Wenn man einen Text schreibt, dann überlegt man sich am besten eine Gliederung. Oder man schreibt einfach drauf los und schaut, wohin der Text einen führt. Das habe ich bei den letzten beiden Beiträgen über das Sitzen gemacht – und nun habe ich Reste und Bruchstücke übrig. Aber ich möchte nicht darauf sitzen bleiben, also verarbeite ich sie zu einem dritten Beitrag.
Auf Norwegisch würde man sagen: Jeg sitter igjen med restene (etwa: „Ich sitze / bleibe zurück mit den Resten.“) In so mancher Redewendung ist das Sitzen sehr produktiv, um Dauerhaftigkeit auszudrücken. Im Niederländischen zum Beispiel: Ik zit met een probleem.
Schauen wir uns diese Ausdrücke in den drei Sprachen kurz an:
Ik zit met…
Ich bleibe sitzen auf…
Jeg sitter igjen med…
Sie bedeuten nicht exakt dasselbe. Aber sie teilen neben der Dauerhaftigkeit noch einen Faktor: Die Dauerhaftigkeit scheint irgendwie statisch zu sein. Wir haben es nicht mit der Dauerhaftigkeit zu tun, die eine Fortentwicklung beschreibt, sondern eher mit Stagnation. Ik zit met een probleem, en het gaat maar niet vooruit.
Man kann sich gut vorstellen, wie die Welt sich rundherum weiterbewegt, während man selbst auf dem Fleck verharrt. Genau wie das Kind, das in der Schule sitzen bleibt (ebenso nl.: zittenblijven), während alle anderen ins nächste Schuljahr kommen.
Erstaunlicherweise kann sich dieses Gefühl der Stagnation sogar auch dort durchsetzen, wo Bewegungsverben den Verlauf ausdrücken. Noch einmal zurück zu den Infinitivkonstruktionen:
Zij zit de hele dag aan haar problemen te denken.
Zij loopt de hele dag aan haar problemen te denken.
Die Beispiele sind fast gleichbedeutend. Im ersten Fall ist die Betroffene vielleicht etwas lethargisch, im zweiten fühlt sich die Situation stressiger an. Aber hinter beiden Sätzen steht der Gedanke, dass die arme Frau mit ihren Problemen nicht so recht weiter weiß. Sie läuft, kommt aber nicht voran – und könnte genauso gut sitzen.
Zum Glück ist das Sitzen aber nicht nur mit Problemen verbunden:
De broek zit perfect.
Die Frisur sitzt.
Hier begrüßt man die Stagnation sogar. Die Hose bzw. die Frisur sind schon so vollkommen, dass Veränderung oder Weiterentwicklung gar nicht nötig oder erwünscht ist.
Es gibt sicher noch mehr über Sitzen und Verlaufsformen zu sagen, aber für heute laten we het hier maar bij zitten (dt.: es dabei belassen). Im nächsten Teil von Johanna Ridderbeekx geht es um das genaue Gegenteil von Stagnation, nämlich um den Verlauf der Zeiten und wie sie uns die Verben verwirbeln.
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