Jedes Frühjahr schneit es in Amsterdam. Zuverlässig ungefähr im Mai kommt der lentesneeuw über die Stadt. Das hat nichts mit den Eisheiligen zu tun. Die Nordsee sorgt schließlich für temperiertes Wetter, so dass Frost um diese Jahreszeit nicht mehr allzu oft vorkommt.
Für den Schnee sorgt nicht etwa die Kälte, sondern eher die Wärme: Die vielen Ulmen in Amsterdam werfen ihre Samenkapseln ab. Das tun die meisten Pflanzen und Bäume im Herbst und nur wenige im Frühling. Um das zu googeln, muss man kein Sprachwissenschaftler sein. Um die spezielle Schönheit dieser Erscheinung zu genießen auch nicht – die fängt die Fotostrecke im NRC treffend ein.
Amsterdam ist bekannt für vieles, von Museen über Grachten bis zur Prostitution. Aber wer weiß schon, dass es auch die Ulmenhauptstadt ist? Die Bäume wurden Anfang des 20. Jahrhunderts gepflanzt in einer Art demokratischen Bemühung um Erholungswert in der Stadt, als „gebruiksgroen voor het volk“, wie es die Stadtverwaltung selbst ausdrückt. Deutsche Bürokratensprache könnte nicht treffender sein. Wozu man Ulmen praktisch gebrauchen kann, bleibt dabei offen, denn Obst liefern sie nicht. Der Nutzen bleibt doch eher abstrakt, von der Luftreinigung bis zum hübschen Anblick – beides natürlich trotzdem viel wert.
Die Ulme heißt auf Niederländisch iep oder olm. Vielleicht beides keine extrem ansprechende Lautgestalten, aber immerhin beruht darauf (wahrscheinlich – Etymologien sind trügerisch) der Name von Ieper, dem Ort mit der blutigen Geschichte. Der liegt an einem Wasserlauf, der von Ulmen gesäumt wurde. Ob das noch immer so ist, bleibt fraglich in einer Zeit, in der Flandern sogar Verkehrsinseln zu Wäldern erklärt. (Vielleicht kann mal jemand den aktuellen Baumbestand an der Ieperlee überprüfen, ist uns jetzt gerade ein bisschen weit.) Warum ist bloß noch niemand darauf gekommen, dass die deutsche Partnerstadt von Ieper auf jeden Fall Ulm sein müsste?
Tags: Auf Deutsch, Flora & Fauna
Am 27. Mai 2017 um 16:42 Uhr
Heeft de iep een strategie? – Das fragt man sich beim NRC angesichts der Beobachtung, dass in manchen Jahren (wie auch dieses Jahr) die Ulmen „krankzinnig veel“ Samen abwerfen.