Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Omchen Schmidt und die rosa Dame

Belgien hat ein Damenproblem. Immer mehr Apfelliebhaber in Europa greifen zur Apfelsorte Pink Lady, wie de Standaard kürzlich berichtete. Kein besonders ökologisches Konsumentenverhalten, denn die rosane Dame wächst vor allem in wärmeren Gegenden, gerne auf der Südhalbkugel, und hat deshalb eine lange Anreise.

Die rosane Dame? Ja, wenn man die deutsche Flexionsmorphologie strikt anwenden möchte. Und wenn man Sprachpuristen ärgern will, die nämlich der Meinung sind, dass man rosa und lila keinesfalls flektieren darf (tatsächlich: darf, nicht etwa kann oder zumindest sollte – aber eine offizielle Flexionsverbotskontrolle gibt es zum Glück nicht). Das Niederländische ist an dieser Stelle etwas versöhnlicher. Attribute vor Substantiven werden zwar tatsächlich noch flektiert: het groene huis, de grote auto. Aber roze hat schon ein –e und die Flexion fällt bei de roze dame dadurch nicht weiter auf. Problem gelöst, mal unabhängig davon, dass man die Pink Lady sowieso nicht übersetzen muss.

Die ältere Großtante der rosanen Dame ist Granny Smith, die ebenfalls einmal auf dem Weg war, den europäischen Apfelmarkt an sich zu reißen. Aber die politischen Haltungen standen dem entgegen. Granny Smith wurde häufig in Südafrika oder Chile angebaut. Viele Verbraucher wollten das Apartheidsregime und die Pinochet-Diktatur nicht durch ihren Obsteinkauf unterstützen. Der Siegeszug des grünen Apfels wurde durch die Gewalt der Weißen gegen die Schwarzen gebremst.

Viele der erfolgreichsten Apfelsorten der Gegenwart tragen englische Namen. Wenig verwunderlich, denn der Markt ist umkämpft und die besten Chancen haben starke Marken. Neben den schon etwas älteren Damen oder dem bekannten Golden Delicious geht der Trend zu fancy (oder: fancygen?) Bezeichnungen neuer Züchtungen, etwa Gala Galaxy oder Scifresh.

Das bedeutet aber nicht, dass das Niederländische in der Welt der Apfelsorten völlig verloren ist. Einer der Klassiker ist noch immer der Boskoop. Das Städtchen in Süd-Holland, das seit Langem von der Pflanzenzucht lebt und heute zu Alphen aan den Rijn gehört, gab dem weltbekannten Apfel seinen Namen. In der nicht ganz offiziellen Stadthymne heißt es darum ganz naheliegend:

Jede Menge Bosköppe. (Zyance, CC-BY-SA-2.5)

Open grenzen zij ons streven,

Voor het kweekersfabrikaat,

Dan alleen kan Boskoop leven,

Als de wereld open staat.

Die Welt stand für den Namen allerdings nur bedingt offen, denn das doppelte o ist unterwegs öfter zur Hälfte verloren gegangen. Man liest also häufig Boskop, was für niederländische Ohren wie eine etwas hölzerne Beschimpfung klingen dürfte. Mit vollem Namen heißen diese Äpfel Schöne aus Boskoop bzw. schone van Boskoop (nicht etwa: mooie). Das vereinfacht zumindest die Pluralbildung, damit keine missverständlichen Formen wie *boskopen, *boskoppen oder gar *Bosköppe dabei herauskommen. Hinter dem genauso verbreiteten Elstar verbirgt sich auch eine niederländische Herkunft, nämlich aus Elst in der Betuwe. Sogar unter den neueren Schöpfungen sind niederländische Namen noch präsent. Die beliebte griechische Alkmene hat die Mutanten Cevaal in den Niederlanden und de Coster in Belgien hervorgebracht. Aristokratisch kommt der Karmijn de Sonnaville daher. Den wiederum flektiert man nicht. Niemand berichtet, sein Lieblingsapfel sei de Karmijne van Sonnaville. Beim Karminroten von Sonnaville kann man das Farbadjektiv wohl flektieren, man darf es wahrscheinlich auch. Bloß werden im deutschen Sprachraum sowieso nur Wenige erkennen, was karmijn eigentlich heißt. Genauso wie bei den Appeltjes van Oranje, die man den Sprachschützern zufolge auch nicht orangene Äpfelchen nennen darf.

Tags: ,

Der Beitrag wurde am Montag, den 1. August 2016 um 09:49 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Etymologie, Niederlande, Wortbildung, Wortschatz abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

Kommentarfunktion ist deaktiviert