Vor einiger Zeit schrieb Marc van Oostendorp darüber, wie Afrikaanssprecher und Deutschsprecher das Niederländische wahrnehmen und imitieren.
Um dem noch eine Dimension hinzuzufügen: Wie fühlt sich das Niederländische denn von Norden betrachtet an? Damit beschäftigte sich schon vor ein paar Jahren das norwegische Comedy-Duo Ylvis. Die beiden Brüder Bård und Vegard Ylvisaker wurden 2013 weltweit bekannt mit ihrer Musikvideo-Parodie ”What does the Fox say?” Innerhalb Norwegens kennt man sie schon länger für ihren Humor, der eine weite Bandbreite zwischen „Versteckte Kamera“ und „Jackass“ bedient. Darunter sind zwei Sketche, die eine enorm geschickte Imitation des Niederländischen nutzen.
Im ersten Sketch aus dem Jahr 2011 waren ein paar unschuldige Dolmetscherinnen die Opfer: Sie sollten vom „Niederländischen“ ins Schwedische übersetzen. (Ob es zu wenige verfügbare Dolmetscher mit der Sprachkombination Niederländisch-Norwegisch gab, um den Sketch in dieser Kombination zu produzieren? Hoffentlich nicht.)
Die Irritation ist den Übersetzerinnen deutlich anzusehen – zunächst kommt es aber niemandem in den Sinn, die Sprachkenntnisse des „Experten“ Jaap Westerdijk (alias Vegard Ylvisåker) infrage zu stellen. Zweifel kommen erst auf, als der vermeintliche Niederländer sich durch falsche Freunde verrät und zum Beispiel von einem „generaalstrijk“ spricht – auf Norwegisch wäre „streik“ durchaus korrekt, auf Deutsch auch. Deutsch fällt für Norweger unterdessen auch deutlich in die Kategorie der durch Ähnlichkeitsfremdheit lustigen Sprachen. Der Ausrutscher hin zu „achtundzwanzig“ statt „achtentwintig“ kommt daher nicht überraschend. Aus der Perspektive des norwegischen „tjueåtte“ ist beides sehr leicht verwechselbar. Nun beginnen die Dolmetscherinnen, Gegenangebote zu machen: Sie korrigieren das Wort „staking“ oder bieten an, ein Wort lieber auf Englisch oder Französisch zu sagen. Die Maske lässt sich zwar nicht aufrecht erhalten, aber für eine Weile wirkt die Simulation.
Noch besser funktioniert das bei einem späteren Versuch aus dem Jahr 2012.
Jaap Westerdijk tritt nun an zum Speeddating in Rotterdam. Das Gespräch stolpert zwar stets vom ersten Augenblick an, Jaap gibt offenkundig unpassende Antworten auf simple Fragen. Aber anders als die Dolmetscherin im vorherigen Clip macht keine der Gesprächspartnerinnen das Angebot, in eine andere Sprache zu wechseln. Die Verständigungsprobleme werden zwar explizit gemacht, aber ohne offen die Sprachkenntnisse als solche in Frage zu stellen. Dabei ist sicherlich eine große Portion Höflichkeit im Spiel.
Aber trotzdem stellt sich die große Frage: Warum gelingt es, diese Fassade überhaupt aufzubauen? Neben der schauspielerischen Ernsthaftigkeit dürfte die Phonetik eine gewichtige Rolle spielen. Viele Versatzstücke der Imitation treffen sehr gut solche Laute, an denen sonst ein Akzent recht gut zu erkennen ist: Das charakteristische /ɛɪ/ oder das /x/ klingen durchaus glaubwürdig. Mit gezieltem Nuscheln lässt sich damit die Morphologie gut überspielen („hebbe hobbies“?). Die Syntax funktioniert bis auf wenige Ausnahmen offenbar gemein-germanisch und verunglückt nur einmal sehr deutlich: „Wij kan macht de ballon“ verletzt die Regeln der Satzklammer und wäre nur im Norwegischen syntaktisch möglich.
Dazwischen erzeugen eingestreute Wörter, die es tatsächlich gibt, zusätzliche Glaubwürdigkeit. Am einfachsten geht das mit Internationalismen wie „hobbies“, aber eine besonders effektive Strategie ist die Erwähnung des Achterhoek. Es ist schwer zu sagen, ob das geplant war, oder ein spontaner Einfall, weil Vegard Ylvisåker von der Region schon einmal gehört hatte und der Klang des Namens ihm besonders niederländisch vorkam. Mit dem Achterhoek schafft er jedenfalls Anklänge an eine besonders dialektal konnotierte Region zu schaffen, die zudem die unkontrollierbaren Interferenzen mit dem Deutschen glaubhaft machen.
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