Ein Stuhl (dt.) ist ein stoel (nl.) ist ein stol (norw.) – so weit, so klar. Das weiß und spürt jeder, der in seinem Berufsleben viel herumsitzen muss. Doch so einfach ist es leider nicht. Die germanischen Sprachen haben in diesem Wortfeld nämlich einen fröhlichen Sitzmöbelsalat angerichtet.
Es beginnt schon innerhalb des deutschen Sprachgebiets: Eine Freundin aus Sachsen nannte beharrlich ihren Autositz stets Stuhl. In Österreich sagt man auch zu einem Möbelstück mit wenig Polsterung Sessel statt Stuhl.
Hier in Deutschland ergibt das nur für eingefleischte armchair linguists einen Sinn. Sessel stehen in den Alpen übrigens auch im Parlament, genau wie in den niederländischsprachigen Ländern. Dort kann man einen zetel halen, wenn man gewählt wird – oder ohne Wahl sitzen auch Monarchen auf einem zetel. In Deutschland bekommt man nach der Wahl keinen Sessel, sondern nur einen Sitz. Vielleicht sind die Möbel im deutschen Bundestag wirklich unbequemer als die der Parlamentarierkollegen in den Nachbarländern. Der zetel ist natürlich nur etymologisch ein Sessel, denn für die Polstervariante benutzt das Niederländische entweder ganz elegant den französischen fauteuil oder, schon wieder: stoel. Drohen Missverständnisse, dann kann es ein gemakkelijke oder luie stoel sein – aber ein Stuhl bleibt es trotzdem. Nur die Belgier sehen die Dinge etwas „deutscher“ und nennen tatsächlich einen Sessel einen zetel, so wie es uns Eugène mit seiner speziellen Garage auf Youtube vorführt: seine zetelkes sind sichtbar Sessel und keine Stühle. Nun breiten die Belgier wiederum den Sessel semantisch wie räumlich aus, und sagen auch zum Sofa zetel. Niederländer sitzen auf einer bank vorm Fernseher, für Belgier steht die bank nur im Park.
Während der Arbeitszeiten halten sich niederländische Parlamentarier nicht in der Hauptstadt Amsterdam auf, sondern in Den Haag, dem regeringszetel (dt. Regierungssitz) der Niederlanden. Dort zetelen die beiden Parlamentskammern.
Zum Glück inszeniert sich Papst Franziskus als besonders asketisch und bescheiden, denn keine der Sprachen scheint dem Heiligen Stuhl, dem Heilige Stoel oder dem Holy See besonders viel Komfort zu gönnen. Hätten ältere, bisweilen gebrechliche Männer nicht wenigstens einen gemütlichen Sessel verdient?
Tags: Auf Deutsch, Belgien
Am 16. April 2015 um 10:00 Uhr
Eine neue Geschichte zu winzigen Garagen in Belgien mit einer Portion Dialekt gibt es beim Standaard.
Am 1. Juli 2016 um 15:22 Uhr
De Standaard meldet, dass Eugène mit der speziellen Garage kürzlich verstorben ist. Wir werden uns an seine einzigartige Einparktechnik gerne erinneren.