Nederlands

Beobachtungen zur niederländischen Sprache

Hände hoch!

Wer in den Niederlanden unterwegs ist, hört alles mögliche: Niederländisch, Friesisch, Limburgisch, Türkisch, Arabisch, Englisch usw. Was man nicht hört: Gebärdensprache. Sehen kann man sie dagegen hier und da schon. Aber noch zu selten.

Das findet nicht nur die Sprachgemeinschaft selbst, sondern auch ein gewichtiger Teil des Parlaments. Die sozialdemokratische PvdA, die christdemokratische CU und die liberale D66 möchten gemeinsam einen Gesetzesvorschlag einbringen: Niederländische Gebärdensprache soll endlich offiziell anerkannt werden. Ähnliche Forderungen gab es schon früher immer wieder, bisher erfolglos.

Mit der Anerkennung sollen auch Ansprüche auf Unterstützung ausgebaut werden. Dazu gehört unter anderem, noch häufiger auch Dolmetscher*innen einzusetzen, denn viele schriftsprachige Übersetzungen helfen nur bedingt. Untertitel oder Beschriftungen sind nicht für alle Gehörlosen und Schwerhörigen problemlos zu nutzen. Wer gar nicht mit einer Lautsprache aufgewachsen ist, findet auch Schriftsprache nicht so naheliegend, weil schließlich das hörbare Gegenüber des Schriftbilds fehlt. Übersetzungen direkt in Gebärdensprache sind dann mit weniger Verstehensaufwand verbunden – und zunehmend auch mit weniger technischem Aufwand, denn mit mobilem Internet und allgegenwärtigen Displays lässt sich vieles machen, was früher nicht möglich war. Dabei ist auch nicht zu vernachlässigen, dass die Sichtbarkeit von Gebärdensprache eine Rolle spielt. Genauso wie bei Schrift- und Lautsprachen zeigt die Präsenz um uns herum, wie selbstverständlich die Sprachgemeinschaft dazugehört. Vielleicht wird die Niederländische Gebärdensprache also mit der Zeit ein allgegenwärtiger Teil der Linguistic Landscapes.

 

Miriam Stolk übersetzt bekannte Lieder in Niederländische Gebärensprache. Weitere Videos gibt es auf ihrem Youtube-Kanal.

 

Der Schutz von Minderheitensprachen ist in den Niederlanden schon recht weit ausgebaut – jedenfalls auf dem Papier, auch wenn die Umsetzung nicht immer flott verläuft. Die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen schützt einige Sprachen des Landes und immer wieder wird diskutiert, ob man weitere Sprachformen hinzunehmen müsste, beispielsweise das Bildts. Ob die Gebärdensprache künftig auch in den Rahmen der Charta fallen soll? Es wäre jedenfalls denkbar, denn es ist zwar keine Regionalsprache, die auf einen bestimmten Teilraum des Landes begrenzt ist. Aber auch überregionale Sprachen können geschützt werden und sind es längst, nämlich Romani und Jiddisch. Nichts wäre doch passender, als die Gebärdensprache als Teil des handvest voor regionale talen en talen van minderheden anzuerkennen.

Interessant ist die Nederlandse Gebarentaal (NGT) unter anderem wegen ihrer historischen Hintergründe. Die meisten Lautsprachen, die in den Niederlanden anerkannt sind, gehören der germanischen Sprachfamilie an. Die NGT hingegen geht – wie viele andere Gebärdensprachen – auf die Französische Gebärdensprache zurück. Die Klassifikationen der Gebärdensprachen sind oft umstritten, unklar und unübersichtlich, aber zur Deutschen Gebärdensprache bestehen deutliche historische Unterschiede. Und auch die Vlaamse Gebarentaal (VGT) sieht wieder anders aus – deutlich unterschiedliche Verhältnisse der Nachbar- und Verwandtschaft, als wir es bei den Lautsprachen kennen. Eine Herausforderung also für uns Hörende, das Vertraute nicht als völlig selbstverständlich zu verstehen.

Die Initiative zur Anerkennung jedenfalls hat Applaus verdient. Und das bedeutet auf NGT genau wie in Deutscher Gebärdensprache: Hände hoch!

Tags: , ,

Der Beitrag wurde am Samstag, den 7. September 2019 um 09:50 Uhr von Philipp Krämer veröffentlicht und wurde unter Niederlande, Sprachvergleich abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Kommentare und Pings sind derzeit nicht erlaubt.

Kommentarfunktion ist deaktiviert