Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Flussmund und Igelsee

Korrespondentenbericht aus Finnland, Teil V (und Schluss).

Ist Finnland auch ein Land der Kontraste? Selbstverständlich. Vor allem aber ist es natürlich das Land der tausend Seen. Über die genaue Anzahl lässt sich bestimmt streiten, denn wo der eine See aufhört und der nächste beginnt, ist ungefähr so leicht festzulegen wie die Grenze zwischen Sprache und Dialekt. Sicherlich hat Finnland mehr Seen als die Eskimos Wörter für Schnee haben. Es ist jedenfalls vernünftig, wenn der Van Dale für die Redensweise vom Land der tausend Seen eine rechnerische Marge um den Faktor zehn einräumt und als Übersetzung vorschlägt, Finnland sei het land der (tien)duizend meren.

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Ein Bruchteil der tausend Seen. (Foto: PK)

Was den Niederlanden ihre Kanäle und Grachten, sind Finnland eben seine Seen und Schären. Bezüge zum Wasser findet man in vielen Ortsnamen, die häufig etymologisch relativ transparent sind. Die nordkarelische Stadt Joensuu beispielsweise liegt an der Mündung eines Flusses in einen See und heißt wörtlich Flussmund. Andere Beispiele sind nicht weit von hier die Orte Siilinjärvi (Igelsee) und Heinävesi (Heuwasser), weiter im Süden der berühmte Wintersportort Lahti (Bucht) oder das Städtchen Järvenpää (Seehaupt, also am oberen Ende eines Sees gelegen).

Auch im Ausland baut das Finnische auf etymologische Transparenz. Deutschland ist als Saksa nach den Sachsen benannt – wohltuend, wenn man bedenkt, dass deutsche Kultur im Ausland häufig mit bayerischen Stereotypen gleichgesetzt wird. Österreich bezeichnet man als Ostreich (Itävalta), und die Niederlande sind wörtlich die Länder der Niederung (Alankomaat). Mit ihrem eigenen Land haben die Finnen etwas Definitionsprobleme. Nordkarelien ist natürlich Teil von Finnland, das restliche Karelien dagegen seit langer Zeit nicht mehr, obwohl die Region gewissermaßen als Wiege des Nationalgeistes gilt. Aber was Finnland tatsächlich ist, definierten jahrhundertelang die herrschenden Schweden. Für die waren die düsteren Wälder im Osten und Norden ein schauriges Niemandsland, auch wenn sie im ständigen Machtstreit mit Russland strategisch wichtig und stets umkämpft waren. Davon zeugt weiterhin die Teilung Kareliens und der Name der heute russischen Stadt Выборг (schwed. Viborg). Hauptsächlich konzentrierten sich die Schweden dennoch auf den nahegelegenen Südosten und die Küsten. Bis heute heißt die dortige Landschaft Varsinais-Suomi oder Egentliga Finland: „Eigentliches Finnland“. Der Rest – inklusive der Region Uusimaa (Neuland) um die heutige Hauptstadt Helsinki – ist demnach nur „irgendwie auch Finnland“. Aber die meisten der 1.000 bis 10.000 Seen findet man trotzdem eher im „sonstigen Finnland“ als im eigentlichen.

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Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 19. März 2015 um 10:00 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Allgemein, Idiom, Sprachvergleich abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

2 Reaktionen zu “Flussmund und Igelsee”

  1. JanZ

    Kiitos paljon, als Finnischlerner freue ich mich über die Beiträge aus Finnland besonders! Bezüglich der Zahl der Seen habe ich schon mehrmals die Zahl 187.888 gelesen, das sollen alle Gewässer mit einer Größe von mindestens 5 Ar sein.

  2. Philipp Krämer

    Ei kestä kiittää, die Serie hat großen Spaß gemacht! 187.888 ist natürlich eine schöne Schnapszahl, für ein Sprichwort vielleicht etwas lang: „Finnland – das Land der einhundertsiebenundachtzigtausendachthundertachtundachtzig Seen“ werden wir wahrscheinlich so schnell auf keinem Tourismuswerbeplakat sehen 🙂