Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Amsterdam, Berlin, Windhoek – eine Analogie in der Werbesprache

von Henning Radke

Führen ähnliche Wortbildungsmuster in verschiedenen Sprachen zu parallelen Werbeausdrücken über die Sprachräume hinweg? Diesen Eindruck könnte man fast bekommen, wenn man sich das folgende Beispiel mit Bürger (Deutsch) bzw. burger (Niederländisch/Afrikaans) anschaut, das in allen drei Sprachen über eine auffallende phonetische Ähnlichkeit mit dem Fast-Food-Gericht Hamburger verfügt.

Wortwitz bringt Aufmerksamkeit – in Berlin gibt es nicht nur ein Burger-Restaurant.

Wie könnten Besitzer von Hamburger-Restaurants diese Ähnlichkeit nun mit einem treffenden Werbebegriff für sich nutzen? „Wer meisterhafte Hamburger will, der geht zum – Achtung Wortspiel – Burgermeister“, müssen sich einige da gedacht haben. Dieses Kompositum besticht aus Sicht der Werbesprache durch seine Doppeldeutigkeit: Erinnert es die geneigten Konsumenten nicht nur an die kulinarischen Qualitäten des Hamburgers, sondern lässt sie gleichzeitig auch an das Verwaltungsoberhaupt ihrer Stadt denken. Inhaltlich hat das eine mit dem anderen zwar wenig zu tun, aber einprägsam ist es auf jeden Fall und das zählt. Und so verwundert es nicht, dass es in Berlin-Kreuzberg bereits ein Restaurant mit dem Namen Burgermeister gibt. Guten Appetit!

In Amsterdam gibt es zwar drei ‚burgermeester‘, aber nur einen burgemeester.

Blickt man nun von Berlin nach Amsterdam, so finden sich dort gleich drei Restaurants mit dem klingenden Namen burgermeester, der den niederländischen Kunden dieselbe Assoziation entlockt wie sein Berliner Pendant. Auch im Niederländischen funktioniert die Logik der Doppeldeutigkeit durch Wortkomposition. Hier gibt es jedoch einen feinen Unterschied zum Deutschen. Das niederländische Stadtoberhaupt schreibt sich nämlich ohne <-r> und heißt burgemeester. Während sich der deutsche Begriff Bürgermeister von dem Wort Bürger ableitet, stammt das niederländische Pendant burgemeester laut Onze Taal von borg oder burg ab, womit eigentlich eine Stadt oder ein Stadtteil gemeint war. Die ursprüngliche Form lautete demnach borghmeester oder burchmeester, zu der später der Schwa-Laut [ə] als Fugenelement hinzukam. Doch selbst Onze Taal erkennt an, dass die Assoziation mit dem Wort burger nicht von der Hand zu weisen ist. Und so funktioniert das Wortspiel jenseits und diesseits der Ems-Dollart-Region wunderbar.

Eine andere Besonderheit ist der Wortakzent, der im Niederländischen auf der dritten Silbe liegt, wenn man vom Stadtoberhaupt spricht: burgemeester. Wie sollte man jetzt aber das Wortspiel burgermeester betonen? Geht es um den Meister der Hamburgerzubereitung? Dann würde der Wortakzent auf der ersten Silbe liegen. Oder möchte man bewusst die unfreiwillige Assoziation mit dem Verwaltungsoberhaupt einer Stadt beibehalten? Dann bliebe der Wortakzent faktisch auf der dritten Silbe. Eine kleine Stichprobe unter Muttersprachlern brachte hierzu keine eindeutigen Ergebnisse und so bleibt es wohl den Sprechern selbst überlassen, welche Form sie wählen. Dieses prosodische Dilemma gibt es übrigens nur im nördlichen Teil des niederländischen Sprachraumes, denn in Flandern kann man wie im Deutschen die erste Silbe betonen – egal ob burge(r)meester mit oder ohne <-r>.

Hier wäre dieser Artikel eigentlich zu Ende, gäbe es im südlichen Afrika nicht eine Schwestersprache des Niederländischen, die über parallele Wortbildungsmuster und ein ähnliches Lexikon verfügt: Afrikaans. Es verwundert also nicht, dass findige Werbetreibende auf denselben Einfall kamen und ihre Hamburger ebenfalls unter der Überschrift burgermeester anpreisen, wie ein Plakat aus Windhoek zeigt. Offiziell wird auch der Afrikaanse burgemeester ohne <-r> geschrieben; dieser Umstand ist laut Prof. Daan Wissing von der Noordwes-Universiteit jedoch kaum bekannt. In der Umgangssprache wird gewöhnlich ein <-r> mitgesprochen und der Wortakzent fällt oft auf die erste Silbe.

In Windhoek ist das Wort Teil einer Werbekampagne.

In dieser Hinsicht ähnelt die afrikaanse Variante des Wortes also eher der Deutschen. Das eingefügte <-r> im Wortspiel burgermeester erweckt bei vielen Lesern anders als im Niederländischen jedoch keine besondere Aufmerksamkeit. Das afrikaanse Beispiel ist besonders bemerkenswert, da ein Großteil namibischer Werbesprache auf Englisch gehalten ist. Im Falle von burge(r)meester ist es jedoch unübersetzbar und so erobert es gleich drei Sprachräume und verspricht dabei Qualität beim Burgeressen. Wie viele Kunden sich aufgrund dieses Wortspieles haben überzeugen lassen, ist übrigens nicht überliefert. Weder aus Namibia, noch aus Deutschland noch aus den Niederlanden.

 

Kurz erklärt: das Wortspiel auf Afrikaans (Simon Jacobs, Kapstadt)

 

Kurz erklärt: das Wortspiel auf Niederländisch (Maja Verburg, Amsterdam)

 

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Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 7. Juni 2018 um 18:18 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Afrikaans, Sprachvergleich, Wortbildung abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

2 Reaktionen zu “Amsterdam, Berlin, Windhoek – eine Analogie in der Werbesprache”

  1. Thomas Linke

    Zum Thema Akzent und Betonung: Ich bin mir nicht sicher, aber gibt es nicht Nord- oder niederdeutsche Dialekte, in denen die Betonung von Bürgermeister auch auf der dritten Silbe liegt? Ich kann mich auch irren, aber in einer meiner lieblingsserien: „Neues aus Büttenwarder“ wird der Bürgermeister ständig von den anderen auf der dritten Silbe betont.

  2. JanZ

    Ich habe speziell „Büttenwarder“ nicht im Ohr, aber die Betonung auf der dritten Silbe ist mir wohlbekannt.