Eine Rückgabe aus der Bibliothek von Dr. med. Erich Stern

Am 29. September 2023 fand in Toulouse eine feierliche Zeremonie statt, bei der insgesamt 40 Bücher (6 davon aus der UB) aus der privaten Bibliothek des deutschen Psychologen Dr. med. Erich Stern von der ZLB zurückgegeben wurden. Die einzige Tochter von Dr. med. Erich Stern war Hilde/Hélène Stern, die 2010 verstorben ist, hinterließ den Nachlass ihres Vaters der Groupe Toulousain de la Société Psychanalytique de Paris.

Die gemeinsame Restitution der Freien Universität Berlin und der ZLB wurde durch die enge Zusammenarbeit mit der französischen Kommission für die Entschädigung der Opfer von Enteignungen aufgrund der antisemitischen Gesetzgebung während der Okkupationszeit CIVS möglich.

Erich Stern wurde am 30. Oktober 1889 in Berlin geboren. Er studierte Naturwissenschaften und Humanmedizin. Später wurde er ein renommierter Psychiater, Psychologe und Pädagoge, der insbesondere für seine Arbeiten im Bereich der Psychosomatik und Medizinischen Psychologie bekannt wurde. Im Juli 1914, zu Beginn des Ersten Weltkrieges, trat Stern als Hilfsarzt in den Heeresdienst ein. Während seiner Zeit im Militär diente er zunächst als Unterarzt in verschiedenen Lazaretten. Nach 1917 wurde er zum Oberarzt befördert.

Stern habilitierte 1920 und erhielt einen Lehrauftrag in Pädagogischer Psychologie in Gießen. 1934 wurde er außerordentlicher Professor in Gießen, arbeitete später in Mainz, wo er eine kleine psychiatrische Praxis betrieb. Zudem veröffentlichte Stern bis Ende der 20er Jahre verschiedene Beiträge zur Pädagogik und Jugendpsychologie.

Im Jahr 1933 wurde Dr. med. Erich Stern mit 56 Jahren aufgrund seiner jüdischen Herkunft nach dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ zwangspensioniert und entlassen. Infolgedessen emigrierte er mit seiner Familie in die Schweiz, wo er zunächst am Institut für Hochgebirgsphysiologie und Tuberkuloseforschung in Davos tätig war. Später zog die Familie nach Paris, wo er in der Kinderpsychiatrischen Universitätsklinik der Sorbonne arbeitete und auch Sprechstunden für Kinder mit Intelligenz- und Verhaltensstörungen abhielt. Während dieser Zeit betreute er auch jüdische Emigranten in einem Gesundheitszentrum.

Während der deutschen Besatzung wurde seine Wohnung in der Gemeinde Boulogne-Billancourt, die sich 8 km südwestlich von Paris befand, von der deutschen Wehrmacht vollständig geplündert. Seine große Bibliothek mit über 6.000 Büchern wurde vom Reichssicherheitshauptamt (RSHA) nach Berlin transportiert.

Im Jahr 1938 erlangte die Familie die französische Staatsbürgerschaft. Doch infolge des Drucks der deutschen Nationalsozialisten wurde ihnen diese bereits im Jahr 1943 entzogen, was dazu führte, dass sie staatenlose und verfolgte Juden wurden. Als im Jahr 1940 deutsche Truppen in Frankreich einmarschierten, verließen die Sterns Paris und siedelten sich im Département Dordogne im Süden Frankreichs an. Dort arbeitete Dr. med. Stern im Clairvivre, einem Lungensanatorium, kehrte aber nach Kriegsende nach Paris zurück.

Dr. med. Erich Stern engagierte sich in verschiedenen jüdischen Organisationen, die sich der Betreuung von Waisen widmeten. Von 1950 bis 1956 bekleidete er die Position des „Chargé de Recherches“ am „Centre National de la Recherche Scientifique“ in Paris, wo er weiterhin an wissenschaftlichen Forschungsprojekten arbeitete. Später verbrachte er seinen Lebensabend in Kilchberg bei Zürich.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bemühte sich Dr. med. Stern intensiv, aber vergebens darum, seine Bibliothek wiederzufinden und zurückzuerlangen. Der entscheidende Wendepunkt in diesem Bemühen trat erst viele Jahrzehnte nach seinem Tod, nämlich in den Jahren 2020 und 2021, ein, als die ZLB Werke aus Dr. Sterns Bibliothek in ihren eigenen Beständen entdeckte.

Wie kamen die beschlagnahmten Bücher von Dr. med. Erich Stern in die UB der FU Berlin?

Diese sechs Bücher wurden in der Sammlung Alfred Weiland gefunden, die 1979 von der FU Berlin erworben wurde. Weiland arbeitete von Juni 1945 bis Februar 1946 in der sogenannten „Bergungsstelle“ und sortierte dort NS-Raubbücher aus der Bibliothek des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA). Viele davon fügte er seiner eigenen Büchersammlung hinzu. Sowohl die Bücher aus dem Bestand der FU Berlin als auch diejenigen aus der ZLB stammen aus dem RSHA-Depot und fanden in der Nachkriegszeit ihren Weg in die Berliner Bibliotheken.

Das Team der Arbeitsstelle Provenienzforschung freut sich darüber, dass im Rahmen ihrer Arbeit diese Bücher zurückgegeben werden konnten.

Die Bücher in LCA:

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/249285

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/234377

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/288043

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/251731

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/251109

https://db.lootedculturalassets.de/index.php/Detail/objects/250908


Provenienzhinweis Dr. Erich Stern

Weitere Quellen mit Bildnachweis:

Vom früheren Reichssicherheitshauptamt VII Berlin V 30, Eisennacherstr. 11-13, beschlagnahmte Privat-Bibliotheken – Stern, Erich, Pädagoge, Giessen

Quelle: www.fold3.com

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