizielle Übergabe wurde von Anne Kathrin Kirsch, Kulturattaché der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Estland an die Bibliotheksdirektorin Krét Kaljusto-Munck und Tiina Tarik überreicht. Die Rückführung wurde in Kooperation zwischen der Arbeitsstelle Provenienzforschung mit dem Auswärtigen Amt Berlin durchgeführt.

Anhand eines erhaltenen Inventarbuches der Stadtbibliothek von Tartu konnte ein Werk von Friedrich Engels: Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen aus der „Alfred Weiland Sammlung“ der UB nachgewiesen werden. Der Text gehört zum unvollendeten Werk  „Dialektik der Natur“, das Friedrich Engels 1876 zur Philosophie der Naturwissenschaften des 19. Jahrhunderts verfasst hat. Nach Engels Tod 1895 wurde der Text erstmals 1896 von Eduard Bernstein in der „Neuen Zeit“ veröffentlicht.

Das Werk wurde im Inventarbuch unter der Aktennummer 4.399 am 31. März 1943 ausgesondert. Diesem Inventarbuch lag die „Verordnung über schädliches Schrifttum vom 30. Januar 1943“. Die dort aufgeführten Bücher sollten dem Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (ERR) zur Verfügung gestellt werden. Das Buch ist von ERR über das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) in die Sammlung Alfred Weiland gelangt. Alfred Weiland war von Juni 1945 bis Februar 1946 beim Bezirksamt Berlin-Schöneberg, Volksbildungsamt beschäftigt. Das Amt befasste sich u. a. mit der Sichtung und Sortierung der Bestände aus der ehemaligen Bibliothek des RSHA in der Eisenacher Straße 11-13. Im Juli 1945 lagerten in den Kellerräumen des ehemaligen Logengebäudes ca. 50-60.000 Bände. Alfred Weiland war an den Abwicklungsarbeiten der ehemaligen Bestände der Zentralbibliothek des RSHA beteiligt.

Die Bibliothek Tartu Linna Keskraajatukogu (Tartuer Zentrale Stadtbibliothek) wurde 1913 von der Gesellschaft der Tartuer Volksbibliothek in Litauen gegründet. Die Bibliothek verdankt ihren Bestand verschiedener Gesellschaften, Verleger und Buchhändler der Stadt. 1940 umfasste die Bibliothek ca. 30.000 Bände. Nach der sowjetischen Okkupation im Juni 1940 wurden mehrere Tausend Bände aus ideologischen Gründen ausgesondert. Zwischen 1941 und 1944 erfolgten seitens der deutschen Besatzungsmacht weitere Zwangs-Aussonderungen von Büchern, die als Beutegut nach Deutschland verbracht worden sind.

Weitere Informationen zur Übergabe finden Sie hier:

LCA Datenbank: https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/251270

Facebook Seite der Deutschen Botschaft in Tallinn: https://www.facebook.com/DeutscheBotschaftTallinn/posts/3373233019631511

Pressestimmen aus Estland: https://tartu.postimees.ee/7281125/saksamaa-tagastas-tartu-linnaraamatukogule-kahjulikuks-tunnistatud-trukise1 / 11

Schenkung an die Jüdische Gemeinde zu Berlin

Am 23.06.2021 konnte die Arbeitsstelle für Provenienzforschung der Freien Universität Berlin fünf Fragmente von mindestens zwei verschiedenen Toraschriftrollen als Schenkung an die Jüdische Gemeinde zu Berlin (JGzB) übergeben.

© Marcus Dost, FU Berlin

In den 1970er-Jahren wurden diese unvollständigen Teilstücke anonym vor den Türen des Instituts für Judaistik abgelegt. Über den Ursprung der Fragmente ist nichts bekannt. Nachdem diese als Anschauungsmaterial im Lehrbetrieb genutzt worden sind, erfolgte erst 2019 die Wiederentdeckung durch die Mitarbeiter*innen der Universitätsbibliothek.

Die Fragmente weisen mittlere bis starke Gebrauchsspuren auf und es fehlen die Rollstäbe. Auf einem Pergament war ein mutwilliger Ausschnitt zu erkennen. Mithilfe einer Toraschriftgelehrten (hebr. Soferet) gelang es, zwei unterschiedliche Schrifttypen (hebr. ktav Admor HaZaken und ktav Beit Yosef) zu identifizieren, die eine geografische Zuordnung ermöglichten. Die Herkunft ist deshalb im osteuropäischen Raum zu vermuten.

Deutlich zu erkennen, dass hier mutwillig im Fließtext (Kapitel 8, zweites Buch Moses) ein Ausschnitt vorgenommen wurde.
© Marcus Dost, FU Berlin

Da ein NS-verfolgungsbedingter Entzug oder eine andere Form der unrechtmäßigen Entwendung nicht ausgeschlossen werden konnte, war es der Wunsch der Freien Universität Berlin, die Tora-Fragmente an die JGzB als Schenkung zu übergeben. Die entweihten Teilstücke sollen in die Genisa (dt. Archiv) überführt und im Anschluss auf einem jüdischen Friedhof bestattet werden. Damit möchte die FU Berlin dem jüdischen Brauch nachkommen, der sich von dem 3. Vers im Traktat Schabbat 115a der Mischna ableitet: „Man darf alle heiligen Schriften aus einer Feuersbrunst retten, ob man aus ihnen liest oder nicht. Auch wenn sie in irgendeiner anderen Sprache geschrieben sind.“

Wir freuen uns außerordentlich, dass wir mit der JGzB einen Ort gefunden haben, womit diese Fragmente in die jüdische Religionsgemeinschaft zurückkehren können.

Weitere Informationen finden Sie unter: https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/262083